Uruguay

Wie funktioniert die staatliche Marihuana-Abgabe in Apotheken?

Berlin - 20.07.2017, 07:00 Uhr

Wie funktioniert das Projekt Marihuana aus Apotheken? Fragen und Antworten. (Foto: fotolia / William Casey)

Wie funktioniert das Projekt Marihuana aus Apotheken? Fragen und Antworten. (Foto: fotolia / William Casey)


Ganz behutsam werden die Pflanzen untersucht, die Mitarbeiter der International Cannabis Corporation müssen Haarnetze tragen. Hier, unweit des Gefängnisse Libertad, wird in Uruguay in diesen Tagen eine neue drogenpolitische Geschichte geschrieben. Im Auftrag des Staates wird Marihuana angebaut, um es in Apotheken landesweit an interessierte Menschen zu verkaufen. Ganz legal, zum Schleuderpreis. Fragen und Antworten zu dem einzigartigen Projekt.

Was ist das Einzigartige an dem Projekt?

Produktion und Abgabe werden erstmals durch den Staat organisiert. Die Macht der Drogen-Clans soll damit gebrochen werden. Wer kiffen will, konnte sich in den vergangenen Monaten registrieren lassen. Es gibt drei Optionen, man muss sich für eine entscheiden: Erstens: den Kauf in 16 ausgewählten Apotheken, der am Mittwoch gestartet worden ist. Zweitens: den Anbau von bis zu sechs Pflanzen daheim oder, drittens, die Mitgliedschaft in einem Club, der gemeinschaftlich Hanf anbaut und jedem Mitglied bis zu 480 Gramm Eigenkonsum im Jahr gestattet.

Wie viel kostet das „Staats-Marihuana“?

Die Regierung hat den Preis auf 187,04 Peso für ein 5-Gramm-Päckchen festgelegt. Das entspricht knapp 1,30 Dollar pro Gramm, weit weniger als jene zwei bis drei Dollar, die auf dem Schwarzmarkt für das Gras gefordert werden. Zudem wird die besondere Qualität der Pflanzen hervorgehoben, die wohlbehütet von der International Cannabis Corporation (ICC) und dem Unternehmen Simbiosys angebaut werden.

Wer darf kiffen?

Die bisher rund 5000 Konsumenten, die sich für den Kauf in Apotheken eingeschrieben haben, die knapp 7000 registrierten privaten Hanf-Anbauer und die Mitglieder in bisher 63 genehmigten Cannabis-Clubs (mit je 15 bis 45 Mitgliedern). Insgesamt 13 500 Menschen, 70 Prozent Männer, 30 Prozent Frauen. Die Bedingung: Sie müssen über 18 Jahre alt und seit mindestens einem Jahr in Uruguay ansässig sein. Der Weiterverkauf – auch an Touristen – ist verboten. Ausländer bleiben außen vor, Kiffertourismus soll damit vermieden werden. Nur wer registriert ist, kann legal Marihuana einkaufen.

Was ist der Unterschied zu den Coffee-Shops in den Niederlanden?

In den Niederlanden gibt es nur eine Tolerierung. Die Droge wird legal verkauft, kommt aber vom Schwarzmarkt. Zudem gibt es keine Kontrolle, wer das Gras bekommt. In Uruguay soll mit dem Gesetz gezielt der illegale Markt eingedämmt werden. „Das ist ein wichtiger Schlag. Das ist Geld, das nicht die Korruption alimentiert“, sagt einer der Initiatoren des Legalisierungsgesetzes, Julio Calzada.

Etwa 55.000 Menschen können Marihuana aus der Apotheke kaufen

Wie kam es zur Legalisierung?

Der damalige Staatschef José Mujica, ein früherer Guerillakämpfer, hatte die Initiative zur Legalisierung des Marihuana-Konsums 2012 angekündigt. Das Gesetz wurde Ende 2013 vom Parlament angenommen, es folgten lange Debatten über die Umsetzung des Verkaufs in Apotheken. Das kleine Uruguay ist eines der progressivsten Länder Südamerikas – es hat neben der liberalen Drogenpolitik zugleich eines der weltweit strengsten Raucher-Gesetze und in dem Kontext einen millionenschweren Musterprozess gegen den US-Tabakriesen Philip Morris gewonnen.

Wie funktioniert der Vertrieb?

In zunächst 16 ausgewählten Apotheken muss sich der Konsument mit seinem elektronischen Fingerabdruck identifizieren. Über einen zentralen Speicher des staatlichen Cannabis-Instituts (IRCCA) wird der Verkauf von wöchentlich bis zu zehn und monatlich bis zu 40 Gramm pro Person genehmigt. Die beiden Marihuana-Unternehmen dürfen zwei Tonnen Gras pro Jahr produzieren, mit jeweils rund 15.000 Pflanzen.

Wird damit der illegale Markt zerstört?

Nein. Die Anzahl der regelmäßigen Konsumenten wird von der Regierung auf 55.000 Menschen geschätzt, mit einem Konsum von 26,5 Tonnen im Jahr, die vor allem aus dem benachbarten Paraguay nach Uruguay geschmuggelt werden. Rund 40 Millionen Dollar pro Jahr verdienen Dealerbanden bisher. Bereits 2017 sollen den Drogenhändlern sieben Millionen US-Dollar an Umsatz entzogen werden. Nächstes Jahr sollen es dann 20 Millionen werden. Da nur vier Tonnen staatlich angebaut werden, wird es aber vorerst auch weiterhin illegalen Konsum geben.

Wie ist die Lage in anderen Ländern?

In einigen US-Bundesstaaten ist der Anbau zu Hause in kleinen Mengen erlaubt. In Deutschland geht es um einen streng limitierten Zugang für kranke Menschen. Weil solche Modelle im Kommen sind, setzen die beiden zertifizierten Anbauer auch auf Exportchancen für Gras „made in Uruguay“. Aber die Frage ist: Lässt sich der legale Markt auch kontrollieren – oder wird das günstige Gras illegal weiterverkauft?



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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