Gemeinsamer Bundesausschuss

Gröhe widerspricht Benennung neuer G-BA-Spitze

Berlin - 16.06.2017, 10:55 Uhr

Probleme mit den neuen Unparteiischen: Aus Sicht des BMG erfüllt einer der neuen, potenziellen Stellvertreter im G-BA nicht die gesetzlichen Vorschriften zur Unabhängigkeit. Außerdem wünscht sich das Ministerium auch Frauen an der G-BA-Spitze. (Foto: G-BA)

Probleme mit den neuen Unparteiischen: Aus Sicht des BMG erfüllt einer der neuen, potenziellen Stellvertreter im G-BA nicht die gesetzlichen Vorschriften zur Unabhängigkeit. Außerdem wünscht sich das Ministerium auch Frauen an der G-BA-Spitze. (Foto: G-BA)


Der Gemeinsame Bundesausschuss braucht eine neue Spitze. Die Amtszeit der Unparteiischen läuft im Juli 2018 ab. Die Trägerorganisationen des Ausschusses haben dem Bundesgesundheitsministerium ihre Personalvorschläge unterbreitet. Die umstrittenste Personalie, die Benennung des FDP-Politikers Lars Lindemann, heißt das Ministerium nach Informationen von DAZ.online gut. Probleme hat das BMG vielmehr mit der Benennung eines Stellvertreters und damit, dass die Träger nur eine einzige Frau benennen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist eines der wichtigsten Gremien des Gesundheitswesens. Vom Gesetzgeber beauftragt, beschließen die Vertreter der Krankenkassen auf der einen Seite und die Vertreter der Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte und Kliniken) auf der anderen Seite, welche Therapien, Behandlungsverfahren und Arzneimittel die Kassen erstatten sollen und welche nicht. Der G-BA legt unter anderem auch den Zusatznutzen neuer Arzneimittel fest, der ausschlaggebend für die Preise der Medikamente ist. Außerdem beschließt der Ausschuss auch für Apotheker wichtige Richtlinien und Regeln, beispielsweise die Substitutionsausschlussliste.

Bei allen Abstimmungen im G-BA haben die Kassenvertreter und Leistungserbringer die gleiche Anzahl von Stimmen. Ergibt sich zwischen beiden Lagern kein klares Votum, werden die Stimmen der drei Unparteiischen ausschlaggebend. Derzeit ist der ehemalige saarländische Justiz- und Gesundheitsminister Josef Hecken unparteiischer Vorsitzender im G-BA. Die anderen beiden Unparteiischen sind die Ärztin und ehemalige Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer, Regina Klakow-Franck, und der ehemalige AOK-Manager Harald Deisler.

BMG kommentiert Benennung, Gesundheitsausschuss beschließt

Bis zum 1. Juli 2018 müssen die drei Unparteiischen neu bestimmt werden. Kassen und Leistungserbringer können sich dabei im Vorfeld einvernehmlich auf Personen einigen. Die Trägerorganisationen legen diese Vorschläge dann dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor. Das BMG wiederum leitet die Anfrage an den Gesundheitsausschuss des Bundestages weiter, der mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen die vorgeschlagenen Personen protestieren kann. Laut Gesetz dürfen Personen, die zum Beispiel für eine Trägerorganisation tätig waren oder selbst als Vertragsarzt oder in einem Krankenhaus gearbeitet haben, nur dann vorgeschlagen werden, wenn diese Tätigkeit mindestens ein Jahr zurückliegt (Karenzzeit).

Das Ministerium hat die Vorschläge der G-BA-Träger inzwischen erhalten. Auf mehreren Seiten erklären Kassen, Kliniken und Ärzte, dass die von ihnen gewünschten Unparteiischen die richtigen Personen für die Benennung der Posten sind. Die Träger schlagen vor, dass Josef Hecken unparteiischer Vorsitzender bleibt. Ebenso sollen der ehemalige Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Uwe Deh, sowie der FDP-Politiker und Ärzte-Funktionär Lars Lindemann unparteiische Mitglieder im Ausschuss werden. Jeder der drei Unparteiischen braucht außerdem zwei Stellvertreter. Insgesamt geht es also um die Benennung von neun Unparteiischen.

BMG: Nur Männer an der G-BA-Spitze

Insbesondere zur Personalie Lindemann hatte es einige Diskussion im Gesundheitswesen gegeben. Lindemann saß für die FDP nach 2009 im Bundestag. Schon während des Wahlkampfes kündigte er 2013 an, dass er Vorsitzender des Spitzenverbandes der Fachärzte (SpiFa) werden wolle. Diese Position hat Lindemann seit 2013 nun auch inne. Außerdem ist Lindemann Geschäftsführer der Sanakey-Gruppe, eine Unternehmensgruppe, die Fachärzten unterschiedliche Dienstleistungen anbietet. Außerdem war Lindemann in der Vergangenheit auch als Geschäftsführer an mehreren MVZs tätig und arbeitete auch für Kliniken und saß in der Vertreterversammlung einer privaten Krankenversicherung.

Gegenüber dem BMG versichert Lindemann in einem Schreiben nun aber, dass er seine Funktion als Ärztefunktionär beim SpiFa aufgeben werde. Ebenso wolle er nicht mehr Geschäftsführer der Sanakey-Gruppe sein, sollte er Unparteiischer im G-BA werden. Das Ministerium sieht darin auch kein Problem: In einem Brief an den Gesundheitsausschuss des Bundestages, der DAZ.online vorliegt, teilt Staatssekretär Lutz Stroppe mit: „Herr Lindemann und Herr Deh haben mitgeteilt, dass sie die entsprechenden Tätigkeiten während ihrer Amtszeit nicht weiterführen werden.“

BMG: Probleme mit Helming

Probleme sieht das BMG allerdings mit der Benennung eines der sechs Stellvertreter: Dr. Hans-Joachim Helming. Der Facharzt für Gynäkologie ist derzeit Geschäftsführer der IGiB gGmbH. In der Vergangenheit war Helming auch Vorstandsvorsitzender bei der KV Brandenburg sowie Mitglied des Finanzausschusses bei der KBV. Das BMG hat allerdings Probleme mit seiner Tätigkeit für die IGiB. Die IGiB wurde 2009 gemeinsam von der damaligen AOK Brandenburg und der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) gegründet. 2010 schloss sich auch die Barmer GEK an. Die Gemeinschaft entwickelt Versorgungsmodelle für ländliche Regionen. Staatssekretär Stroppe meint dazu: „Im vorliegenden Fall handelt es sich bei Herrn Dr. Helming aber um eine Beschäftigung bei einem Verband von Mitgliedern der Trägerorganisationen.“ Auf Nachfrage habe Helming nicht mitgeteilt, dass er seine Tätigkeit zum 30. Juni 2017 aufgeben werde, um die gesetzlich vorgegebene Karenzzeit einzuhalten.

Das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sieht aber noch ein anderes Problem: Aus Sicht des BMG würde es der neu vorgeschlagenen G-BA-Spitze auch an Frauen mangeln. Lediglich Dr. Monika Leigermann (Gesundheitsamt Bremen) ist als Zweite Stellvertreterin von Hecken vorgesehen. Stroppe schreibt an den Gesundheitsausschuss: „Bei den Personalvorschlägen der Trägerorganisationen fällt auf, dass das Prinzip des Gleichgewichts zwischen beiden Geschlechtern keine Berücksichtigung gefunden hat, obwohl in der Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz explizit darauf hingewiesen wurde (…)“

Die Entscheidung über die neue G-BA-Spitze liegt nun letztlich beim Gesundheitsausschuss. Die Gesundheitspolitiker müssen beschließen, wie die G-BA-Spitze ab Juli 2018 besetzt sein soll.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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