Schwere Nebenwirkungen von Mirena und Co.?

Hormonspiralen unter Verdacht

Stuttgart - 19.05.2017, 17:45 Uhr

Bei der Hormonspirale Mirena werden mögliche Nebenwirkungen geprüft, die bisher nicht in der Packungsbeilage auftauchen. (Foto: Bayer)

Bei der Hormonspirale Mirena werden mögliche Nebenwirkungen geprüft, die bisher nicht in der Packungsbeilage auftauchen. (Foto: Bayer)


Die Liste möglicher Nebenwirkungen von levonorgestrelhaltigen Hormonspiralen wie Bayers Mirena® könnte demnächst länger werden: Nach Informationen von DAZ.online prüfen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie die Europäische Arzneimittelagentur EMA derzeit schwere unerwünschte Wirkungen, die bislang nicht im Beipackzettel oder der Fachinformation zu finden sind.

Schon 2009 hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf psychiatrische Erkrankungen als unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Mirena® hingewiesen. Ein Formular des Herstellers zur Aufklärung von Patientinnen erwähne zwar Veränderungen der Monatsblutung, vergrößerte Follikel oder ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko. „Dagegen fehlt ein Hinweis auf psychiatrische Erkrankungen“, schrieb die AkdÄ damals. In der Packungsbeilage ist wie in der Fachinformation „Depressive Stimmung/Depression“ als häufige Nebenwirkung aufgelistet. Damals wies die AkdÄ darüber hinaus auch auf Meldungen zu Verdachtsfällen unerwünschter Nebenwirkungen wie Angst, Schlafstörungen und Unruhe hin.

„Nach wie vor befinden sie sich nicht im Beipackzettel“, kritisierte vor etwas mehr als einem Jahr eine von gut tausend Unterstützern unterzeichnete Petition. Die Petition, die sich an die AkdÄ und das BfArM richtete, war erfolgreich: Als Reaktion auf die Unterschriftenliste initiierte das BfArM auf europäischer Ebene vor einigen Monaten ein Signalverfahren für levonorgestrelhaltige Implantate.

Daten sollen im Juni diskutiert werden

„Für Ängstlichkeit, Panikattacken, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und Unruhe wurde in Deutschland ein Signal identifiziert“, heißt es im Protokoll des Pharmakovigilanzausschusses (PRAC) der EMA von Februar. Der PRAC sei übereingekommen, dass eine weitere Analyse der Verbindungen zwischen psychiatrischen Störungen und levonogestrelhaltigen Implantaten wie Mirena®, Jaydess® und Luadei® vorgenommen werden solle. Innerhalb von zwei Monaten mussten die Zulassungsinhaber dem PRAC Verdachtsfälle übermitteln. „Diese Daten werden aktuell bewertet und sollen im Juni im PRAC diskutiert werden“, bestätigt BfArM-Sprecher Maik Pommer gegenüber DAZ.online. 

Auch Hirndrucksteigerungen und Sehstörungen sind Thema

Doch nicht nur dies: Auch Hirndrucksteigerungen und Sehstörungen werden aktuell als mögliche Nebenwirkungen geprüft. Das ZDF-Magazin Frontal 21 hatte im April von Sehstörungen berichtet und einen Fall präsentiert, bei dem es auch zu vorübergehender Blindheit gekommen sei. Die Sehstörungen könnten dadurch entstehen, dass das Hormon den Hirndruck steigert und hierdurch wiederum der Sehnerv geschädigt werde, sagte der pensionierte Arzt und Pharmakologe Peter Schönhöfer, der früher auch für das Arznei-Telegramm tätig war. 

Auf Sehprobleme werde in der Mirena-Fachinformation zwar verwiesen, erklärt der Pharmakologe Peter Ruth von der Uni Tübingen gegenüber DAZ.online – „allerdings im Zusammenhang mit dem Auftreten einer Migräne“, betont er. Generell sei über eher seltene unerwünschte Arzneimittelwirkungen der einzelnen Gestagene in Kontrazeptiva noch zu wenig bekannt. Studien mit vergleichsweise wenigen Teilnehmern wie jene von Katz reichten seiner Ansicht nach nicht aus, um gezielt ein Kontrazeptivum mit einem Arzneistoff, der auch in zahlreichen anderen Arzneimitteln enthalten ist, „herabzuwürdigen“, schreibt Ruth. Er argumentiert, dass auch eine Schwangerschaft mit einem Risiko für erhöhten Hirndruck einhergehe. 

Wie ist die Lage in den USA?

FDA-Informationen zum levonogestrelhaltigen Implantat Jadelle® führen frühere idiopathische Hirndrucksteigerungen als Kontraindikation auf. Dort wird auch erwähnt, dass in seltenen Fällen über Hirndrucksteigerungen bei Nutzerinnen der Implantate berichtet wurde. Hirndrucksteigerungen und Sehstörungen  sind in den USA offenbar auch Teil von Rechtsstreitigkeiten zwischen Patientinnen und Bayer. Die Pharmafirma argumentiert, dass Levnorgestrel-freisetzendende intrauterine Systeme zu einer geringeren Hormonkonzentration im Blut führen, als dies bei dem unter der Haut implantierten Präparat Jadelle® der Fall ist. 

Wenige wissenschaftliche Untersuchungen

Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema sind bislang kaum verfügbar. Im Jahr 2015 hatte Mahyar Etminan von der kanadischen University of British Columbia mit Kollegen eine Analyse von Spontanmeldungen der US-Arzneimittelbehörde FDA veröffentlicht und von einer leicht erhöhten Anzahl von Fällen mit erhöhtem Hirndruck für Mirena® berichtet. Die Schlussfolgerungen bezeichnete jedoch Deborah Friedman von der University of Texas Southwestern in Dallas als „fehlerhaft und irreführend“. Sie kritisierte methodische Fehler, die Etminan wiederum zurückwies. Dabei ist zu beachten, dass Friedman nach Eigenangabe als Gutachterin für Bayer auftritt – und Etminan von Anwälten klagender Patientinnen als Experte beauftragt wurde. 

Außerdem hatten im Jahr 2015 Augenärzte um Bradley J. Katz von der University of Utah in Salt Lake City auf einer Konferenz erste Daten vorgestellt, dass idiopathischer intrakranialer Hirndruck häufiger bei Frauen mit levonorgestrelhaltigen Intrauterin-Systemen zu beobachten sei. Kürzlich veröffentlichten sie hierzu einen Artikel im Fachmagazin Neuro-Ophthalmology, in der sie den Zusammenhang bestätigten. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass dies noch nicht bedeute, dass es eine kausale Beziehung gebe. Die Analysen haben andere Risikofaktoren für Hirndrucksteigerungen wie beispielsweise hohes Körpergewicht nicht berücksichtigt, was die Autoren selber anmerken. Da diese Faktoren teils mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Verhütung mittels Implantat verbunden sind, raten sie zu Vorsicht bei Interpretation der Ergebnisse. 

Auch das BfArM prüft das Thema 

Das Thema wird aktuell offenbar auch beim BfArM behandelt, wie Behördensprecher Pommer gegenüber DAZ.online bestätigt. „Die Sicherheit der levonorgestrelhaltigen Implantate wird auch bezüglich weiterer Nebenwirkungen und Signale wie die aller zugelassenen Arzneimittel kontinuierlich überwacht“, erklärt er. Dazu gehöre die Prüfung der neuen Veröffentlichung von Katz. Offenbar untersucht die Behörde auch, inwiefern die Einleitung eines Signalverfahrens bei der EMA in Bezug auf diese Nebenwirkungen angebracht sei. Es würden „alle verfügbaren Daten in nationalen und internationalen Gremien bewertet und mögliche Maßnahmen evaluiert“, schreibt Pommer.

„Anpassung der Liste der Nebenwirkungen ist nicht notwendig“

„Basierend auf der Gesamtheit der für Bayer seit der Markteinführung von Mirena® verfügbaren Daten folgt aus der Anwendung von Mirena® kein erhöhtes Risiko für eine Idiopathische Intrakranielle Hypertonie“, erklärt Bayer gegenüber DAZ.online. Die Studie von Etminan sei „prinzipiell nicht geeignet“, Kausalzusammenhänge nachzuweisen. Zu jener von Katz habe der Konzern eine umfassende Analyse vorgenommen: Ein Sprecher verweist auf die von den Autoren selbst beschriebenen Grenzen der Methodik, auch biete sie „keine neuen Erkenntnisse“, auf Grund derer eine Anpassung der Liste möglicher Nebenwirkungen „notwendig wäre“. 

Insgesamt sieht Bayer offenbar keinen Anlass zur Besorgnis. „Das Nutzen-Risiko Profil ist positiv, welches durch die während des klinischen Entwicklungsprogramms gemachten Beobachtungen bestätigt wird“, erklärt der Sprecher.

Im Spontanmeldesystem tauchen Sehprobleme auf

Sollte sich diese Einschätzung auch durch die im deutschen Spontanmeldesystem vorhandenen Meldungen zu Sehproblemen demnächst ändern, könnte dies auch andernorts für Unruhe sorgen: Nach einer Anmoderation mit dem Titel „Gute Geschäfte mit dem vermeintlich guten Zweck“ machte Frontal 21 darauf aufmerksam, dass Bayer in letzter Zeit vermehrt in Afrika tätig ist. „Bayer und die Bill & Melinda Gates Foundation vereinbarten im Jahr 2013 die Bereitstellung des Bayer-Verhütungsimplantats Jadelle® für mindestens 27 Millionen Implantate für Frauen in Entwicklungsländern über einen Zeitraum von sechs Jahren (2013-2018)“, bestätigt der Konzern. 

Im Beitrag von Frontal 21 wurden Kritiker zitiert, nach deren Aussage viele der Nutzerinnen nicht ausreichend über Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Auch gebe es laut einer Mitarbeiterin der Gates-Stiftung später Probleme bei der medizinisch fachgerechten Entfernung der Implantate.  

Update: Der Artikel wurde noch um die Argumentation Bayers ergänzt, dass Hormonspiralen wie Mirena® zu einer geringeren Konzentration des Hormons im Blutserum führen als bei Implantaten wie Jadelle®.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

Depression mit und nach Mirena / zu frühe Menopausee

von Claudi am 09.11.2019 um 19:55 Uhr

Viele Jahre trug ich die Mirena wegen der starken Monatsblutungen. Und wurde immer depressiver. Mit Anfang 40 blieb dann die Periode ganz aus - und kam nie wieder. Nun 10 Jahre ohne Mirena und ohne Periode: null Bock, immer wieder schwere depressive Episoden, Antriebslosigkeit. Kein Klinikaufenthalt, keine Antidepressiva, Therapien und Therapeuten hilft wirklich. Immer wieder tiefste Täler. Niemand kann mir helfen. Vor der Mirena war ich ganz anders. Und beruflich erfolgreich.
Wer kann mir noch helfen?

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AW: Depression mit und nach Mirena / zu frü

von Squirrel am 08.01.2020 um 9:27 Uhr

Ich trage nie Mirena seit ca. 16 Jahren ohne Pause. Die Hälfte der zeit nie Beschwerden. Nach kurzer Eingewöhnung keine Periode, was ich als sehr praktisch empfand.
Nach einiger Zeit merkte ich. Gewichtszunahme. Konnte immer alles essen, was ich wollte und nahm NIE zu. Das war plötzlich mit Ernährungsumstellung und Sport noch nicht besser bis heute. Seit 2 Jahren, hab ich oft Stimmungsschwankungen, weinerlichkeit, Antriebslosigkeit und bin nicht mehr belastbar. Auch , dass ich mich ständig über Kleinigkeiten aufregen und kaum zur Ruhe komme war an der Tagesordung . Mein HA hat mir Antideppressiva verschrieben, die überhaupt nicht halfen, auch nach Präparatswechsel nicht.
Jetzt lese ich DAS hier und bin erschrocken. Könnte das die Mirena sein ?
Mein jetzige Mirena müsste sowieso bald gewechselt werden. Aber ich kann so nicht sehen, wann ich in die Wechseljahre komme, da keine Periode mehr da ist. Nun bin ich am überlegen, ob ich die Mirena gleich ziehen lasse und nicht Neues legen lasse. (Bin jetzt 45 J.)

Nach 10 Jahren Mirena nun hormonrezeptorpositiver Krebs

von Petra am 05.11.2019 um 15:37 Uhr

Hätte ich mich doch nur für die Kupferspirale entschieden...
Nach 10 Jahren mit sämtlichen Nebenwirkungen: Von extremen Stimmungsschwankungen über häufige Pilze, Zysten, ständigem Magnesiummangel habe ich im Frühjahr nun die Diagnose hormonrezeptorpositiver Krebs erhalten. Und nein, meinen Lifestyle habe ich genügend hinterfragt, der kann nicht als Ursache herhalten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Liegt es wirklich an der Mirena

von Ref am 02.11.2019 um 12:01 Uhr

Hallo
Habe die Mirena seid Oktober 2015 in der ersten Zeit so 6 Monate war alles OK ausser die ständigen schmier Blutungen bis zu 20 Tage im Monat meine FAZ hat aber gesagt das könnte passieren der Körper muss sich daran gewöhnen. Mittlerweile geht es garnicht mehr ich habe so dicke pickel bekommen mit 37 Jahren ich habe extremste Blähungen Unterleib Krämpfe bin total akro das kenn ich von mir gar nicht stimmung Schwankungen aber hallo. Ich weiß nicht ob es an der Mirena liegt aber sie muss raus das ist fakt

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Liegt es wirklich an der Mirena

von Petra am 05.11.2019 um 15:43 Uhr

Natürlich können Blähungen auch andere Ursachen haben aber nein, nicht das auch noch, könnte bei mir zeitlich passen, vielleicht doch auch von der Mirena. Laß sie dir ziehen und du kannst nach ca. 3 Monaten sicher sagen, was von ihr kommt und was nicht. Eine zu lange Tragedauer (bei mir 10 Jahre) und früher erster Periode (mit 12) und einigen weiteren Faktoren ist das Brustkrebsrisiko garantiert nicht nur ein wenig sondern sehr stark erhöht, bloß wird es von zu vielen Frauen nicht darauf zurückgeführt oder nicht gemeldet. Mit der Kupferspirale oder natürlicher Verhütung bist du auf der sicheren Seite. Alles Gute und liebe Grüße

Sehr grimmiges Gefühlt Bluthochdruck

von Ioana am 04.10.2019 um 22:43 Uhr

Hallo,
Als ich Hirnhochdruck gelesen habe habe ich den Deckel auf meinen Topf gefunden! Seit ein paar Tagen immer wieder für Momente...aber heute war es schlimm! Ich habe todesangst gehabt. War beim Hausarzt weil ich keine Kontrolle mehr über mein Körper hatte! SCHWINDEL Diese Kopfschpannung!
Habe eihentlich zu neidrigen Blutdruck: es hat mit 96-69 angefangen nach 40min war es 125- 65 dann wieder 115 zu weiss nicht mehr was ... puhhh mein Hausarzt meinte sieht nicht nach etwas schlimmes aus und viell kommt es von der Grippe die ich auch habe. Noch nie war es so wie jetzt! Denke auch es kommt von der Spirale! Habe es seit einem Jahr drin! Furchbare Rückenschmerzen kurz vor der Periode! Und seit kurzem Hitzewallungen! Mit 29?? Nicht normal! Ich werde mir die Spirale raus machen lassen! Befürchte eine Hormonserkrankung oder Überschuss... davor habe ich mich nie so gefühlt!

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Korrektur e-Mail Adresse

von Cigdem adic am 28.10.2017 um 18:48 Uhr

Ich habe vor her eine e-Mail geschickt. Ich denke meine E-Mail Adresse falsch geschrieben.

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Mirena

von Adic Cigdem am 28.10.2017 um 18:40 Uhr

Hallo Leute ich bin sehr froh das ich diese Seite gefunden habe. Auch ich trage seit fünf Jahren mirena und leide seit drei Jahren unter Depression,depressive Störung , Schlafstörung,Gewichts Zunahme und das schlimmste hirnhochdruck wobei die Ärzte nicht sagen können woher das kommen kann. Können sie mir sagen wie hoch ist die wahrscheinlich das es von mirena kommen kann?

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AW: Mirena

von Sandra am 11.06.2019 um 14:28 Uhr

Auch bei mir war 3 Jahre alles gut. Danach fast 10 Kilo zugenommen (aber auch mit dem Rauchen aufgehört), zum Teil depressives Verhalten, welches vorher noch nie da war. Schlafstörungen und damit verbundene ständige Müdigkeit sind seit 16 Monaten ständige Begleiter.
Ich werde mir keine weitere Hormonspirale mehr einsetzen lassen und hoffe, dass ich dann wieder etwas Gewicht verliere und auch die anderen Symptome(?) besser werden.

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