Umfangreiche Metaanalyse

Neue Erkenntnisse zum Herzinfarktrisiko unter NSAR

Remagen - 10.05.2017, 11:30 Uhr

NSAR beeinflussen das Herzinfarkt-Risiko. Doch welche Faktoren sind ausschlaggebend? (Foto: nikavera / Fotolia)

NSAR beeinflussen das Herzinfarkt-Risiko. Doch welche Faktoren sind ausschlaggebend? (Foto: nikavera / Fotolia)


Menschen, die häufig nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen bekommen, haben offenbar ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, und zwar bereits in der ersten Woche der Anwendung. Dies zeigt eine neue Metaanalyse umfangreicher individueller Patientendaten. Um diesen Befund ins rechte Licht zu rücken: als Folge dieses Anstiegs liegt das Risiko im Durchschnitt bei etwa einem Prozent pro Jahr.

Frühere Studien, wie die PRECISION-Studie, haben bereits nahe gelegt, dass sowohl traditionelle als auch COX-2-selektive nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) das Risiko für einen akuten Myokardinfarkt erhöhen können. Über die Determinanten und das Timing dieses Risikos, die Wirkung der Dosis, die Behandlungsdauer und die Risiko-Verteilung für verschiedene NSAID ist bis dato jedoch kaum etwas bekannt. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Michèle Bally, Epidemiologin an der Abteilung für Pharmazie des Forschungszentrums des Universitätskrankenhauses Montreal (CRCHUM) wollte das Risiko unter realen Lebensbedingungen genauer ergründen.

Für ihre Untersuchung machten die Forscher zunächst einen systematischen Review relevanter Studien aus verschiedenen medizinischen Datenbanken aus Kanada, Finnland und Großbritannien und unternahmen auf dieser Basis eine Meta-Analyse von patientenindividuellen Daten. Dabei galt ihr Interesse den drei wichtigsten herkömmlichen NSAR Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen sowie den selektiven COX-2-Hemmern Celecoxib und Rofecoxib. Gemeinsam analysierten sie Ergebnisse einer Kohorte von 446.763 Personen, von denen 61.460 einen Herzinfarkt erlitten hatten. Sie betrachteten verschiedene Szenarien, je nachdem, wie die Patienten die Medikamente routinemäßig verwendeten, das heißt zum Beispiel wie lange und in welcher Dosis bzw. wann der Herzinfarkt auftrat.

Infarktrisiko bei allen Wirkstoffen ab der ersten Woche erhöht

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Risiko für einen Herzinfarkt durch die Verwendung von NSAID gegenüber der Nicht-Verwendung im Jahr zuvor um etwa 20 bis 50 Prozent anstieg. Um diesen Befund ins rechte Licht zu rücken, stellen sie jedoch fest, dass das Risiko als Folge dieses Anstiegs im Durchschnitt bei etwa einem Prozent pro Jahr liegt.

Ihre Analyse ergab außerdem, dass jede Einnahme von NSAID für eine Woche, einen Monat oder länger mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko verbunden war. Bei einer Verwendung über einen bis sieben Tage lag die Wahrscheinlichkeit für ein erhöhtes Infarktrisiko für Celecoxib bei 92 Prozent, für Ibuprofen bei 97 Prozent und für Diclofenac, Naproxen und Rofecoxib bei 99 Prozent. Naproxen schneidet in dieser Analyse sicherheitsmäßig nicht besser ab.

Weitergehende Auswertungen der Autoren legen nahe, dass das Risiko eines Herzinfarkts im ersten Monat des Einsatzes und bei höheren Dosen größer  ist. Mit längerer Behandlungsdauer scheint es nicht weiter anzusteigen, aber die Forscher raten diesbezüglich zur Vorsicht. Wiederholten Herzinfarkte seien jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen, geben sie zu Bedenken, deshalb bleibe es dabei, NSAR für so kurze Zeit zu verwenden wie möglich.

Befunde aus der Praxis

Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es sich bei ihrer Untersuchung um eine Beobachtungsstudie handelt, basierend auf der Verschreibung oder Abgabe der Arzneimittel. Deshalb hätten nicht alle potenziellen Einflussfaktoren berücksichtigt werden können. Schlussfolgerungen über Ursache und Wirkung halten sie deswegen nicht unbedingt für möglich. Dennoch, so betonen sie, handele es sich um die größte Untersuchung dieser Art bisher und die Ergebnisse basierten auf Daten aus der realen Praxis. Einen so differenzierten Blick auf die Risikolage habe es überdies bislang nicht gegeben, meinen sie, und leiten aus ihren Ergebnissen den Rat ab: „Angesichts der Tatsache, dass das Risiko eines akuten Myokardinfarkts sich schon in der ersten Woche einstellt und im ersten Monat der Behandlung mit höheren Dosen am größten zu sein scheint, sollten die Verordner vor Einleitung der Behandlung Nutzen und Risiken sorgfältig gegeneinander abwägen, insbesondere bei höheren Dosen."



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.