Arzneimittel und Therapie

Analgetika/Antiphlogistika: Haben COX-2-Hemmer kardiovaskuläre Nebenwirkungen

Nichtsteroidale Antirheumatika haben analgetische, antientzündliche und antithrombotische Wirkungen, aber auch eine schädigende Wirkung auf den Magen. Selektive Hemmstoffe der Cylooxygenase 2 (COX-2) wurden mit dem Ziel besser verträglicher Analgetika und Antiphlogistika entwickelt. Dieses Ziel haben sie im Hinblick auf die Magenverträglichkeit wohl erreicht. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die beiden COX-2-Hemmer auf dem Markt - Rofecoxib (Vioxx®) und Celecoxib (Celebrex®) - das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse erhöhen könnten.

Selektive COX-2-Hemmer haben im Gegensatz zu konventionellen nichtsteroidalen Antirheumatika keine plättchenhemmende Wirkung. Sie verringern die Synthese von gefäßerweiterndem und antiaggregatorischem Prostacyclin (PGI2) in den Gefäßen, ohne die COX-1-vermittelte Synthese des prothrombotischen Thromboxan A2 zu beeinflussen. Da COX-2-Hemmer so das Gleichgewicht in Richtung prothrombotischer Eicosanoide verschieben könnten, erhöhen sie möglicherweise das Risiko kardiovaskulärer thrombotischer Ereignisse. Andererseits könnten COX-2-Hemmer aufgrund ihrer antientzündlichen Wirkung den Atheroskleroseprozess auch günstig beeinflussen.

Umfassende Literaturrecherchen

In einer Literaturrecherche wurde deshalb untersucht, ob COX-2-Hemmer das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse erhöhen oder senken. Dabei ging es um ihren Einsatz zur Behandlung von Gelenkentzündungen oder Muskelschmerzen bei Patienten ohne koronare Herzkrankheit. In Medline und im World Wide Web wurden englischsprachige Veröffentlichungen von randomisierten Doppelblindstudien mit COX-2-Hemmern im Zeitraum von 1998 bis Februar 2001 gesucht. Die Analyse erfasste nur Studien, in denen auch über kardiovaskuläre Nebenwirkungen der COX-2-Hemmer berichtet wurde. Zusätzlich wurden Studienergebnisse berücksichtigt, die die Hersteller der FDA mitgeteilt hatten.

Je eine große multizentrische Studie zu Rofecoxib und Celecoxib sowie zwei kleine Studien zu Rofecoxib erfüllten die Kriterien.

In der VIGOR-Studie (= Vioxx Gastrointestinal Outcomes Research Study mit 8076 Patienten) wurde eine Langzeitgabe von täglich 50 mg Rofecoxib mit 1000 mg Naproxen an Patienten mit chronischer Polyarthritis verglichen. Acetylsalicylsäure durfte nicht zusätzlich eingenommen werden.

In der CLASS-Studie (= Celecoxib Arthritis Safety Study mit 8059 Patienten) wurden 400 mg Celecoxib zweimal täglich mit 800 mg Ibuprofen dreimal täglich bzw. 75 mg Diclofenac zweimal täglich an Patienten mit Osteoarthritis oder chronischer Polyarthritis verglichen. Acetylsalicylsäure durfte in Tagesdosen unter 325 mg eingenommen werden.

Die Studie 085 und die Studie 090 verglichen an jeweils rund 1000 Patienten mit Osteoarthritis des Kniegelenks eine niedrige Dosis Rofecoxib (12,5 mg täglich) mit Nabumeton (1000 mg täglich) und Plazebo. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure zum Herzschutz war in beiden Studien erlaubt.

Kardiovaskuläre Nebenwirkungen beschrieben

In der VIGOR-Studie erlitten 45 Patienten mit Rofecoxib und 20 Patienten mit Naproxen nachgewiesene schwere thrombotische kardiovaskuläre Nebenwirkungen. Hierzu zählten Herzinfarkt, instabile Angina pectoris, kardialer Thrombus, Herzstillstand mit Reanimation, plötzlicher oder unerklärter Tod, ischämischer Schlaganfall und transiente ischämische Attacken. Das relative Risiko für ein solches kardiovaskuläres Ereignis betrug mit Rofecoxib im Vergleich zu Naproxen 2,38. Rofecoxib erhöhte auch den Blutdruck stärker als Naproxen: um 4,6/1,7 mm Hg gegenüber 1,0/0,1 mm Hg.

Die CLASS-Studie zeigte keinen Unterschied in der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, Tod) zwischen der Celecoxib-Gruppe und der Ibuprofen- bzw. Diclofenac-Gruppe. Auch in Studie 085 und 090 wurden keine signifikanten Unterschiede aufgedeckt. Allerdings war hier die Rate kardiovaskulärer Ereignisse klein:

  • ein Ereignis (0,2%) im Rofecoxib-Arm und zwei Ereignisse (0,4%) im Nabumeton-Arm der Studie 085 sowie
  • sechs Ereignisse (1,5%) im Rofecoxib-Arm, zwei Ereignisse (0,5%) im Nabumeton-Arm und ein Ereignis (0,5%) im Plazebo-Arm der Studie 090.

Über ein Nebenwirkungs-Meldesystem in den USA wurden bis 12. Oktober 2000 weitere thrombotische oder embolische Ereignisse gemeldet, die in 99 Fällen mit Rofecoxib und in 102 Fällen mit Celecoxib zusammenhingen.

Die jährliche Herzinfarktrate bei Einnahme eines COX-2-Hemmers in der VIGOR- und der CLASS-Studie wurde mit der Plazebogruppe einer neueren Metaanalyse aus vier Primärpräventionsstudien (US Physicians' Health Study, UK Doctors Study, Thrombosis Prevention Trial, Hypertension Optimal Treatment Trial) verglichen. In der Plazebogruppe mit 23 407 Teilnehmern betrug die jährliche Herzinfarktrate im Mittel 0,52%. Bei Patienten der VIGOR-Studie mit Rofecoxib betrug sie 0,74% und bei Patienten der CLASS-Studie mit Celecoxib 0,80%, war also signifikant höher.

Kritische Beurteilung der Ergebnisse erforderlich

Folgende Aspekte der Analyse müssen kritisch beurteilt werden:

  • Ein Vergleich zwischen den Patientenpopulationen verschiedener Studien ist problematisch. Die Patientenpopulationen sind unterschiedlich. Patienten mit chronischer Polyarthritis haben ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. Dies kann zu der höheren jährlichen Herzinfarktrate in VIGOR und CLASS beigetragen haben.
  • Die Analyse der COX-2-Hemmer-Studien auf kardiovaskuläre Ereignisse fand nachträglich statt und ist deshalb mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet.
  • In allen Studien wurden COX-2-Hemmer kontinuierlich und nicht, wie in der Praxis üblicher, sporadisch-intermittierend eingenommen.

Zumindest weist die Analyse auf einen möglichen Anstieg kardiovaskulärer Erkrankungen unter den COX-2-Hemmern Rofecoxib und Celecoxib hin. Während Acetylsalicylsäure und Naproxen eine kardioprotektive Wirkung, aber auch eine hohe gastrointestinale Toxizität haben, weisen selektive COX-2-Hemmer am anderen Ende des Spektrums eine niedrige gastrointestinale Toxizität, aber ein prothrombotisches Potenzial auf. Eine Blutdruckerhöhung unter COX-2-Hemmern, wie sie in der VIGOR-Studie gezeigt wurde, dürfte das kardiovaskuläre Risiko ebenfalls erhöhen.

Unklar ist zurzeit noch, ob die gleichzeitige Gabe von Acetylsalicylsäure ein mögliches kardiovaskuläres Risiko der COX-2-Hemmer ausgleicht und ob sie die gastrointestinalen Vorteile der COX-2-Hemmer zunichte macht. Das kardiovaskuläre Risiko von Rofecoxib und Celecoxib muss jetzt in einer prospektiven, randomisierten Studie überprüft werden. Die Autoren mahnen bei der Verordnung dieser Substanzen an Patienten mit kardiovaskulärem Risiko zur Vorsicht.

Literatur Mukherjee, D., et al.: Risk of cardiovascular events associated with selective COX-2 inhibitors. J. Am. Med. Assoc. 286, 954 - 959 (2001).

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