Schweiz

Apotheker sollen Kiffern Cannabis verkaufen

Berlin - 27.04.2017, 09:15 Uhr

Joints aus der Apotheke: In einem Schweizer Testprojekt sollen Kiffer aus der Apotheke Cannabis erhalten. (Foto: wollertz / fotolia)

Joints aus der Apotheke: In einem Schweizer Testprojekt sollen Kiffer aus der Apotheke Cannabis erhalten. (Foto: wollertz / fotolia)


In deutsche Apotheken hält derzeit der Medizinal-Cannabis Einzug, in den Apotheken im schweizerischen Kanton Bern sind es die Kiffer. Sie sollen die Rauschdroge dort legal bekommen können, aber nur für ein wissenschaftliches Experiment.

Obwohl die Schweiz in Sachen Drogenpolitik zu den eher fortschrittlichen Ländern in Europa gehört, ist das Kiffen auch dort immer noch illegal. Es gibt Befürworter einer kompletten Legalisierung, aber auch Widerstände. Nun berichtet das Thuner Tagblatt, dass hierzu „eines der kuriosesten wissenschaftlichen Experimente der Schweiz“ kurz vor dem Start stehe. Forscher des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) und des klinischen Studienzentrums (CTU) der Universität Bern sollen drei Jahre lang über die Apotheken Cannabis an notorische Kiffer verkaufen dürfen und dabei untersuchen, wie sich ein regulierter Verkauf auswirken würde. Zwar habe die bernische Ethikkommission das „kontrollierte Experiment“ erst nach langem Hin und Her bewilligt, aber nun stelle der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hierfür sogar 720.000 Franken zur Verfügung.

Forscher hoffen auf 500 Probanden

Bei der Studie mitmachen dürfen laut Thuner Tagblatt nur Personen ab 18 Jahren, die keine psychoaktiven Medikamente einnehmen und nicht in psychiatrischer Behandlung sind. Sie müssen mit einer Haarprobe belegen, dass sie regelmäßig kiffen. Zudem müssen alle eine Art Schulung durchlaufen. Das Experiment wird von Ärzten begleitet. Um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, hoffen die Wissenschaftler auf rund 500 Teilnehmer. Die Kiffer sollen in ausgewählten Berner Apotheken Cannabis mit einem THC-Gehalt von voraussichtlich zwölf Prozent beziehen dürfen. Pro Mal sind acht Gramm erlaubt, was je nach Präferenzen für 20 bis 30 Joints reicht. Maximal dürfen pro Kunde und Monat 24 Gramm bezogen werden. Dafür zahlt der Kiffer 10 bis 20 Franken pro Gramm. Die zwölf Prozent entsprechen dem durchschnittlichen THC-Gehalt des in der Schweiz konsumierten Cannabis und 10 bis 20 Franken pro Gramm dem Schwarzmarkt-Preis.

Einfluss auf die Kiffer und den Schwarzmarkt?

Mit dem Versuch wollen die Berner Wissenschaftler herausfinden, ob die Legalisierung einen Einfluss auf die Kiffer hat, etwa ob sie dann mehr oder weniger Cannabis rauchen oder ob sie häufiger straffällig werden, weil sie beispielsweise bekifft Auto fahren. Außerdem sollen die Auswirkungen auf den Cannabis-Schwarzmarkt untersuchen, etwa ob sich bei einer kontrollierten Abgabe die Preise ändern.

Cannabis in der Schweiz am häufigsten konsumierte illegale Substanz

In der Schweiz sind der Konsum und Anbau sowie der Handel mit Cannabis verboten. Wer weniger als zehn Gramm mit sich führt, wird aber nur mit einer Ordnungsstrafe belegt. Laut Suchtmonitoring Schweiz ist Cannabis dort die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Fast jede dritte Person ab 15 Jahren hat bereits Erfahrungen mit der Droge gemacht. Kiffen sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, heißt es im Thuner Tagblatt.

Untersuchungen zur Legalisierung

Im Jahr 2008 verabschiedete das Schweizer Parlament ein Gesetz, das zum einen medizinische Ausnahmen vom Betäubungsmittelgesetz und zum anderen Ausnahmen zu wissenschaftlichen Forschungszwecken möglich machte. Genau hier hakt die Berner Untersuchung ein. „Wir haben mit der Studie die Chance, den politischen Entscheid einer regulierten Cannabis-Abgabe in der Schweiz zu simulieren. Das ist einzigartig“, sagt Stefanie Hossmann vom ISPM. Die Wissenschaftler gehen übrigens davon aus, dass das Experiment keine nennenswerten Effekte auf die Kiffer und auf die Gesellschaft haben wird. „Unsere Hypothese lautet: Es ändert sich nichts", sagt CTU-Co-Direktor Sven Trelle, der die Studie gemeinsam mit Stefanie Hossman und Matthias Egger vom ISPM leitet, was ein starkes Argument für eine Legalisierung wäre.

Auch andere Schweizer Städte, darunter Zürich, Genf und Basel nutzen die Option des Betäubungsmittelgesetzes und wollen Projekte für eine regulierte Abgabe von Cannabis auf den Weg bringen. Noch fehlt der Entscheid des Bundesamts für Gesundheit zur Durchführung der Studie. Die Behörde dürfte aber hinter dem Projekt stehen, meint das Thuner Tagblatt, denn Gesundheitsminister Alain Berset begrüsse es, „wenn neue Modelle und Wege ausprobiert werden“.

Erster Coffeeshop nach Amsterdamer Vorbild

Seit Mitte August 2016 ist überdies der Verkauf von Hanf als Rauchware in der Schweiz zugelassen, vorausgesetzt, der Gehalt der psychoaktiven Substanz THC liegt unter einem Prozent. „Das Gras soll damit nicht berauschend wirken.“ sagt Dario Tobler, Geschäftsführer der Bio Can AG, Schweizer Marktführer im Handel mit legalem Hanf. Wie die Aargauer Zeitung berichtet, hat Tobler kürzlich den ersten Schweizer Coffeeshop nach Amsterdamer Vorbild in Dübendorf unweit von Zürich mitlanciert. Dort rauchen die Konsumenten die THC-armen Cannabis-Produkte, die seit letztem Sommer legal verkauft werden dürfen. Wenn es nach Tobler geht, soll der Coffeeshop den Boden für die vollständige Legalisierung von Cannabis ebnen. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Notorische Kiffer

von Albrecht Bodegger am 28.04.2017 um 1:27 Uhr

Frau Blasius, wieso wählen Sie für Marihuana-Konsumenten die abwertende Bezeichnung 'notorische Kiffer'? Die Übergänge zum Patienten sind meiner Erfahrung im persönlichen Bekanntenkreis nach fließend. Einige behandeln sich selbst bei unterschiedlichsten Beschwerden und Wehwehchen seit Jahren mit dieser alt-bewährten Heilpflanze und wurden bis vor kurzem in die Ilegalität gezwungen. Muss da wirklich immer ein Arzt konsultiert werden, frage ich mich?

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