Beratungs-Quickie

Immunsuppression nach Nierentransplantation

München - 23.02.2017, 15:30 Uhr

Nach erfolgter Nierentransplantation müssen Patienten lebenslänglich Immunsuppressiva einnehmen. (Foto: 3drenderings / Fotolia)

Nach erfolgter Nierentransplantation müssen Patienten lebenslänglich Immunsuppressiva einnehmen. (Foto: 3drenderings / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Diesmal geht es um eine Verordnung für einen Mann mittleren Alters, der ein Immunsuppressivum zur Prophylaxe einer Transplantatabstoßung erhält.

  Formalien-Check

Verordnet sind zwei Packungen mit 100 Kapseln Prograf® in der Wirkstärke 1 mg, 100 Tabletten Allopurinol 100 1A Pharma® sowie 100 Filmtabletten Ramipril Basics® 5 mg. Alle drei Medikamente sind unter Angabe der PZN verordnet. Das Rezept ist vollständig und eindeutig. 

Für Position eins hat der Arzt den Aut-idem-Austausch ausgeschlossen. Eine Substitution wäre auch ohne „Kreuz“ nicht erlaubt, da Tacrolimus ein Wirkstoff der Substitutionsausschlussliste ist. Eventuell bestehende Rabattverträge über Importe müssen allerdings beachtet werden. Das Original kann in solchen Fällen aber, wenn gewünscht, unter Angabe pharmazeutischer Bedenken abgegeben werden. Das regelt der Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen (vdek) in § 4 Absatz 12. Nach Rahmenvertrag § 6 Absatz 3 („Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen“) muss die Belieferung der doppelten Menge von Nmax vom Arzt eindeutig gewünscht sein: Entweder durch Kennzeichnung mit einem Ausrufezeichen oder der Ergänzung „Menge ärztlich begründet“ und einer zusätzlichen Unterschrift des Arztes mit Datum. Seit dem 1.Juni 2016 (Neuregelung des § 3 Rahmenvertrag nach § 129 SGB V) darf die Krankenkasse jedoch nicht mehr retaxieren, wenn der besondere Vermerk des Arztes fehlt. Abzugeben sind zwei N3-Packungen Prograf® 1 mg Kapseln.

Für die beiden anderen Positionen ist der Aut-idem-Austausch erlaubt. Es ist jeweils die N3-Packung eines Rabattartikels abzugeben. (Ramipril 5 mg der Firma Basics® ist zum Zeitpunkt der Rezeptausstellung außer Vertrieb. AV-Artikel dürfen prinzipiell solange zulasten der GKV abgegeben werden, bis der Bestand im Markt abverkauft ist.)

Der Kunde ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig. 

Beratungs-Basics

Der Calcineurininhibitor Tacrolimus wird zur Prophylaxe und Behandlung einer Transplantatabstoßung eingesetzt, im vorliegenden Fall nach Nierentransplantation. Die individuelle Dosierung erfolgt nach Beurteilung von Verträglichkeit und Blutspiegelbestimmung. Die Tagesdosis ist bei der nicht-retardierten Darreichungsform in zwei Gaben zu verabreichen, zum Beispiel morgens und abends (alle zwölf Stunden). Die Einnahme der Kapseln muss nüchtern erfolgen, das heißt eine Stunde vor oder zwei bis drei Stunden nach einer Mahlzeit. Nach der Entnahme aus der Blisterpackung sind die Kapseln sofort mit etwas Flüssigkeit zu schlucken.

Viele Nebenwirkungen sind dosisabhängig. Neben Tremor, Kopfschmerzen und Übelkeit, kommt es außerdem häufig zu Schlaflosigkeit, Hyperglycämien, Veränderung des Elektrolythaushalts (insbesondere Kalium), Hypertonie und Nierenfunktionsstörungen. Eine Einschränkung der Konzentration ist möglich, deshalb ist Vorsicht im Straßenverkehr geboten.

Allopurinol senkt durch Enzymhemmung der Harnsäureproduktion den Harnsäurespiegel. Die Dosierung beträgt in der Regel einmal täglich 100 - 300 mg Allopurinol zu einer Mahlzeit. Die Tablette ist unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen. In der Einstellungsphase sind durch Auflösung von Harnsäureablagerungen Gichtanfälle möglich. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Übelkeit, Erbrechen und Hautreaktionen. Da sich daraus eine schwere bis lebensgefährliche Überempfindlichkeitsreaktion entwickeln kann, muss beim Auftreten von Hautreaktionen und Juckreiz der Arzt aufgesucht und das Arzneimittel sofort abgesetzt werden.

Der ACE-Hemmer Ramipril wird unter anderem zur Blutdrucksenkung bei Hypertonie und zur kardiovaskulären Prävention eingesetzt. Der Wirkstoff verringert den peripheren Gefäßwiderstand und die kardiale Vor- und Nachlast. Die Behandlung mit Ramipril wird einschleichend begonnen. Die Höchstdosis beträgt 10 mg täglich. Ramipril wird üblicherweise als Einzeldosis einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen. 

Ramipril hat Einfluss auf den Kaliumspiegel. Daher besteht unter gleichzeitiger Behandlung mit Tacrolimus und Ramipril ein erhöhtes Risiko einer Hyperkaliämie (additiver Effekt). Ramipril kann außerdem die Reaktionsfähigkeit durch Symptome eines niedrigen Blutdrucks, wie Schwindel, einschränken – insbesondere zu Beginn der Behandlung und bei Dosisanpassung. Häufig treten auch Magen-Darmstörungen, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen auf. Eine weitere häufige Nebenwirkung der Behandlung mit ACE-Hemmern ist ein trockener Reizhusten, der auch erst nach längerer Einnahme auftreten kann.

Bei gleichzeitiger Einnahme von Allopurinol und Ramipril besteht ein erhöhtes Risiko einer immunologischen Reaktion. Nach bisherigem Kenntnisstand ist sie nur sehr selten und tritt innerhalb einiger Wochen nach dem Beginn der gemeinsamen Einnahme auf. Bei Erstverordnung dieser Arzneimittel-Kombination sollte der Apotheker den behandelnden Arzt auf die potenzielle Interaktion aufmerksam machen. 

  Auch noch wichtig

Organtransplantierte haben ein erhöhtes Risiko für maligne Hautveränderungen. Der Kunde muss sich durch geeignete Kleidung und Sonnenschutzmitteln vor Sonnenlicht schützen.

Immunsupprimierte müssen aufgrund der erhöhten Infektanfälligkeit Situationen mit erhöhter Ansteckungsgefahr meiden und im Alltag besondere Hygienemaßnahmen einhalten.

Treten bei dem Kunden Hautreaktionen oder Infektionen auf, kann das ein Hinweis auf eine Neutropenie sein. Eine ärztliche Blutbildkontrolle ist unerlässlich.

Durchfall kann zu erheblichen Schwankungen des Tacrolimus-Blutspiegels führen. Der Blutspiegel muss in diesem Fall ärztlich kontrolliert werden.

Bei der Behandlung mit anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Verordnung sind mögliche Wechselwirkungen zu beachten.

Tacrolimus ist ein Substrat von CYP3A4. Es sind vielfältige Arzneimittelwechselwirkungen möglich. Es empfiehlt sich das Anlegen einer Patientendatei für ein optimales Medikationsmanagement. CYP3A4-Inhibitoren können zu einer erhöhten Bioverfügbarkeit von Tacrolimus und dadurch zu einer Verstärkung der Nebenwirkungen führen. Induktoren, wie beispielsweise Johanniskrautextrakte, können im schlimmsten Fall eine Transplantatabstossung bewirken. Auch andere Pflanzenheilmittel sind während einer Behandlung mit Tacrolimus zu vermeiden.

Grapefruitsaft gilt es zu meiden. Die enthaltenen Flavonoide wirken als CYP3A4-Hemmstoffe.

Hat der Kunde chronischen Husten, ist vor der Abgabe von Hustenmitteln an die Nebenwirkung des ACE-Hemmers zu denken. Eine Rücksprache und Therapieänderung durch den Arzt ist erforderlich.

Kaliumpräparate sind wegen der Gefahr einer Hyperkaliämie unter Tacrolimus und ACE-Hemmern in der Selbstmedikation kontraindiziert.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Eine Kunden-Broschüre zur gesunden Lebensführung nach der Transplantation finden Sie hier:
  • Unter der immunsuppressiven Therapie sind diverse ärztliche (Blutbild-)Kontrollen notwendig. Regelmäßige Kontrollen des Blutdrucks und des Blutzuckerspiegels kann der Kunde in der Apotheke oder mit eigenen Messgeräten vornehmen.
  • Alkohol ist nicht empfehlenswert. Alkohol verstärkt die zentralen Nebenwirkungen von Tacrolimus, kann zu Blutdruckanstieg und einer Erhöhung des Harnsäurespiegels führen.
  • Zur Normalisierung des Harnsäurespiegels sind Innereien, Hülsenfrüchte, geräucherter Fisch und gebratenes Fleisch möglichst zu meiden. Als Richtwert gilt: Maximal 150 g (gekochtes) Fleisch pro Tag. 


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.