Fehlende Wirksamkeits-Belege

Ethiker fordern strengere Kontrollen bei Phase-I-Studien

Stuttgart - 31.01.2017, 09:15 Uhr

Der Test neuer Arzneimittel kann mit erheblichen Gefahren für die Probanden einhergehen. (Foto: Birgit Korber / Fotolia)

Der Test neuer Arzneimittel kann mit erheblichen Gefahren für die Probanden einhergehen. (Foto: Birgit Korber / Fotolia)


Arzneimittelagenturen seien nicht kritisch genug

Doch auch die Arzneimittelbehörden kommen ihren Aufgaben bislang nicht ausreichend nach, argumentieren sie. So habe der Vizedirektor des an der US-amerikanischen FDA angesiedelten „Center for Drug Evaluation & Research“, Robert Temple, im September erklärt, dass die Behörden die Argumentation für eine mögliche Wirksamkeit von Arzneimitteln weitgehend den Sponsoren von Studien überlassen. Er könne sich an „keinen Fall“ erinnern, wo die FDA eine Phase-I-Studie verhindert habe, weil sie von den Daten nicht überzeugt war, zitieren sie ihn. Die europäische Arzneimittelagentur EMA sei „bei der Evaluierung der klinischen Aussichten ähnlich schweigsam“ – auch bei der Änderung einer Richtlinie, die als Reaktion auf den Skandal in Rennes die Standards verbessern sollte.

Doch die Autoren des „Nature“-Artikels fürchten, dass die Lage noch schwieriger wird: Der Finanzinvestor Jim O’Neill, den US-Präsidenten Donald Trump als zukünftigen FDA-Chef favorisiert, hatte vorgeschlagen, die Wirksamkeit von Arzneimitteln zukünftig nicht mehr vor der Zulassung zu testen. Dabei seien Studien zu nicht-wirksamen Arzneimitteln nicht nur in den relativ wenigen Fällen gefährlich, wo Probanden umkommen.

Tests an „Blindgänger“-Therapien schaden

„Patienten, gesunde Probanden und Experten, die an Tests von ‚Blindgänger‘-Therapien teilnehmen, stehen aussichtsreicheren nicht zur Verfügung“, kritisieren Kimmelmann und Federico. Darüber hinaus seien aussichtslose Studien ethisch ohnehin nicht vertretbar – doch sähen Ethikkommissionen ein positives Votum der Arzneimittelbehörde oft als Signal eines möglichen klinischen Nutzens an, schreiben die Autoren.

Um für Verbesserung zu sorgen, fordern sie für die Zukunft mehr Transparenz bei der Publikation von Tierstudien – bislang fallen negative Ergebnisse oft unter den Tisch. Auch müssten die Gremien, die erste Studien am Menschen zulassen, optimal qualifiziert sein. Um dies – auch mit den nötigen Ressourcen – zu gewährleisten, fordern Kimmelman und Federico die Einführung zentralisierter Beratungsgremien, die dafür sorgen, dass die nötigen Standards aufrechterhalten werden. Diese könnten bei den Arzneimittelbehörden FDA sowie der EMA angesiedelt sein, schlagen sie vor.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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