Transparenz-Initiative

FDA-Chef will präklinische Studien offenlegen

Stuttgart - 13.06.2016, 11:45 Uhr

Wenn es nach dem FDA-Chef geht, sollen Daten von Tierversuchen öffentlich werden. (Foto: helga lei / Fotolia)

Wenn es nach dem FDA-Chef geht, sollen Daten von Tierversuchen öffentlich werden. (Foto: helga lei / Fotolia)


Am Menschen durchgeführte klinische Studien müssen großteils registriert und veröffentlicht werden. Der neue Kommissar der amerikanischen Arzneimittelbehörde, Robert Califf, will einen Schritt weitergehen: Er spricht sich dafür aus, auch bei Tierversuchen und Experimenten an Zellkulturen für Transparenz zu sorgen.

Nach lange anhaltender Kritik müssen Pharmafirmen und akademische Wissenschaftler inzwischen einen Großteil aller klinischen Studien in Datenbanken registrieren und Ergebnisse veröffentlichen, wie beispielsweise im US-amerikanischen Portal ClinicalTrials.gov. In Europa soll dies auch für Phase-I-Studien gelten, wenn die 2014 verabschiedete EU-Verordnung für klinische Studien Anwendung findet. Der neue Kommissar der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA, Robert Califf, denkt nun bereits einen Schritt weiter: Ende letzter Woche schlug er vor, auch frühe Studien aus dem Entwicklungsprozess zu erfassen – „etwas wie ClinicalTrials.gov für präklinische Arbeiten“, sagte er.

Diese Datenbank soll eigentlich alle klinischen Studien an Menschen umfassen. Dennoch veröffentlichen Wissenschaftler die Ergebnisse oft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeiträume. Die US-Behörden könnten Sanktionen verhängen, wenn Firmen oder Forscher ihren Pflichten nicht nachkommen – doch nutzen sie ihre Möglichkeiten kaum.

Geschäftsgeheimnis oder Papierkorb

Nach Ansicht von Califf sollen Daten sowohl von Tierversuchen als auch Experimenten an Zellkulturen veröffentlicht werden, wie er laut dem US-Branchendienst STAT sagte. „Aus Sicht der FDA ist eines der Probleme, dass Geschäftsgeheimnisse bei der FDA gesetzlich geschützt sind“, sagte Califf bei einer Veranstaltung der National Library of Medicine. „Ich bin schon lange der Überzeugung, dass es einer der wichtigsten möglichen Schritte wäre, all die Daten aus dem Arzneimittel-Entwicklungsprozess zu veröffentlichen, die niemals von irgendjemand gesehen werden“, sagte er.

Ursache sei, dass es bisher keine überzeugenden Gründe gäbe, die Ergebnisse zu veröffentlichen. „Wenn sie erfolgreich sind, werden sie zu Betriebsgeheimnissen“, erklärte Califf. „Wenn es keinen Erfolg gibt, werden sie fallengelassen und es kümmert niemand, ob sie veröffentlicht werden“, sagte der FDA-Chef laut STAT. „In Bezug auf die Reproduzierbarkeit und gewissermaßen auch das Funktionieren der Wissenschaft wäre es wirklich gut“, sagte er.

Mehr Vertrauen für präklinische Experimente

Califf erhofft sich von der Datenbank für präklinische Studien, dass unabhängige Forscher große Arzneimittelstudien besser nachvollziehen können – und somit auch deren Ergebnisse vertrauenswürdiger werden. Durch eine Registrierungspflicht aller Studien wird bekannt, welche Fragestellungen untersucht werden. Ein Vergleich mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen kann dann zeigen, welcher Anteil im Papierkorb verschwindet – beispielsweise, weil die Ergebnisse nicht den Zielen entsprachen.

Doch schon die veröffentlichten Experimente sind oft nicht nachvollziehbar: So hatte der langjährige Forschungsleiter für Onkologika bei Amgen, C. Glenn Begley, berichtet, dass von 53 großen und in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlichten präklinischen Krebs-Studien nur sechs reproduzierbar waren.

Höhere Standards auch für Tierversuche

Durch die Registrierung und Veröffentlichung der Studien will Califf nun erreichen, dass der Stand der Wissenschaft bei präklinischen Experimenten besser erfasst werden kann. „Wenn man die Reproduzierbarkeit wirklich verstehen möchte, erscheint es wichtig zu sein, alle fehlgeschlagenen Studien zu kennen“, sagte er. „Genauso wie jene, die zu einem Erfolg geführt haben.“

Gerd Antes vom Deutschen Cochrane-Zentrum in Freiburg begrüßt die Initiative von Califf. „Über Jahrezehnte sind die Standards, die bei Humanstudien durchgesetzt wurden und immer noch werden, nicht auch für Tierstudien gefordert worden“, sagt er. So veröffentlichte der Neurologe Ulrich Dirnagl von der Charité kürzlich eine Übersichtsarbeit, welche Verzerrungen durch Probleme in Tierstudien für die Krebs- und Schlaganfallforschung entstehen. „Die Grundsätze für die Qualität von Humanstudien müssen konsequenter auf Tierstudien angewandt werden“, sagt Antes.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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