Europa, Deine Apotheken – Italien

Die schleichende Deregulierung

Berlin - 27.12.2016, 10:30 Uhr

Der durchschnittliche Umsatz einer italienischen Apotheke beträgt etwa 1,19 Millionen Euro. (Foto: dpa)

Der durchschnittliche Umsatz einer italienischen Apotheke beträgt etwa 1,19 Millionen Euro. (Foto: dpa)


Monti und die Technokraten deregulieren

Der Abgang Silvio Berlusconis als Ministerpräsident im Herbst 2011 hinterließ in Italien ein politisches Chaos: Im Parlament gab es keine Mehrheit, die einen Nachfolger hätten wählen können. Staatspräsident Giorgio Napolitano beauftragte daher den Wirtschaftsprofessor Mario Monti mit der Bildung einer Zwischenregierung. Monti etablierte kurzerhand ein Kabinett aus politisch nicht erfahrenen Fachleuten. Das sogenannte Technokraten-Kabinett sollte mit dem Gesetz „Wachse, Italien!“ für eine der umfangreichsten Deregulierungen der italienischen Geschichte sorgen.

Auch der Apothekenmarkt war betroffen. Ursprünglich wollte Monti das Fremd- und Mehrbesitzverbot komplett kippen, scheiterte damit jedoch im Parlament. Auch seinen Wunsch, die „Fascia C“-Präparate für den Verkauf in OTC-Shops freizugeben, musste er begraben. Durchsetzen konnte er allerdings eine weitreichende Aufweichung der Bedarfsplanung. In hoch frequentierten Bereichen (Flughäfen, Einkaufszentren, Bahnhöfe, Häfen, etc.) wurde die Bedarfsplanung sogar ganz aufgehoben, um die Gründung neuer Apotheken zu provozieren. Jegliche Boni-Verbote im Rx-Bereich hob Monti zudem auf und liberalisierte auch die Öffnungszeiten der Apotheken. Seit 2012 dürfen die OTC-Shops außerdem auch Tier-Arzneimittel verkaufen und einige Rezepturen herstellen.

Die wirtschaftlichen Folgen

Natürlich hatten insbesondere die Deregulierungen im Bereich der Bedarfsplanung Auswirkungen auf die Apothekenzahl. Zwischen 1975 und 2015 ist die Anzahl italienischer Apotheken um 37,1 Prozent angestiegen (von 13.271 auf 18.201), wobei es im gleichen Zeitraum einen Bevölkerungsanstieg von etwa 10 Prozent gab. In Europa liegt Italien neben Deutschland aber immer noch etwa im Durchschnitt. Die schrittweise Ausgliederung des OTC-Sortimentes hatte zumindest bislang keine großen finanziellen Auswirkungen auf die Apotheker. Der durchschnittliche Umsatz ist seit 2010 nur leicht gesunken und lag 2014 bei rund 1,18 Millionen Euro. Beim Gewinn konnte die Durchschnitts-Apotheke in Italien sogar rund 1.000 Euro im Jahr zulegen.

Trotz der schleichenden Marktöffnung hat der Gesetzgeber in Italien aber auch positive Entwicklungen im Apothekenmarkt angestoßen. Der italienischen Regierung war schon immer sehr viel an einer starken Landversorgung gelegen. Italien ist von den Zahlen her zwar dicht besiedelt, insbesondere im Norden und in Mittelitalien sind viele Regionen in den Bergen aber infrastrukturell schlecht erschlossen. Versorgt eine Apotheke einen Bezirk mit weniger als 5.000 Einwohnern, gilt sie deshalb offiziell als Landapotheke und hat das Recht auf zusätzliche Unterstützungsgelder der Bundesländer (Regionen). Der Apothekerverband hat in den vergangenen Jahren zudem einen Fonds für Apotheken mit einem Umsatz von weniger als 250.000 Euro aufgebaut. Im vergangenen Jahr erhielten 175 Apotheken finanzielle Hilfen aus diesem Fonds. Landapotheken versorgen in Italien fast ein Fünftel der Gesamtbevölkerung.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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