Liberalisierung in Italien

Marktanteil-Obergrenze für Apothekenketten

Berlin - 22.06.2016, 15:00 Uhr

Bald in Kettenhand? In Italien sollen Apothekenketten einen maximalen Marktanteil von 20 Prozent pro Region erhalten. (Foto:dpa)

Bald in Kettenhand? In Italien sollen Apothekenketten einen maximalen Marktanteil von 20 Prozent pro Region erhalten. (Foto:dpa)


In Italien konnten die Apotheker im Liberalisierungsprozess des Apothekenmarktes einen kleinen Teilerfolg erringen: Der Fremdbesitz-Anteil soll in den einzelnen Regionen künftig bei maximal 20 Prozent liegen. Eine massenweise Eröffnung von Kettenapotheken wird es aber trotzdem nicht geben – dank der Bedarfsplanung.

Liberalisierung step by step

Der italienische Apothekenmarkt wird seit Jahren Schritt für Schritt für größere Konglomerate und Unternehmen geöffnet. Schon in den 1990er-Jahren hatte der Staat etwa 250 von insgesamt 1600 sogenannter Kommunalapotheken an Privatinvestoren verkauft. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Kommunen selbst diese Apotheken gegründet, um in den Gemeinden für eine sichere Arzneimittelversorgung zu sorgen. Aufgrund leerer Gemeindekassen wurden viele dieser Standorte aber veräußert. Celesio besitzt beispielsweise mehr als 160 solcher Apotheken.

Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren musste der Apothekerverband Federfarma viele Angriffe abwehren. Nach der Berlusconi-Ära startete die damalige Technokraten-Regierung von Mario Monti ein umfassendes Wettbewerbsgesetz, das auch den Apothekenmarkt im Visier hatte. Monti wollte damals das Fremd- und Mehrbesitzverbot komplett abschaffen, die Bedarfsplanung weitgehend lockern und viele Rx-Medikamente zum Verkauf in OTC-Shops freigeben.

Im konservativ dominierten Parlament setzte sich Monti damals nicht mit allen diesen Forderungen durch. Die einzige Änderung war eine Lockerung der Bedarfsplanung: Seit 2012 müssen auf eine Apotheke in einem Planungsbezirk 3000 Einwohner kommen. Will sich ein Apotheker im selben Bezirk niederlassen, müssen dafür allerdings nur weitere 500 Einwohner dort gemeldet sein.

Wettbewerbsbehörde für Apothekenketten

Das derzeit im Senat liegende Konkurrenzgesetz ist der nächste Anlauf auf die Liberalisierung des Apothekenmarktes. Das Repräsentantenhaus hat dem Vorhaben bereits in erster Lesung zugestimmt, im Senat werden derzeit die Änderungsanträge beschlossen, in der kommenden Woche könnte es schon zu einer abschließenden Beratung des Gesetzes kommen. Diese Folgen hat das Vorhaben für die Apotheker: Laut Parlamentsbeschluss soll es großen Unternehmen ausdrücklich erlaubt werden, Apotheken zu betreiben. Die bisherige Pflicht, dass jede Apotheke von einem Pharmazeuten geführt werden muss, soll in gewissen Fällen entfallen. Ebenso soll die Vorgabe wegfallen, dass ein Apotheker maximal drei Filialen betreiben darf.

Der Senat hat nun aber einen Änderungsantrag beschlossen, der zumindest das Fremdbesitzverbot etwas einschränkt. So sollen Kapitalgesellschaften in jeder Region einen maximalen Marktanteil von 20 Prozent haben dürfen. Die Obergrenze soll für die direkte und indirekte Übernahme von Apotheken durch Unternehmen gelten. Die italienische Wettbewerbsbehörde soll den Auftrag erhalten, die Einhaltung dieser Obergrenze zu überwachen. Die Wettbewerbsbehörde gilt als einer der größten Unterstützer des Liberalisierungsgesetzes und hatte schon mehrfach die Marktbefreiung gefordert.

Sollte der Senat das Vorhaben so beschließen, wandert es zur finalen Abstimmung zurück ins Repräsentantenhaus. Das dürfte aber keine weiteren Änderungen zugunsten der Pharmazeuten vornehmen, weil das Parlament ja eine noch strengere Deregulierung schon beschlossen hatte.

Dass es in Italien nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Explosion der Kettenapotheken gibt, ist allerdings unwahrscheinlich. Aus dem Apothekerverband in Rom hört man, dass die Bedarfsplanung, die ja unverändert bleiben soll, der letzte „Sicherheitsanker“ für die Apotheker sein wird. Denn auch die Apothekenketten werden nur neue Standorte eröffnen dürfen, wenn es in der jeweiligen Region einen Bedarf gibt.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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