Verbraucherschützer kritisieren 

„Nurofen-Hersteller kommt bei Verbrauchertäuschung zu billig weg"

Stuttgart - 24.05.2016, 07:00 Uhr

Beim Nurofen-Sortiment auf der australischen Website findet sich mittlerweile ein aufklärender Hinweis (Foto: Screenshot / DAZ)

Beim Nurofen-Sortiment auf der australischen Website findet sich mittlerweile ein aufklärender Hinweis (Foto: Screenshot / DAZ)


Australische Verbraucherschützer sind mit der Strafe, die gegen Reckitt-Benckiser wegen irreführenden Marketings verhängt wurde, nicht zufrieden. 1,2 Millionen US-Dollar seien zu wenig dafür, dass die Firma mit ihren Nurofen-Sortiment Patienten getäuscht und daraus Profit geschlagen habe. 

Im Dezember vergangenen Jahres war dem britischen Konzern Reckitt-Benckiser in Australien gerichtlich untersagt worden, wirkstoffgleiche Nurofen®-Präparate für verschiedene Indikationen zu bewerben. Die Firma hatte mehrere Varianten seines Schmerzmittels Nurofen® angeboten: gegen Rückenschmerzen, gegen Regelschmerzen, gegen Migräne und gegen Spannungskopfschmerz. Hinter allen verbarg sich aber letztendlich das gleiche Präparat – ein Analgetikum mit dem Wirkstoff Ibuprofen-Lysinat in exakt derselben Dosierung.

Ende April war Reckitt-Benckiser dann zu einer Strafe von 1,7 Millionen australischen Dollar verurteilt worden, das entspricht knapp 900.000 Euro. Der australischen Verbraucherschutz und Wettbewerbsbehörde ACCC (Australian Competition and Consumer Commission) ist das allerdings zu wenig. Sie hatte die Höchststrafe von 6 Millionen australischen Dollar gefordert. Die Verbraucherschützer wollen Beschwerde einlegen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. 

Strafe nur Kleingeld für große Firmen

Die Höhe der Forderung hatte die ACCC australischen Medien zufolge zum einen damit begründet, dass die Strafe abschreckende Wirkung haben soll. Zum anderen mit der Dauer, über die die Produkte auf diese Weise vermarktet wurden, sowie mit deren Verbreitung  und den erheblichen Abverkäufen und Gewinnen, die Reckitt-Benckiser damit erzielt hat.

Im Grunde findet die ACCC das momentan höchstmögliche Strafmaß für derartige Gesetzesverstöße bereits zu niedrig. 6 Millionen australische Dollar Strafe sind in den Augen der Verbraucherschützer Kleingeld für derartige Firmen. Sie würden einfach als Betriebskosten betrachtet.

Auch die australische Verbraucherschutzorganisation „Choice“ hält die Strafe für nicht schmerzhaft genug. 1,7 Millionen australische Dollar seien nichts im Vergleich zu dem Profit den Reckitt-Benckiser damit gemacht hat, Kunden zu täuschen und  sie dazu zu bringen Premium-Produkte zu kaufen, die nicht wirksamer seien als günstigere, generische Schmerzmittel.

Patienten hatten nur finanziellen Schaden 

Das Gericht begründete die Höhe der Strafe damit, dass die Kunden zwar möglicherweise einen finanziellen Verlust erlitten haben, die Produkte aber nichtsdestotrotz wirksam gegen Schmerzen waren. Ihnen sei somit kein körperlicher Schaden entstanden.

Reckitt-Benckiser verteidigte das Marketing folgendermaßen: Man habe mit den „spezifischen“ Schmerzmitteln den Kunden lediglich helfen wollen, sich besser orientieren zu können – und das insbesondere dort, wo keine Beratung erfolgt, beispielsweise im Supermarkt. Kunden in die Irre zu führen, sei nicht das Ziel gewesen. Zumal ein vernünftiger Kunde nicht glauben würde, dass ein schmerzspezifisches Produkt besser wirke als ein gewöhnliches Schmerzmittel, so ein Anwalt der Firma vor Gericht. 

Auf der australischen Nurofen®-Homepage finden sich die fraglichen Produkte  unter der Überschrift „allgemeine Schmerzen“ (general pain), mittlerweile versehen mit dem Hinweis, dass jedes der Präparate – Migräne, Spannungskopfschmerz, Regel und Rückenschmerzen – denselben Wirkstoff enthalte und bei jeder der genannten Indikationen eingesetzt werden kann. Auch dazu war Reckitt-Benckiser gerichtlich verpflichtet worden. Noch im Handel befindliche Packungen mussten mit einem Aufkleber mit einem ähnlichen Hinweis wie auf der Homepage versehen werden.  

Johnson & Johnson mit ähnlichem Marketing in Deutschland

In Deutschland, wo Ibuprofen nur in der Apotheke zu haben ist, betreibt Reckitt-Benckiser-Konkurrent Johnson & Johnson ein ähnliches Marketingkonzept. Ibulsysin ist beispielsweise unter dem Handelsnamen Dolormin® Extra gegen Kopfschmerzen und allgemeine Schmerzen und als Dolormin® Migräne gegen Migräne erhältlich. Beide Präparate enthalten jeweils 400 mg Ibuprofen als Lysinsalz. Gegen Zahnschmerzen empfiehlt Johnson & Johnson dann Tispol®. Auf der Packung ist ein Zahn abgebildet. Als Wirkstoff enthält es ebenfalls 400 mg Ibuprofen als Lysinsalz. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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