Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

04.05.2014, 08:00 Uhr


Alles neu macht... nein, mein liebes Tagebuch, der Mai macht gar nichts neu. Und von alleine läuft da schon mal gar nichts. Man muss auch wollen, dass was Neues wird. Zum Beispiel, dass die Apotheker einen Platz im Gemeinsamen Bundesausschuss haben. Muss man wollen. Oder dass unsere Leistungen wie z. B. die BtM-Rezeptbearbeitung ordentlich honoriert werden. Das wollen wir, aber ob das die Kassen wollen? Oder dass wir über ein modernes Leitbild diskutieren und unser Berufsbild auf die Zukunft ausrichten. Muss man auch wollen. Immerhin, bei Letzterem scheint es jetzt voranzugehen. Superwichtig, superrichtig.

28. April 2014

Ja, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist mächtig. Er ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Er entscheidet unter anderem darüber, welche Leistungen die mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherten erhalten und welche nicht. Im Ausschuss sitzen Vertreter der Ärzte- und Zahnärzteschaft, der Psychotherapeuten, der Krankenhäuser und der Krankenkassen sowie drei unparteiische Mitglieder, unter ihnen der unparteiische Vorsitzende Josef Hecken.  Patientenvertreter dürfen mitwirken, haben ein Mitberatungs- und Antragsrecht, sie sind aber nicht stimmberechtigt. Doch damit wollen sich die Patienten- und Selbsthilfeorganisationen nicht mehr abfinden und eine Mitgliedschaft im G-BA auf dem Klageweg erreichen. Und der Verband der Forschenden Industrie (vfa) fordert eine „Stimme der Wissenschaft“, etwa aus den Zulassungsbehörden oder medizinischen Fachkreisen, im G-BA. Mein liebes Tagebuch, spürt man da gerade Widerstand gegen die willkürlich anmutende Zusammensetzung des G-BA? Und da fragt man sich doch, warum die Apotheker als wichtige Leistungserbringer nicht im G-BA vertreten sind. Der G-BA entscheidet über den Leistungskatalog und damit auch über die Arzneimittel und über die Qualitätssicherung der Maßnahmen. Da geben die Kassen jährlich über 30 Milliarden Euro für Arzneimittel aus – und Apotheker haben keinen Sitz im G-BA, dürfen nicht mitreden und nicht abstimmen. Ist doch seltsam, oder? Jüngstes Beispiel: die Substitutionsausschlussliste. Da stimmen im G-BA  Ärzte und Krankenkassen, denen man nicht unbedingt große pharmazeutische Kompetenz bescheinigen möchte, über pharmazeutische Fragen ab – und Apotheker sind außen vor und schauen zu. Und wie wundersam, die Standesführung scheint es nicht in den G-BA zu drängen. Warum nicht? Warum in aller Welt möchte Deutschlands Apothekerschaft nicht in diesem Gremium vertreten sein? Hofft man gar, dass man dazu aufgefordert wird? Da kann man lange warten. Immerhin, der Hessische Apothekerverband hatte auf dem Apothekertag 2012 einen entsprechenden Antrag auf Mitgliedschaft im G-BA eingebracht, ihn dann aber zurückgezogen. Ein Antrag der Apothekerkammer Nordrhein auf dem Apothekertag 2013 wurde abgelehnt. Die Gründe: zu hohe Kosten, zu starke personelle Belastungen. Mein liebes Tagebuch, das kann’s doch nicht sein. Und da stellt sich die Frage: Sieht das nicht so aus, als wollten wir keine Verantwortung übernehmen? Und da wundern wir uns noch, wenn wir als Apotheker nicht so recht ernst genommen werden?

29. April 2014

Mein liebes Tagebuch, da kamen zwei Meldungen auf den Tisch, die mir wieder zeigten, wie wichtig Ernährungsberatung in unserer Gesellschaft ist. Und dass Apotheker als Ernährungsberater doch einen wichtigen Platz einnehmen könnten. Die eine Meldung: Die Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert eine Steuer auf stark zucker- und fetthaltige Lebensmittel. Sie möchte, dass gesunde Kost günstiger zu haben ist als Cola, Chips und Pommes. Das Ansinnen versteht man wohl, aber bitte nicht gleich nach dem Staat rufen! Nicht noch eine Steuer! Vielleicht kommt dann noch einer auf die Idee, die Fett-Zucker-Steuer für die Straßensanierung einzusetzen, weil Übergewichtige den Asphalt stärker belasten.

Und die andere Meldung: das Geschäft mit veganen Produkten boomt. Veggie war früher, heute heißt es vegan. Da rollt der vegane Hype auf uns zu. Also, nicht nur Verzicht auf Fisch, Fleisch und Wurst, sondern auch noch auf alles andere, was von Tieren kommt wie Milch, Eier, Käse. Übrig bleiben Pflanzenprodukte, Obst und Gemüse. Keine Frage, vieles davon schmeckt sehr lecker und es ist erstaunlich, wie schmackhaft und kreativ sich ein veganes Mahl zubereiten lässt. Ja, wirklich, also, im Ernst und so. Aber wenn’s zum Glaubensbekenntnis wird, wenn vegane Schnitzel und vegane Entenbrust im Regal liegen, wenn’s nach Käse schmecken soll, obwohl’s keiner ist, dann liegen da künstliche Produkte vor uns, aufgepeppt mit Farbstoffen, Geschmacksverstärkern, Aromastoffen, Verdickungsmitteln. Manchmal wird sogar mit Gentechnik nachgeholfen, wie ein Beitrag des Fernsehmagazins Plusminus zeigte. Vegane Produkte für die vegane Ernährung aus dem veganen Supermarkt – die können dann mitunter auch allergische oder pseudoallergische Reaktionen hervorrufen. Ganz abgesehen davon, dass eine schlecht geplante vegane Ernährung Mangelerkrankungen und vor allem einen Vitamin B12-Mangel bedeuten kann. Vor allem Kinder, die vegan ernährt werden, sind dadurch gefährdet, sie entwickeln neurologische Probleme, so Experten, „die wir nicht mehr korrigieren können“, hieß es in dem Beitrag.

Falsche Ernährung mit zu viel Fett und Zucker, Fehlernährung durch einseitige Ernährung – der Apotheker, der sich als Ernährungsberater qualifiziert hat, könnte angesichts solcher Entwicklungen eine wichtige Rolle spielen. Es gibt Apotheken, die Ernährungsberatung als Dienstleistung anbieten – gegen gutes Honorar. Wie heißt es bei Edeka: Superwichtig, superrichtig, superg...

30. April 2014

Die Bearbeitung einer BtM-Verordnung kostet – alles in allem – knapp neun Minuten Zeit. Viel Zeit im Apothekenalltag! Rechnet man das in Euro und Cent um, ergibt es einen finanziellen Zusatzaufwand für das Handling von BtM-Verordnungen von insgesamt 8,31 Euro. Berechnet hat dies der Diplom-Mathematiker Uwe Hüsgen in einer Studie im Auftrag der Apothekerkammer Nordrhein (siehe DAZ Nr. 18). Die Studie zur Betäubungsmittelversorgung soll beispielhaft – „pars pro toto“ – zeigen, wie hoch und aufwendig die bürokratischen und regulatorischen Leistungen sind, die Apotheken täglich erbringen müssen. Mein liebes Tagebuch, eine solche Studie war längst fällig. Superwichtig, superrichtig, danke an Hüsgen und die AK NR. Und sie ruft nach Fortsetzung für die anderen Gebiete unseres Leistungsportfolios. Zum Beispiel eine Kalkulation für die Anfertigung von Rezepturen und Defekturen. Schon klar, die Herstellung einer Rezeptur, individuell und handgemacht, würde bei dieser Art der Berechnung zu einem Luxusgut werden. Ein vernünftiger Preis für die Rezepturherstellung müsste vermutlich ein Kompromiss sein. Aber was bei Rezepturen unbedingt als Aufschlag mitberücksichtigt werden sollte, wären die 8,35 Euro Beratungsgebühr: Gerade bei einer Rezeptur, die ohne Beipackzettel überreicht wird, sind Hinweise zur Anwendung und Lagerung wichtig – ergo muss das Apothekerhonorar dazu.  

Man sollte auch für Tätigkeiten, die wir im Auftrag der Krankenkassen erbringen und für die wir (zurzeit) nicht honoriert werden, solche Untersuchungen haben. So wäre ich beispielsweise auf die Berechnung des Zusatzaufwands für das Handling der Rabattverträge oder für das Procedere der Genehmigung von Hilfsmitteln sehr gespannt.  Mein liebes Tagebuch, ich bin überzeugt, dass wir – und die Krankenkassen – nur so staunen würden, wie viel Zeit wir dafür aufwenden und was das umgerechnet in Euro und Cent kostet. Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder solche Zusatzaufgaben aufs Auge drücken lassen, haben die Programmierkosten für teure Software-Updates bezahlt, ohne deren Hilfe das Geflecht der Rabattverträge, der Aut-idem- und Import-Regelungen nicht zu entwirren ist. Und wir haben null Cent als Ausgleich dafür erhalten. Das kann’s nicht sein.

1. Mai 2014

Da der April so rasend schnell vergangen ist, ein kleiner Ausblick auf den Mai. Termine, Termine. Mein liebes Tagebuch, was könnte für uns interessant werden?
So geht‘ s der deutschen Apotheke: Am 7. und 8. Mai gibt’s auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands in Berlin den offiziellen Lagebericht und die neuesten betriebswirtschaftlichen Zahlen zum Apothekenmarkt.

Ein Wochenende später laden  Bayerns Kammer und Verband zum traditionellen Bayerischen Apothekertag nach Nürnberg: Erst die Delegiertenversammlung (in Bayern immer spannend), dann die Eröffnung mit einer berufspolitischen Diskussionsrunde und an zwei weiteren Tagen Fortbildung. Nicht zu vergessen: Der WIPIG-DAZ-Präventionspreis wird an Apothekerinnen und Apotheker verliehen, die ein besonderes Präventionsprojekt auf die Beine gestellt haben. Und das Gesellige kommt nicht zu kurz: Jamei, mia san mia.
Am 20. Mai feiert die ABDA im Apothekerhaus ihr Sommerfest: Geladen sind Personen aus der Gesundheitspolitik, von Organisationen und Verbänden. Und wenn man Glück hat, sieht man auch mal den neuen Pressesprecher, gell? Klar, es gibt zu essen und zu trinken. Was  nach After work party aussieht, ist anstrengendes Lobbying und Networking pur. Wirklich. Auch superrichtig, superwichtig.

Wenige Tage später, am 22. und 23. Mai lädt der Bundesverband deutscher Versandapotheken zu seinem Jahreskongress und feiert 10 Jahre Arzneimittelversand. Und, ach wie nett, moderieren lässt der Verband seine Veranstaltung von Biggi, ja, die Biggi Bender, einst gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Nach der letzten Bundestagswahl hat’s nicht mehr gereicht für den Bundestag (O-Ton Bender: „Demokratie kann ganz schön schmerzhaft sein“). Jetzt ist sie „Beraterin“. Biggi Bender liebt nicht nur große Ohrringe, sondern auch Ketten, also Apothekenketten, und setzte sich immer für mehr Wettbewerb bei Apotheken ein. Da ist sie beim Versandverband richtig.

Und dann klingt der Mai auch schon aus mit dem Fortbildungskongress Pharmacon der Bundesapothekerkammer in Meran. Also, mein liebes Tagebuch, ordentlich was los.

2. Mai 2014

Mein liebes Tagebuch, der Entwurf des neuen Leitbildes steht bereit. Wir dürfen wieder diskutieren, ganz ohne Panne, wohl geordnet und strukturiert, wenn man seine Zugangsdaten vom Februar aufgehoben hat (wenn nicht, kann man g’schwind neue anfordern). Die Leitbildprozess-Seite ist für zwei Wochen offen und hofft auf viele Kommentare. Auf den ersten Blick: Aus den vielen ersten Gedanken, Meinungen, Kommentaren und Rohentwürfen ist ein lesbarer Text entstanden. Zugegeben, an manchen Stellen klingt er pathetisch, an anderen wieder erfrischend konkret, verbunden durch Kuschelphrasen weich wie Gummibärchen. Allererstes Fazit: Den Text kann jeder unterschreiben, da kann man wenig falsch machen. Mein liebes Tagebuch, das war jetzt aber ein bisschen böse. Nein, Im Ernst: Was hätte denn sonst bei einem solchen Prozess herauskommen sollen? So schlecht ist das Leitbild prima vista gar nicht geworden. Feinjustierungen, ein paar präzisere Formulierungen, die sich nicht im Allgemeinen und Nebulösen verlieren, wären wünschenswert. Einiges im Leitbildtext ist heutiger Stand der Dinge, manches Zukunftsmusik und manches ein Allgemeinplatz. Irgendwie würde man sich für die einzelnen Abschnitte eine Art Erklärung oder Kommentierung als Subtext wünschen: Was haben sich die Texter dabei gedacht? Was verstehen sie genau unter einem Schwurbelsatz wie: „Durch die Konzentration auf ihre Kernkompetenz steigern die Beteiligten die Effizienz und Effektivität ihrer Arbeit im Rahmen einer entwickelten Koordination und Kooperation.“ Aber unterm Strich geht das Leitbild in die richtige Richtung. Mein liebes Tagebuch, ich würde mir noch wünschen, dass der Text mehr Selbstbewusstsein ausdrückt: Wir sind die unverzichtbare Anlaufstelle in Sachen Selbstmedikation. Und es sollte noch deutlicher werden, dass wir es sind, die auf Augenhöhe mit den Ärzten die Arzneitherapie koordinieren und die therapeutische Lücke ausfüllen, die es in der Arzneimitteltherapiesicherheit gibt.


Peter Ditzel


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