Lernen

Cortisol aktiviert das Bauchgefühl

09.08.2013, 11:35 Uhr


Bauchgefühl oder Verstand? Kommt drauf an. Und zwar kommt es darauf an, ob man unter Stress steht oder nicht, ob sich Wissen bewusst oder unbewusst per Bauchgefühl angeeignet wird. Welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, haben Wissenschaftler jetzt herausgefunden.

Hormone, die die Nebennierenrinde unter Stress ausschüttet, aktivieren Mineralcorticoid-Rezeptoren. Das Bochumer Team untersuchte 80 Probanden, von denen die Hälfte ein Medikament erhielt, das die Mineralcorticoid-Rezeptoren im Gehirn blockiert. Die übrigen Teilnehmer nahmen ein Placebo ein. Jeweils 20 Mitglieder aus jeder Gruppe wurden einem Stress auslösenden ­Erlebnis ausgesetzt. Anschließend ­absolvierten alle einen Lerntest, die ­sogenannte Wettervorhersage-Aufgabe. Die Probanden sahen Spielkarten mit unterschiedlichen Symbolen und mussten lernen vorherzusagen, welche Kartenkombinationen Regen ankündigen und welche Sonnenschein. Dabei zeichneten die Forscher die Hirnaktivität mit der Kernspintomografie auf.

Den Wettervorhersage-Test kann man auf zwei Arten meistern: Einige Probanden versuchen bewusst, eine Regel zu formulieren, anhand derer sie ­Sonnenschein und Regen vorhersagen können. Andere lernen unbewusst, quasi per Bauchgefühl, richtig zu antworten. Unter Stress bevorzugt das Gehirn unbewusstes Lernen. Dieser Wechsel zu einem anderen Gedächtnissystem passiert automatisch. Das sei sinnvoll, so die Wissenschaftler, denn auf diese Weise könne das Gehirn die Lernleistung auch unter Stress aufrechterhalten.

Das klappt aber nur mit funktionstüchtigen Mineralcorticoid-Rezeptoren. Blockierten die Forscher die Rezeptoren mit Spironolacton, schwenkten die Teilnehmer seltener auf eine unbewusste Strategie um und zeigten folglich eine schlechtere Lernleistung.

Die Effekte traten auch in den Kernspindaten zutage. Normalerweise ­verschiebt Stress die Hirnaktivität vom Hippocampus – einer Struktur für das bewusste Lernen – zum dorsalen Striatum, das unbewusstes Lernen vermittelt. Dieser stressbedingte Wechsel erfolgte aber nur in der Placebo-Gruppe, nicht bei Probanden, die den Rezeptorenblocker Spironolacton ein­genommen hatten. Die Mineralcorti­coid-Rezeptoren spielen also eine ­entscheidende Rolle dafür, dass das Gehirn sich an die Stresssituation anpassen kann. 

Quelle: Literatur: Schwabe, L., et al. 2013; Online: doi: 10.1016/j.biopsych.2013.06.001


Dr. Bettina Hellwig