Hirnforschung

Auf die Unterschiede kommt es an

Berlin/Magdeburg - 20.05.2011, 11:02 Uhr


Weinkenner erkennen bereits am ersten Schluck den Jahrgang, Künstler sehen winzige Farbabweichungen und Blinde unterscheiden feinste Oberflächenstrukturen. Berliner Wissenschaftler aus Berlin und Magdeburg haben herausgefunden, welche Bereiche des Gehirns besonders aktiv sind, wenn man seine Wahrnehmung schult.

Die Forscher haben am Beispiel visueller Reize untersucht, wie sich die Hirnaktivität im Laufe des Lernprozesses verändert. Dafür maßen sie Änderungen der Nervenzellaktivität im Gehirn mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Ihre Überlegung lautete: Beruht der Lerneffekt vor allem auf einer detaillierteren Darstellung der Reize, so sollte in erster Linie das Sehzentrum aktiv sein. Ist hingegen die Interpretation der Reize im Gehirn der Grund für die Fortschritte der Lernenden, so sollte sich das in den Bereichen zeigen, die für Entscheidungen eine Rolle spielen.

Die fMRT misst Änderungen in der Sauerstoffversorgung des Blutes. Die Tatsache, dass hoch aktive Nervenzellen mehr Sauerstoff verbrauchen als schwach aktive, wird als Maßstab für die Zellaktivität genutzt. Damit können auch komplexe Muster der Hirnaktivität untersucht werden.

Die Messungen zeigten deutlich, dass die Aktivität im Sehzentrum während des gesamten Lernvorgangs gleich blieb. Eine Region im präfrontalen Kortex aber, die bei der Interpretation von Reizen eine wichtige Rolle spielt, wurde stetig aktiver. Daraus schlossen die Forscher, dass der Lernvorgang auf der Ebene der Entscheidungsfindung stattfindet. Wenn sich unsere Wahrnehmung beim Lernen schärft, dann liegt dies nicht so sehr daran, dass mehr Information das Gehirn erreicht, folgerten sie. Stattdessen lernen wir, mit der gegebenen Information immer mehr anzufangen. Wir sehen nach und nach in Bildern Details, die uns zu Beginn nicht bewusst sind.

Die Forscher untersuchten die Lernvorgänge am Beispiel einfacher geometrischer Skizzen. Im Experiment sahen die zwanzig Testpersonen für kurze Zeit ein kleines Streifenmuster auf einem Bildschirm. Sie sollten entscheiden, in welche Richtung die Streifen zeigten. Im Laufe der Zeit konnten sie dies immer besser erkennen. Ob ähnliche Effekte auch zum Beispiel für Weinkenner oder Spitzenköche gelten, könnte man auf der Basis ihrer Experimente jetzt genauer untersuchen.

Quelle: Presseinformation Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, Freiburg, 13. Mai 2011.


Dr. Bettina Hellwig