Lösung im Retax-Streit

Neuer Vertrag schließt unangemessene Null-Retaxationen in NRW aus

Berlin - 28.04.2012, 09:29 Uhr


In den vergangenen Monaten sorgten überzogene Null-Retaxationen bei den Apothekern für erheblichen Ärger. Jetzt gibt es in Nordrhein-Westfalen eine erste Modell-Lösung. Die Apothekerverbände Westfalen-Lippe und Nordrhein haben als erste Verbände bundesweit mit den dortigen Primärkassen einen neuen Arzneimittelliefervertrag geschlossen. Danach sind Null-Retaxationen weitgehend ausgeschlossen. Erlaubt sind Retaxationen nur noch bis zur Höhe des tatsächlichen wirtschaftlichen Schadens der Krankenkasse.

Der neue Vertrag wurde am 19. April ausgehandelt und soll rückwirkend zum 1. März in Kraft treten. Damit wird die Retaxation auf ihren eigentlichen Zweck zurückgeführt, entstandene Vermögensnachteile der Kasse auszugleichen. Die Krankenkasse muss den Vermögensschaden gegenüber dem Apotheker nachweisen.

Außerdem wurde vereinbart, dass der Apotheker in bestimmten Fällen wie bisher bei fehlerhaften Rezepten die Chance der nachträglichen „Heilung“ erhält. Fehlt beispielsweise die Unterschrift des Arztes, der Arztstempel oder das Datum, erhält der Apotheker das betreffende Rezept zurück und kann den Fehler beheben lassen. Das soll auch auf elektronischem Wege geschehen können. Der Apotheker trägt also nur noch das Risiko der Heilung und kann eine Null-Retaxation rückgängig machen.

Dr. Klaus Michels, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, begrüßt das Ergebnis als dringend notwendigen Schritt: „Die neue Vereinbarung bringt Handlungssicherheit in die Apotheken zurück. Das ist gut für die Versorgung der Patienten und Versicherten. Klargestellt ist jetzt: Fair geht vor! Hat die Apotheke den Patienten fachgerecht versorgt, kann sie jetzt wieder darauf vertrauen, dass ihre Leistung auch bezahlt wird. Retaxationen sind kein Disziplinierungsinstrument und dürfen auch nicht der Erzielung von Einnahmen dienen.“

Ausgenommen von der neuen Retax-Regelung sind laut Michels jedoch noch Streitfälle bei Rabattverträgen. Der Grund: Der noch anhängige Musterprozess des DAV gegen die Techniker Krankenkasse und weitere Ersatzkassen wegen vorgenommener Null-Retaxationen. Bis zum Urteil gilt aber, dass sich die Primärkassenverbände für eine zurückhaltende Retax-Praxis einsetzen. Die Vertragspartner sind sich darin einig, dass eine Ausweitung der Retaxationspraxis der Akzeptanz der Rabattverträge schaden würde. Die Verbände der Krankenkassen sprechen deshalb eine Empfehlung aus, dies möglichst zu vermeiden und auf Vollabsetzungen zu verzichten, so die Vereinbarung.

Offen ist zwischen den Apothekerverbänden Westfalen-Lippe und Nordrhein auf der einen Seite sowie den Krankenkassen noch, wie die „Alt-Fälle“ der vergangenen Monate weiter behandelt werden, die der Anlass für die Änderung des Liefervertrages waren. Darüber laufen die Gespräche mit den drei betreffenden Betriebskrankenkassen weiter.


Lothar Klein