Tuberkulose-Zahlen sinken

Kein Grund zur Entwarnung

Berlin - 23.03.2012, 15:41 Uhr


Tuberkulose gehört zu den häufigsten Todesursachen weltweit, obwohl die Zahl der Neuansteckungen seit einigen Jahren sinkt. Die Probleme verstärken sich durch multiresistente Mykobakterien und Co-Infektionen mit HIV. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen setzt sich für die Entwicklung wirksamer und bezahlbarer Arzneimittel und Diagnosemöglichkeiten ein.

„Wir brauchen neue Medikamente, mehr Forschung, mehr Behandlung und ein klares Bekenntnis von Regierungen und internationalen Organisationen, diese tödliche Krankheit zu bekämpfen“, erklärt Unni Karunakara, internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. „Nur so können mehr Menschen getestet, behandelt und geheilt werden. Die Welt kann es sich nicht leisten, der Ausbreitung von multiresistenter Tuberkulose untätig zuzusehen. Wir müssen sofort handeln.“

Im Jahr 2010 erkrankten weltweit etwa 12 Millionen Menschen an Tuberkulose, 1,5 Millionen starben, berichtet Ärzte ohne Grenzen. Problematisch sei vor allem die Behandlung der multiresistenten Tuberkulose-Erreger, wovon nach Schätzungen der Hilfsorganisation 650.000 Patienten betroffen sind. Vermutet wird, dass die resistenten Erreger nicht nur durch eine fehlerhafte Behandlung entstehen, sondern sich auch durch Ansteckung verbreiten. „Wo auch immer wir unsere Patienten auf multiresistente Tuberkulose testen, stoßen wir auf eine alarmierend hohe Verbreitung“, erklärte Karunakara. Die Hilfsorganisation diagnostizierte im Norden Usbekistans bei 65 Prozent der Tuberkulosepatienten multiresistente Stämme.

Auch in Deutschland bestehe Grund zur Sorge, seit Jahrzehnten hätte erstmals die Zahl der Neuinfektionen in Berlin zugenommen, warnte das Robert Koch-Institut (RKI). 2009 erkrankten 263 Menschen in der Hauptstadt an Tuberkulose, 2011 infizierten sich 330. Vor allem in Großstädten wie Frankfurt am Main kam es im Jahr 2010 durchschnittlich zu 8,9 Neuerkrankungen je 100.000 Einwohner. Das waren doppelt so viele wie in klein- beziehungsweise mittelständischen Gebieten, hier lag die Inzidenz bei vier Fällen je 100.000 Einwohner. Eine Ursache für diesen Unterschied sieht das RKI darin, dass in Großstädten überproportional viele Menschen mit einem erhöhten Tuberkulose-Risiko leben. Dazu seien in erster Linie Migranten aus Tuberkulose-Hochprävalenzländern und Personen mit psychosozialen Risikofaktoren, wie Suchtkrankheiten oder Obdachlosigkeit zu rechnen, heißt es vom RKI. Ein weiteres Anzeichen für eine mögliche Trendänderung seien die gestiegenen Fallzahlen bei Kindern: Im Jahr 2010 erkrankten 158 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren an einer Tuberkulose. Damit setze sich der 2009 erstmals beobachtete Anstieg fort (2009: 142 Fälle; 2008: 124 Fälle). Dies könnten erste Hinweise auf eine mögliche Stagnation oder sogar einen Wiederanstieg der Erkrankungszahlen in den kommenden Jahren sein, wie dies in einzelnen Ballungsräumen in Deutschland bereits beobachtet werden kann. Die Gesamtzahl der Erkrankungen in Deutschland nähert sich seit 2008 einem Plateau, während in früheren Jahren jährlich ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war, berichtete das RKI.

Ein weltweites Problem, das auch in Deutschland an Bedeutung gewinnt, ist die gestiegene Zahl von Patienten, die mit Tuberkulose und HIV infiziert sind. Das RKI berechnete, dass in Frankfurt am Main acht Prozent der Tuberkulose-Patienten auch von HIV befallen sind. Bei Menschen mit einem, beispielsweise durch eine HIV-Infektion, geschwächten Immunsystem ist die Gefahr erhöht, dass Tuberkulose ausbricht. Die Behandlung solcher Patienten sei besonders schwierig, weil die Arzneimittel Wechselwirkungen herrufen, verdeutlichte Ärzte ohne Grenzen das Problem.

In Bezug auf den Welttuberkulosetag am 24. März vermeldet die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Birgit Fischer, Erfolge bei der Entwicklung neuer Tuberkulose-Arzneimittel. „Ein Präparat ist mittlerweile zur Zulassung eingereicht - das erste seit den 1960er Jahren! Weitere sind in der klinischen Erprobung“, so Fischer. Die Zulassung für Delamanid (Otsuka Pharma) wurde auf der Basis von Ergebnissen aus Phase II-Studien beantragt. Delamanid hemmt die Mykolsäure-Synthese und stört so die Zellwandfunktion der Tuberkuloseerreger. „Damit diese Medikamente nach ihrer Zulassung aber auch die bedürftigen Patienten erreichen, ist eine koordinierte Zusammenarbeit von Regierungen, internationalen Organisationen und Unternehmen nötig“, betonte die vfa-Hauptgeschäftsführerin.

Weitere aktuelle Informationen zu der Tuberkuloseinzidenz und Therapiemöglichkeiten finden sie hier (DAZ 11/2012)


Svenja Schwob