Welttuberkulose-Tag 2023

Tuberkulose-Inzidenz steigt wieder

Stuttgart - 24.03.2023, 09:15 Uhr

Sind Bakterien aus dem Sputum eines Tuberkulose-Patienten kultivierbar, kann dieser die Erkrankung auch an andere weitergeben. Können die Erreger aus dem Schleim sogar unter dem Mikroskop gesehen werden, gilt der Infizierte als hochansteckend (Foto: CDC/unsplash).

Sind Bakterien aus dem Sputum eines Tuberkulose-Patienten kultivierbar, kann dieser die Erkrankung auch an andere weitergeben. Können die Erreger aus dem Schleim sogar unter dem Mikroskop gesehen werden, gilt der Infizierte als hochansteckend (Foto: CDC/unsplash).


Heute ist Welttuberkulose-Tag! Während Deutschland als Niedriginzidenzland gilt, ist die Atemwegserkrankung in anderen Ländern, zum Beispiel der ehemaligen Sowjetunion, immer noch häufig. 10,6 Millionen Menschen erkrankten 2021 weltweit an Tuberkulose. Neben HIV und Malaria zählt sie damit zu den häufigsten globalen Infektionskrankheiten. Durch die Fluchtbewegung aus der Ukraine verzeichnet das RKI auch in Deutschland steigende Fallzahlen der schwierig zu behandelnden multiresistenten Tuberkulose.

Anlässlich des Welttuberkulose-Tages hat das Robert-Koch-Institut (RKI) eine Tuberkulose-Tagung veranstaltet, um den aktuellen Daten- und Wissensstand zu vermitteln. Die steigende Inzidenz durch flüchtende Menschen aus der Ukraine war dabei ein zentrales Thema. Zuerst die guten Nachrichten: Die Zahl der Tuberkulose-Fälle in Deutschland liegt derzeit unter den Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wie das RKI im aktuellen Epidemiologischen Bulletin veröffentlichte. Aber die seit Jahren sinkende Tuberkulose-Inzidenz hat durch Migrationsbewegungen wieder Fahrt aufgenommen, da infizierte flüchtende Menschen in Deutschland in die Statistik mit eingehen.

In der Bundesrepublik wurden 2022 insgesamt 4033 Tuberkulose-Fälle dem RKI gemeldet, davon 262 bei aus der Ukraine stammenden Personen (die WHO hatte vorab mit 450 Fällen aus der Ukraine gerechnet). Die Inzidenz der Atemwegserkrankung ist damit 3,5 Prozent höher als 2021 und seit fünf Jahren erstmals wieder gestiegen.

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Bei 68 der Fälle aus der Ukraine lag eine multiresistente Tuberkulose vor (knapp 26 Prozent). Davon spricht man, wenn die krankheitsverursachenden Bakterien der Spezies Mycobacterium tuberculosis gegen die Standard-Tuberkulosemittel Rifampicin und Isoniazid resistent sind. Liegt zusätzlich noch eine Insensibilität gegenüber Fluorchinolonen vor, wird von extensiv resistenter Tuberkulose gesprochen. Sowohl die multi-, als auch die extensiv resistente Tuberkulose sind schwierig zu behandeln und bedürfen einer Einnahme verschiedener Antibiotika über mehr als sechs Monate, erklärte Dr. Stefan Kröger von der Tuberkulose-Surveillance des RKI.

Internationales Tuberkulosemanagement nötig

Die Tuberkulose-Inzidenz in der Bundesrepublik ist bei Personen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit 17-mal höher als bei Personen mit deutschem Pass. Die zehn häufigsten Geburtsländer von Tuberkulose-Erkrankten in der Bundesrepublik haben sich in der letzten Dekade insgesamt kaum verändert, der Anteil Tuberkulose-Erkrankter aus der Ukraine ist letztes Jahr jedoch in die Höhe geschossen: Von 0,7 Prozent aller Tuberkulose-Fälle 2021 auf 6,8 Prozent im Jahr 2022. Außerdem kommen Tuberkulose-Patienten häufig aus Afghanistan (7,2 Prozent) und Rumänien (6,8 Prozent). Professor Dr. Walter Haas, Infektionsepidemiologe für respiratorisch übertragbare Krankheiten am RKI, betonte, dass moderne Tuberkulosekontrolle auf eine enge internationale Kooperation aufbauen müsse. So haben Ärzte, Ärztinnen und andere Gesundheitskräfte aus der Ukraine trotz Krieg die Tuberkulose-Surveillance und Therapie fortgeführt und mit Partnern, z.B. dem RKI, zusammengearbeitet und Daten übermittelt.

Die meisten Tuberkulose-Fälle werden durch Abklärung entsprechender Symptome und einen Erregernachweis detektiert. Über ein allgemeines Screening, zum Beispiel um einen Platz in einer Unterkunft zu erhalten, werden aber auch immer mehr asymptomatische Tuberkulose-Fälle gefunden. Zwischen 2017 und 2021 wurden circa 10 Prozent der Fälle durch ein Screening entdeckt, 2022 waren es rund 40 Prozent. Stefan Kröger betonte, wie wichtig eine frühe Entdeckung und Behandlung ist, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Da viele Personen aus der Ukraine privat unterkommen und nicht gescreent werden, bestünde hier Nachholbedarf.

Tuberkulose gilt als schwer zu übertragender Atemwegsinfekt, da ein längeres, nahes Beisammensein mit einer infizierten Person nötig ist, zum Beispiel mehrere Stunden in einem geschlossenen Raum. Tuberkulose verläuft bei immunkompetenten Personen meistens symptomlos, da Makrophagen den Erreger „einkesseln“ und so eine Vermehrung verhindern. Bei alten Menschen oder immunsupprimierten Personen bricht die Krankheit dann oft aus. Bei 70 Prozent der symptomatischen Verläufe äußert sich dieser in einer Lungentuberkulose. Es können auch andere Organsysteme wie die Lymphknoten, Knochen oder Gelenke betroffen sein. HIV und Hepatitiden sind häufige Begleiterkrankungen und sollten am besten in spezialisierten Behandlungszentren in die Tuberkulosetherapie eingebunden werden. Das RKI empfiehlt, Tuberkulose-Betroffenen einen HIV-Test anzubieten. Erregernachweis und komplette Labordiagnostik sind bei Tuberkulose wichtig, um eine vollständige Meldung und Übermittlung der Daten zu bewerkstelligen. Nur so können adäquate Maßnahmen eingeleitet werden, wie beide Experten aus dem RKI betonten.

Tuberkuloseelimination

Die WHO will bis zum Jahr 2035 Tuberkulose für beendet erklären. Um dieses „End-TB-Ziel“ erreichen zu können, ist für Deutschland als Niedriginzidenzland das Ziel, die Inzidenz bis 2035 auf unter 1 Erkrankter pro 100.000 Einwohner zu senken (2022 waren es 4,9 Erkrankte pro 100.000 Einwohner). Die Geschichte zeigt, dass humanitäre Katastrophen wie Kriege die Verbreitung der Krankheit begünstigen – durch Fluchtbewegungen nehmen so auch die weltweiten Fälle zu. Auch die Coronapandemie erschwerte die Versorgung Tuberkulose-Erkrankter. Um weltweite Tuberkuloseelimination zu erreichen, sind zusätzliche Anstrengungen dringend erforderlich, wie die WHO in einem Update zur Eliminationsstrategie ermahnt.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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