Versorgungsatlas Schmerz

Basisdaten für neue Versorgungsformen

Berlin - 10.11.2011, 15:41 Uhr


Wie ist es um die Versorgungssituation von Schmerzpatienten bestellt? Dies fragte sich die Firma Grünenthal und initiierte hierzu 2008 eine Studie. Partner waren die DAK und die AOK Niedersachsen, die Routinedaten von mehr als 7 Millionen Versicherten für die Analyse zur Verfügung stellten. Dabei herausgekommen ist jetzt der „Versorgungsatlas Schmerz“.

Studien gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 13 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen leiden – aber nur rund 20 Prozent von ihnen erhalten eine adäquate Therapie. Für Grünenthal Grund genug, der Versorgungssituation von Schmerzpatienten nachzuspüren: „Um Innovationsführer in der Schmerztherapie zu sein, müssen wir genau wissen, wie es unseren Patienten geht. Nur so können wir mit allen Beteiligten gemeinsam die Versorgungssituation verbessern“, erklärte heute Grünenthal-Geschäftsleiter Kai Martens anlässlich der Vorstellung des „Versorgungsatlas Schmerz“. Mit finanzieller Unterstützung von Grünenthal und mithilfe der Verordnungsdaten von DAK und AOK haben das Berliner IGES-Instiut und Professor. Dr. Gerd Glaeske als wissenschaftlicher Begleiter die Betroffenen nun in verschiedene Schmerztypen gruppiert und ihre Versorgungssituation analysiert. Ein Unterfangen, das nicht ganz einfach ist, bedenkt man, dass bei der Behandlung von Schmerzen – vor allem am Anfang – nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel eine große Rolle spielen, die in den Kassendaten jedoch nicht abgebildet sind. Ebenso muss berücksichtigt werden, dass nicht alle Verordnungen eingelöst werden. Dennoch: Die Ist-Analyse ist vollbracht. Nun wollen die Kassen die Ergebnisse als Grundlage für die Ausarbeitung passender selektivvertraglicher Versorgungsangebote nutzen, erläuterte DAK-Chef Herbert Rebscher.

Werden Schmerzpatienten nämlich früh genug erkannt und richtig behandelt, lohnt sich das auch für die Kassen. Glaeske erläuterte einige Erkenntnisse der Studie im Hinblick auf Rückenschmerzpatienten: „Je stärker der Hinweis auf eine Schmerzchronifizierung war, desto höher waren auch die direkten Versorgungskosten“. Hinweise auf eine Chronifizierung gaben dabei lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und die Verordnung starker Opioide. Kommt aber eine multimodale – das heißt eine interdisziplinäre – Schmerztherapie zum Einsatz, können jedenfalls im Folgejahr der Therapie schon positive Kosteneffekte entstehen. Zunächst verschieben sich die Kostenblöcke vor allem: Während mehr Geld in die stationäre bzw. Reha-Behandlung fließt, wird für Arzneimittel weniger ausgegeben. Dafür, so Glaeske, würden die Medikamente gezielter eingesetzt.

Glaeske verwies darauf, dass gerade in der Schmerztherapie Über-, Unter- und Fehlversorgung nach wie vor an der Tagesordnung sind. So führe etwa eine Unterversorgung mit Rx-Arzneimitteln oft dazu, dass Patienten zusätzlich zur Selbstmedikation griffen und es somit erst zu einer Chronifizierung der Schmerzen komme. Aber auch die Selbstbehandlung von Schmerzen noch vor einem Arztbesuch könne bereits erhebliche Nebenwirkungen auslösen. Von den rund 153 Millionen Schmerzmittel-Packungen, die 2010 in Apotheken abgegeben wurden, seien lediglich knapp 31 Millionen verschreibungspflichtig und sieben Millionen Betäubungsmittel gewesen – der Großteil der Packungen waren OTC. Glaeske appellierte daher an die besondere Verantwortung der Apotheker. Sie müssten für die Selbstmedikation geltende Regeln beachten. Trete etwa der Schmerz erstmals auf, müsse die Ursache vom Arzt geklärt werden. Ebenso, wenn der Patient zu mehr als acht bis zehn Schmerztabletten monatlich greift. Hilfreich wäre hier aus seiner Sicht eine elektronische Gesundheitskarte, die auch rezeptfrei erworbene Arzneimittel dokumentiert.  


Kirsten Sucker-Sket