Krebsforschung

Doppelrolle eines Genschalters

Berlin - 25.10.2011, 09:09 Uhr


Genschalter der sogenannten NF-kappaB-Familie gelten als Krebstreiber und werden zudem mit schlechtem Ansprechen auf Krebstherapien in Verbindung gebracht. Aber das ist nur eine Seite. NF-kappaB verfügt offenbar auch über eine andere Seite, wie Berliner Krebsforscher jetzt zeigen konnten.

NF-kappaB verstärkt ein durch Chemotherapie ausgelöstes Zellschutzprogramm (Seneszenz). Es bewirkt bei Krebszellen einen endgültigen Zellteilungsstopp und kann so zum Beispiel das Wachstum von Lymphdrüsenkrebs hemmen. Das Zellschutzprogramm wird paradoxerweise von einem krebsauslösenden Gen (Onkogen) im Frühstadium einer Krebserkrankung angeschaltet. Krebszellen können sich, sobald das Programm aktiviert ist, nicht mehr ungebremst teilen, vielmehr bringt die Seneszenz die Zellteilung endgültig zum Stehen. Zwar leben die Krebszellen weiter, können sich aber nicht mehr teilen und sind stoffwechselaktiv.

In der letzten Zeit gab es Hinweise darauf, dass der Genschalter NF-kappaB bei der Auslösung des Seneszens-Programms mitwirkt. Offenbar löst er die Ausschüttung von Zytokinen aus, die dieses Schutzprogramm verstärken. NF-kappaB spielt damit eine widersprüchliche Rolle. Denn bei zahlreichen Formen von Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen) treibt der Genschalter die Krebsentstehung und das Fortschreiten der Erkrankung voran und trägt dazu bei, dass ein Tumor gegen eine Therapie resistent wird. Dabei schaltet NF-kappaB ein anderes Schutzprogramm der Zelle aus, die Apoptose. Dieses Programm treibt normalerweise geschädigte oder entgleiste Zellen in den Selbstmord und bewahrt damit den Organismus als Ganzes vor Schaden. Bei Krebserkrankungen ist dieses Programm jedoch häufig defekt, so dass die Zellen nicht mehr absterben. Allerdings vermag Chemotherapie durch Anschaltung der Seneszens durchaus einen Wachstumsstillstand der Erkrankung zu erreichen.

Die Forscher untersuchten, welche Rolle NF-kappaB bei diesem Schutzprogramm spielt. Sie erforschten in einem Lymphom-Modell, unter welchen genetischen Bedingungen NF-kappaB zur Seneszenzauslösung unter Chemotherapie beiträgt. Die so gewonnenen genetischen Informationen verglichen die Forscher mit Daten von 223 Lymphompatienten, von denen sie wussten, welche Gene bei ihrer Erkrankung aktiv sind und wie der Krankheitsverlauf ist. Sie haben eine klinisch bedeutsame Gruppe von Lymphompatienten ausfindig gemacht, bei denen hohe NF-kappaB-Aktivität einen günstigen Verlauf nach Chemotherapie voraussagt.

Literatur: Jing, H., et al.: Genes and Development 2011, Online-Vorabpublikation: doi:10.1101/gad.17620611.


Dr. Bettina Hellwig