Arzneimittel und Therapie

Zytostatikaforschung: Krebsbekämpfung nach Maß

Die Behandlung von Krebserkrankungen wird sich in den kommenden Jahren erheblich wandeln. Neben den etablierten Methoden der Chirurgie, der Bestrahlung und der Chemotherapie werden Verfahren auf molekularer Basis zunehmend an Gewicht gewinnen. Die Roche Diagnostics GmbH richtet ihr Forschungs- und Entwicklungspotenzial auf die Entwicklung und Produktion neuartiger Diagnostika und Pharmazeutika aus, die für eine individuelle Diagnose und eine maßgeschneiderte Therapie bei Krebserkrankungen zum Einsatz kommen sollen.

"Krebs" ist eine allgemeine Bezeichnung für Hunderte von verschiedenen Erkrankungen, die alle mit gestörten Stoffwechselfunktionen auf molekularer Ebene zu tun haben. So können gleichartige Krankheitsbilder in ihren molekularen Ursachen erheblich variieren. Deshalb ist es nicht möglich, den Krebs mit einheitlichen Behandlungsschemata zu besiegen.

Maßgeschneiderte Behandlungskonzepte

Obwohl in den letzten Jahren große Forschritte im Umgang mit Krebs erzielt wurden, sieht mancher Forscher für die Zukunft eine neue Ära in der Krebsbekämpfung heraufdämmern. Das Schlagwort heißt: maßgeschneiderte Behandlungskonzepte. Die molekularen Mechanismen, die der Entwicklung und Ausbreitung einer Krebserkrankung zugrunde liegen, werden immer besser verstanden. Allerdings steht hier die Forschung erst am Anfang.

"Intelligente Lösungen bei der Krebsbekämpfung werden zunehmend die Szene beherrschen. Die Umsetzung neuer Erkenntnisse auf dem Gebiet der "Genetics" und "Genomics" in brauchbare und geeignete Informationen für Patienten und Ärzte wird jedoch im Bereich der Diagnose deutlich schneller vorangehen als im Bereich der Therapie", sagte Prof. Dr. Klaus Strein, Leiter des Bereichs Pharma der Roche Diagnostics GmbH in Deutschland. Chirurgie, Bestrahlung und Chemotherapie werden nach Ansicht von Strein für eine geraume Zeit die drei wichtigen Säulen der Krebsbekämpfung bleiben.

Diagnostik auf molekularer Ebene

Die Reihenfolge der Bausteine der menschlichen Erbsubstanz ist praktisch entschlüsselt. Bei einigen Krebsarten wissen Wissenschaftler bereits, welche Gene wie verändert und welche Funktionen des Zellstoffwechsels betroffen sind. Krebsforscher wollen die Zusammenhänge auf molekularer Basis möglichst genau verstehen, um Aussagen über das Risiko zur Krebsausbildung und auch zum Krankheitsverlauf machen zu können.

Untersuchungen auf molekularer Basis können es ermöglichen, gezielt entsprechende Test-Kits zu entwickeln, so dass in erblich belasteten "Krebsfamilien" ein Krebsrisiko für ein bestimmtes Familienmitglied ausgeschlossen werden kann. Dazu bedarf es ausgefeilter diagnostischer Methoden und Verfahren, die immer mehr verfeinert werden. Sie werden in öffentlichen und privaten Instituten, aber auch in den Forschungslabors führender Pharmafirmen entwickelt.

Gezielter Angriff auf Tumorzellen

In den Verlauf einer Krebserkrankung kann an verschiedenen Stellen medikamentös eingegriffen werden. Eine Chemotherapie zielt auf sich teilende Krebszellen, beeinflusst aber auch massiv andere sich teilende Zellen.

Eine Substanz, die vornehmlich in Krebszellen zytotoxische Wirkung entfalten soll, ist Capecitabin (Xeloda®). Hierbei wurde 5-Fluorouracil (5-FU) so modifiziert, dass es die Passage des Magen-Darm-Kanals unbeschadet übersteht. In der Leber wird ein Teil des Moleküls abgespalten, und erst in der Tumorzelle wird durch Enzyme, die hier verstärkt vorkommen, eine weiteres Teil des Moleküls entfernt, bis schließlich das wirksame 5-FU an Ort und Stelle sein zerstörerisches Werk entfalten kann. Gesundes Gewebe bleibt somit weitgehend geschont.

Angriffspunkt Tyrosinkinasen

Eine weitere Möglichkeit sind Substanzen, die in die Angiogenese eingreifen. Sie sollen das Wachstum von Blutgefäßen im Tumorbereich verhindern. Und auch die Aktivierung der Apoptose ist ein Thema. Sie soll dazu führen, dass entartete Zellen den programmierten Zelltod sterben.

Schließlich geraten auch spezifische, auf Zielstrukturen gerichtete Therapien zunehmend in den Fokus des Forscherinteresses. So glaubt man, dass Tyrosinkinasen eine zentrale Rolle bei der Regulation von Wachstumsprozessen und der Ausbildung von Tumoren spielen. Diese Klasse von Enzymen aus dem Aminosäure-Stoffwechsel hat eine wichtige Funktion bei der intrazellulären Signalübertragung.

Die Blockade dieser Enzyme sollte ein übermäßiges Zellwachstum deutlich reduzieren. Die therapeutische Wirkung des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab (Herceptin®) erfolgt zum Beispiel auf diese Weise. Trastuzumab blockiert so genannte HER-2-Rezeptoren, die an der Zelloberfläche bestimmter Brustkrebszellen stark vermehrt vorkommen.

Diese HER-2-Rezeptoren sind membrangebundene Tyrosinkinasen, welche bei der Bildung von Wachstumsfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Durch die Blockade wird der intrazelluläre Signalweg erheblich beeinflusst; die Krebszelle erleidet den "programmierten Zelltod". Nicht nur Tyrosinkinasen, sondern eine ganze Reihe anderer Enzyme und Eiweißverbindungen des Stoffwechsels in Krebszellen sind im Visier der Forscher, immer mit dem Ziel, die Stoffwechselwege so zu beeinflussen, dass die Krebszelle abstirbt.

Immuntherapie - Therapie der Zukunft-

Therapieformen zur Stimulierung des Immunsystems werden schon seit längerem angewandt, ohne dass man genau verstanden hätte, wie sie im einzelnen funktionieren. Krebsforscher untersuchen Zytokine, wozu auch die Interferone gehören. Doch bislang konnte nur für zwei Zytokine eine eindeutige Wirksamkeit nachgewiesen werden und offenbar sprechen nur wenige Krebsformen auf eine Behandlung mit Zytokinen an. Hier ist noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten.

Die Verwendung von monoklonalen Antikörpern ist jedoch schon fester Bestandteil bei der Behandlung einiger Tumoren, beispielsweise bei bestimmten Formen von Brustkrebs (Trastuzumab) oder einer bestimmten Form des so genannten Non-Hodgkin-Lymphoms (Rituximab).

Bei den T-Zell-Therapien werden tumor- oder virusspezifische Peptide eingesetzt, gegen die das körpereigene Immunsystem spezielle Antikörper ausbildet. Dieser Ansatz würde quasi einer Immunisierung mit Hilfe eines "Impfstoffes" entsprechen. Man hofft, dadurch Krebszellen in Schach halten zu können. Allerdings steht die Forschung hier erst ganz am Anfang. Experten sehen in der Immuntherapie aber ein Potenzial, das zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.

Quelle

Roche Media Roundtable "Future Strategies in Cancer Care", München/Penzberg, 24. und 25. September 2001. Roche-Pressemitteilung vom 18. Oktober 2001.

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