Genschalter NF-kappaB

Wie Zellen DNA-Schäden reparieren

Berlin - 01.11.2010, 06:45 Uhr


Bei einer Schädigung des Erbguts entscheiden Reparaturenzyme und Genschalter über das weitere Schicksal der betroffenen Zellen. Forscher des Max-Delbrück-Centrums in Berlin-Buch zeigten

Die menschliche Erbsubstanz wird täglich durch UV-Strahlen, Chemikalien oder giftige Stoffwechselprodukte bedroht. Um bleibende Schäden der Erbsubstanz zu verhindern, verfügen menschliche Zellen über Kontrollsysteme, die DNA-Schäden innerhalb von Sekunden erkennen und schnell reparieren. Zusätzlich werden zwei gegensätzliche zelluläre Reaktionen ausgelöst, die über das Schicksal der betroffenen Zelle entscheiden. Zum einen können Zellen einen Prozess auslösen, der zu ihrem Absterben führt (programmierter Zelltod oder Apoptose), wenn die DNA-Reparatur nicht gelingt. Auf diese Weise wird verhindert, dass geschädigte DNA bei der Zellteilung an Tochterzellen weitergegeben wird. Andererseits wird der Genschalter NF-kappaB aktiviert, der ein Überlebensprogramm koordiniert und damit dem programmierten Zelltod entgegenwirkt. Letzteres schützt Zellen, die erfolgreich repariert werden konnten, davor, zerstört zu werden.

Aktiviert wird der Genschalter NF-kappaB zum einen durch den DNA-Schadenssensor PARP-1. Das Protein PARP-1 erkennt Schäden in Sekundenschnelle und bildet anschließend im Zellkern einen Signalkomplex aus mehreren Proteinen und weiteren Makromolekülen, der das Startsignal für die Auslösung des NF-kappaB-Signalweges gibt.

Jetzt wurde eine zweite, parallel verlaufende Signalkaskade nachgewiesen, die ebenfalls für die NF-kappaB-Aktivierung notwendig ist. Sie erfordert das Sensorprotein ATM, welches durch DNA-Schäden im Zellkern aktiviert wird, anschließend ins Zytoplasma wandert und dort die Bildung von spezifischen Proteinkomplexen auslöst. Nachfolgend werden Signalproteine, die für die NF-kappaB-Aktivierung essentiell sind, biochemisch verändert, zum Beispiel durch Anheftung von Phosphatgruppen oder des kleinen regulatorischen Proteins Ubiquitin. Durch diese Modifizierungen wird die Signalweiterleitung ermöglicht.

Die von PARP-1 und ATM gebildeten Signalkomplexe enthalten eine Reihe von Enzymen, die ihrerseits die biochemischen Veränderungen der Signalproteine katalysieren. Das koordinierte Zusammenspiel aller am Signalweg beteiligten Komponenten ist für die effiziente Signalübertragung essentiell. Nur wenn sowohl PARP-1 als auch ATM-abhängige Signalkaskaden aktiv sind, kann NF-kappaB angeschaltet werden.

Die Aktivierung des von NF-kappaB vermittelten Überlebensprogramms spielt auch für die Entwicklung und den Fortbestand von Tumorzellen eine wichtige Rolle. Sie könnte die Ursache dafür sein, dass bei der Behandlung von Tumorerkrankungen Chemo- und Strahlentherapie nicht anschlagen. Sollte sich diese Hypothese bestätigen, könnte die Entschlüsselung des NF-kappaB-Signalweges neue Ansätze für pharmakologische Weiterentwicklungen liefern und eine Verbesserung bestehender Tumor-Therapiekonzepte ermöglichen.

Quelle: Hinz, M., et al.: Molecular Cell 2010;40(1);63-74; Online-Publikation DOI:10.1016/j.molcel.2010.09.008.



Dr. Bettina Hellwig