Lymphome

Genverlust lässt Tumorzellen wachsen

Berlin - 13.08.2011, 09:17 Uhr


Berliner Wissenschaftlern ist es gelungen, einen spezifischen Genverlust bei einem menschlichen Lymphom nachzuweisen, dessen Entstehung bisher weitgehend unklar ist.

Sie untersuchten das sogenannte Sézary-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine aggressive Krebserkrankung aus der Gruppe der primären Hautlymphome (primär kutaner Lymphome). Die Ergebnisse der Studie liefern grundlegend neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung des Sézary-Syndroms und möglicherweise auch anderer menschlicher Lymphome.

Das bösartige Sézary-Syndrom ist durch die Vermehrung einer speziellen Art von weißen Blutkörperchen in der Haut der Patienten gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hautlymphomen zeigen Patienten mit Sézary-Syndrom schon zu Beginn der Erkrankung neben dem Hautbefall einen Befall des Blutes und der Lymphknoten durch die entarteten T-Zellen.

Die Forscher untersuchten hoch aufgereinigte Tumorzellen von Patienten mit Sézary-Syndrom mit Hilfe moderner und hochauflösender genetischer Verfahren (der Array Comparative Genomic Hybridization-Technik) auf bisher unbekannte genetische Veränderungen. Dabei identifizierten sie Bereiche im Erbgut dieser Tumorzellen, die bei vielen der untersuchten Patienten verloren gegangen sind. Eine detaillierte Analyse dieser Bereiche zeigte, dass eines der am häufigsten betroffenen Gene für einen sogenannten Transkriptionsfaktor kodiert. Transkriptionsfaktoren haben zentrale Funktionen bei der Regulation der zellulären Genaktivität.

Der teilweise Verlust des Gens für den Transkriptionsfaktor E2A scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen, denn dieses Gen ist normalerweise von wichtiger Bedeutung für die natürliche Lymphozyten-Entwicklung. Bei Mäusen führt ein Verlust dieses Gens zur Entstehung aggressiver T-Zell-Lymphome. Ein Genverlust in einer der verschiedenen humanen Lymphomklassen war bisher jedoch noch nicht gefunden worden.

Die Forscher identifizierten zudem mehrere E2A-regulierte Gene und Signalwege in den Tumorzellen, deren Deregulation jeweils für sich alleine schon ausreichen kann, damit sich ein Tumor entwickelt. Der Verlust von E2A beim Sézary-Syndrom hat eine entscheidende Bedeutung für das aggressive Verhalten der Tumorzellen, indem er zu einem schnelleren und unkontrollierten Wachstum der Zellen beiträgt. Damit gelang es das erste Mal, direkt nachzuweisen, dass E2A im Menschen die Funktion eines Tumorsuppressors besitzt.

Die Forscher hoffen, dass diese Erkenntnisse in Zukunft möglicherweise Grundlage für die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte sein könnten, um Patienten mit Sézary-Syndrom neue und wirksamere Therapien anbieten zu können.

Literatur: Steininger, A., et al.: J. Exp. Med. 2011, Online-Publikation doi:10.1084/jem.20101785.


Dr. Bettina Hellwig