NDR-Magazin „Markt“

Viel Lärm um eine unklare Botschaft

Hamburg - 10.08.2010, 15:18 Uhr


Der Beitrag des NDR-Fernsehmagazins „Markt“ am 9. August über Arzneimittelfälschungen wurde groß angekündigt. Doch in der Sendung wurden die verschiedensten Aspekte des Problems vermischt – Vorwürfe gegen Apotheker, Fälschungen aus

In der Anmoderation hieß es, dass nun auch der gute Ruf der Apotheker nicht mehr makellos sei. Es werde gegen deutsche Apotheker im Zusammenhang mit gefälschten Arzneimitteln ermittelt. Es wurde von Razzien in deutschen Apotheken berichtet. Dann folgten einige Schlaglichter aus der seit Jahren bekannten und schon vielfach in den Medien dargestellten „Holmsland-Affäre“. Dabei geht es um nicht in Deutschland zugelassene Zytostatika, die in deutschen Apotheken zu Zytostatika-Zubereitungen verarbeitet worden sein sollen. Dabei sollen die Apotheker allerdings die Preise der deutschen Originalware abgerechnet haben. Von 400 Zytostatika-herstellenden Apotheken sei mittlerweile etwa ein Viertel verdächtig, hieß es in dem Beitrag. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dazu laufen. Doch diese Vorwürfe sind schon lange bekannt.

Von Zollfahndern und der Gefahr aus dem Internet

Anschließend ging es um gefälschte Arzneimittel, die der Zoll an den deutschen Grenzen immer wieder sicherstellt. Als wirklich beachtliche Neuigkeit wurden Bilder eines Hinterzimmerlabors gezeigt, das in Hessen ausgehoben worden sein soll. Demnach würden mittlerweile sogar in Deutschland illegal unter unhygienischen Bedingungen Arzneimittel gefälscht. Dabei gehe es nicht mehr nur um typische Fälscherprodukte wie Potenz- und Muskelaufbaupräparate, sondern nun auch um Schmerzmittel. Dies sei in einem Hinterzimmerlabor im Bereich der Staatsanwaltschaft Hamburg erstmals festgestellt worden. Nun machten die Autoren des Beitrages deutlich, dass die größte Gefahr im Internet bei dubiosen Versendern lauert.

Apotheker kamen nicht zu Wort

Als weiterer Baustein des Beitrages wurde ein Arzt interviewt, der vor Schäden durch gefälschte Arzneimittel warnte. Dazu hieß es im Hintergrundkommentar, dass der Arzt bei seinen Verordnungen mittlerweile nicht mehr sicher sein könne, ob der Patient das richtige Produkt oder eine Fälschung erhält. Von Sicherheitsmaßnahmen in der legalen Vertriebskette war keine Rede. Zusammen mit der reißerischen Anmoderation der Sendung, in der es um deutsche Apotheker ging, mag mancher Zuschauer dies vielleicht sogar so gedeutet haben, dass solche Produkte auch in deutschen Apotheken auftauchen könnten. Das wurde zwar nicht behauptet, aber angesichts der unstrukturierten Darstellung erscheint ein solches Missverständnis leicht möglich. Vertreter des Großhandels oder der Apotheker kamen nicht zu Wort. Am Ende gab es nur einen Hinweis, dass an fälschungssicheren Verpackungen gearbeitet werde. 

Niedersachsens Apotheker fordern rigorose Aufklärung

In einer Pressemitteilung weist die Apothekerkammer Niedersachsen darauf hin, dass es sich bei den vom Sender als neu geschilderten Vorwürfen handelt um Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft seit dem Jahr 2007 ermittelt und jetzt Anklage erhoben hat.

In diesem Abrechnungsbetrug, so stellt die Kammer heraus, gehe es nicht um die Verwendung von illegalen Wirkstoffen, sondern um Arzneimittel mit fremdsprachlichen Verpackungen, die aufgrund der fehlenden deutschen Zulassungsnummer für den deutschen Markt nicht verkehrsfähig gewesen seien. Die Arzneimittel stammten überwiegend aus dem europäischen Ausland, wo sie legal im Handel, also zugelassen waren.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten aus Celle, Verden und Braunschweig vor, die Grundsubstanzen im Ausland günstig eingekauft und damit patientenindividuelle Krebsmedikamente hergestellt zu haben. Diese Zytostatika rechneten sie anschließend bei Krankenkassen zu dem in Deutschland üblichen Satz ab. „Sollten sich die Vorwürfe im Laufe des Verfahrens bestätigen, handelt es sich eindeutig um einen Abrechnungsbetrug zu Lasten der Krankenkassen, der geahndet werden muss. Den Apothekern drohen nun strafrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen, die bis hin zur Entziehung der Approbation reichen können,“ sagt Magdalene Linz, Präsidentin der Apotheker­kammer Niedersachen.

Die Apothekerkammer fügt hinzu, dass sie bei Revisionen entdeckte Verstöße, bei denen der Verdacht einer Straftat besteht, an die Staatsanwaltschaft abgeben müsse. So habe die Apothekerkammer auf die Vorwürfe im Jahr 2007 unverzüglich reagiert und alle zytostatikaherstellenden Apotheken in Niedersachsen überprüft. Dabei habe sie zwei Betrugsfälle aufgedeckt.

Siehe hierzu auch die Ankündigung zu diesem Beitrag.

Lesen Sie hierzu auch unseren Kommentar "Gebräu aus der Giftküche"

Den Link zur NDR-Sendung finden Sie hier.


Dr. Thomas Müller-Bohn