DAZ aktuell

Ermittlungen halten sich in Grenzen

Arzneimittelkriminalität in Baden-Württemberg

BERLIN (jz/ks). Nur wenige baden-württembergische Staatsanwaltschaften haben seit 2007 wegen gefälschter oder illegal in Umlauf gebrachter Arzneimittel ermittelt. Das erklärte Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) in ihrer Stellungnahme zu einem Antrag von sechs CDU-Landtagsabgeordneten. Diese hatten einen Bericht eingefordert, weil "die Einspeisung gefälschter Arzneimittel in den regulären Verkauf über Großhändler und Apotheken […] besorgniserregende Ausmaße" annehme.
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Gefälschte Arzneimittel am Haken? In Baden-Württembergermittlen die Staatsanwaltschaftennur in einer überschaubaren Zahlvon Fällen.

Die CDU-Politiker stützten sich auf Angaben von US-Behörden: Danach sei die Zahl eingespeister gefälschter Arzneimittel im Zeitraum 2000 bis 2006 um 800 Prozent gestiegen. Für Europa müsse wohl von vergleichbaren Zahlen ausgegangen werden, so die Abgeordneten. Sie wollten daher wissen, welche Erkenntnisse der Landesregierung zu Arzneimittelfälschungen und ihrem Ausmaß vorliegen. In ihrem Antrag fordern die CDU-Politiker zudem, "wirksame Maßnahmen zum Schutz der baden-württembergischen Bevölkerung zu ergreifen".

Die Antwort der Sozialministerin fiel wenig dramatisch aus: Bei den großen Staatsanwaltschaften Mannheim und Stuttgart seien in den letzten Jahren zwar mehrere Verfahren bearbeitet worden. Doch nur rund ein Verfahren pro Jahr weise einen größeren Umfang auf. In einem Ermittlungskomplex ging es z. B. um ohne inländische arzneimittelrechtliche Zulassung eingeführte Zytostatika. Die weiteren Verfahren betrafen nahezu ausschließlich Potenzmittel, Bräunungsmittel oder Schlankheitsmittel. "Die Mehrzahl der Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg war von 2007 bis heute nicht mit entsprechenden Ermittlungsverfahren befasst", schreibt Altpeter.

Überwachungsbehörden im Einsatz

Damit es gar nicht erst dazu kommt, dass Fälschungen in den legalen Vertriebsweg gelangen, werden Apotheken und Arzneimittelgroßhändler überwacht. Gemeldeten Verdachtsfällen werde bei der Aufgabenerledigung hohe Priorität beigemessen, so die Ministerin. Zudem würden Bezugsquellen und Vertriebswege stichprobenweise überprüft. Fälschungen bei Arzneimittelgroßhändlern oder in Apotheken seien allerdings ohne einen konkreten Hinweis oder Verdacht nicht zu erkennen, räumt Altpeter ein. Sie seien "vom Original praktisch nicht zu unterscheiden". Auch die Arzneimittelaufsichtsbehörden zögen mittlerweile routinemäßig Planproben von Arzneimitteln bei Großhändlern. "Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter eine Fälschung befindet, ist nahezu null", schreibt die Sozialministerin. Sofern ausschließlich Packungsfälschungen vorliegen, etwa weil Klinikpackungen in illegal nachgedruckte Apothekenverkaufspackungen umgepackt wurden, könne auch das nicht erkannt werden.

Insgesamt seien den zuständigen Überwachungsbehörden in Baden-Württemberg seit 2007 rund 20 Fälle von Arzneimittelfälschungen bekannt geworden. Zumeist habe es sich dabei um hochpreisige, verschreibungspflichtige Präparate gehandelt, die teilweise auch über den regulären Arzneimittelgroßhandel in Verkehr gebracht wurden.

Hauptschaden durch illegale Internet-Arzneimittel

Steigende Fallzahlen meldet Altpeter beim Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA). Dieses untersucht – unter anderem im Auftrag von Staatsanwaltschaften, dem Zoll und Lebensmittelüberwachungsbehörden – diverse Arten von Proben. Während hier bis zum Jahre 2008 jährlich circa 100 illegale Arznei- bzw. Dopingmittel zur Untersuchung eingereicht wurden, erhöhte sich diese Zahl bis 2011 auf 400 pro Jahr. Das Bundeskriminalamt habe außerdem klargestellt, so die Sozialministerin weiter, dass der Hauptschaden durch illegale Internet-Arzneimittel entstehe. Betroffen seien im Wesentlichen sogenannte "Lifestyle-Medikamente".

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist für die Jahre 2007 bis 2010 in Baden-Württemberg insgesamt sechs Ermittlungsfälle wegen des Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 a AMG) auf, die die Polizei an die Staatsanwaltschaft abgab. Allerdings fällt auf, dass die in der PKS verzeichnete Fallzahl der Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz insgesamt von 217 im Jahr 2007 auf 618 im Jahr 2010 anstieg.

Problem: Fälschungen schwer erkennbar

Bundesweite Ermittlungen zeigten, dass Arzneimittelfälschungen mittlerweile auch in der legalen Verteilerkette (Hersteller – Großhändler – Apotheke – Patient) zu finden sind, so Altpeter weiter. Grund dafür seien insbesondere die hohen Gewinnspannen. Erschwert würden die Ermittlungen dadurch, dass die teilweise sehr hochwertig imitierten Verpackungen sogar für die Hersteller selbst nicht ohne Weiteres zu erkennen seien. Zudem manipulierten die Täter Lieferdokumente für die Überwachungsbehörden. Dies erschwere die Feststellung der tatsächlichen Transportwege. Neben den typischen Schwierigkeiten, die der Vertrieb über das Internet mit sich bringe, wiesen solche Taten zudem oft einen Auslandsbezug auf – dann sei das Beschreiten des Rechtshilfewegs nötig.

QR-Code als Bekämpfungsmaßnahme

Eine "wirksame Barriere" gegen das Einbringen illegaler bzw. gefälschter Arzneimittel verspricht sich Altpeter von der Umsetzung der Vorgaben der EU-Fälschungsrichtlinie 2011/62 – dies soll in Deutschland bis 2013 gestaffelt geschehen. Zurzeit läuft in Deutschland das Gesetzgebungsverfahren für eine entsprechende Anpassung des Arzneimittelrechts. Die europäische Richtlinie sieht beispielsweise vor, dass Arzneimittelverpackungen künftig mit einem QR-2D-Matrix-Code als Sicherheitsmerkmal versehen sind. In enger Abstimmung zwischen Arzneimittelherstellern, Pharmagroßhändlern und Apotheken soll eine "end-to-end-Kontrolle" bei Arzneimitteln eingeführt werden, die es ermöglicht, anhand des Sicherheitscodes die abzugebenden Arzneimittel zu authentifizieren.

"Derzeit werden auf der EU-Ebene die erforderlichen ‚Delegated Acts‘ zur Konkretisierung der Vorgaben vorbereitet", berichtete Altpeter. In Deutschland haben sich die beteiligten Verbände im Projekt "securPharm" bereits zusammengefunden, um die technischen und finanziellen Vorgaben gemeinsam umzusetzen.



DAZ 2012, Nr. 16, S. 29

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