Arzneimittel-Ausgaben

Kassen wollen auf Kostenbremse treten

Berlin - 10.02.2010, 12:59 Uhr


Die gesetzlichen Kassen wollen bei patentgeschützten Arzneimitteln auf die Kostenbremse treten. Beim Treffen mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler präsentierten die Kassenvertreter nach DAZ.online-Informationen einen

Darin verlangen die gesetzlichen Krankenkassen, die Ausgabenentwicklung bis zum Jahr 2013 an die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BPI) anzukoppeln. Notwendig dafür sei eine Nullrunde für Ärzte. In 2009 und 2010 rechnen die Kassen sonst mit ca. fünf Milliarden Euro Mehrausgaben für Honorare. Der Reinertrag pro Praxisinhaber sei von 126.000 Euro im Jahr 2002 auf voraussichtlich 165.000 Euro in 2009 gestiegen, rechnen die Kassen Minister Rösler vor. Weiterhin fordern die Kassen eine strikte Begrenzung der Krankenhausausgaben.

Für patentgeschützte Arzneimittel schlagen die Kassen neben einer Strukturreform sofort wirksame Einsparmaßnahmen vor. Eine kurzfristige Senkung der Mehrwertsteuer wie in vielen andere europäischen Ländern von 19 auf 7 Prozent bringe Einsparungen von ca. 3,25 Milliarden Euro.

Wie bereits 2004 verlangen die Kassen eine Erhöhung des Herstellerabschlages für patentgeschützte, festbetragsfreie Arzneimittel von 6 auf 16 Prozent. Einsparvolumen: ca. eine Milliarde Euro.

Zur „Abschöpfung der Rabatte des Pharmagroßhandels an Apotheker“ schlagen die Kassen in ihrem gemeinsamen Forderungskatalog die Festsetzung eines fixen Großhandelszuschlags in der Arzneimittelpreisverordnung vor. Einsparvolumen: bis zu 500 Millionen Euro.

Mittelfristig halten die Kassen eine Strukturreform bei der Preisbildung für patentgeschützte Arzneimittel für erforderlich. Das „Preisdiktat der Industrie“ müsse beendet und durch einen Preisfindungsmechanismus ersetzt werden, der über wettbewerbliche Anreizmechanismen marktgerechte Preise finde, ohne den Innovationsanreiz für die Industrie und den Innovationszugang für die Versicherten zu behindern, heißt es wörtlich im gemeinsamen Papier der Kassen. Einsparvolumen: zwei Milliarden Euro.

Erreicht werden soll das durch eine schnelle, vorläufige Kosten-Nutzen-Bewertung als „Zugangstor“ zur Erstattung in der GKV. Dazu sollen neue Arzneimittel in zwei Kategorien eingeteilt werden: Arzneimittel mit nachgewiesenem medizinisch-therapeutischen Zusatznutzen und Medikamente, bei denen der Zusatznutzen nicht oder vorläufig nicht erbracht ist, d. h., es bestehen vergleichbare Behandlungsalternativen.

Im ersten Fall soll die freie Preisbildung eingegrenzt werden durch bestehende ausländische Referenzpreise und unter Berücksichtigung von Mengeneffekten (Größe der mit diesem Medikament zu therapierenden Gruppe von Kranken) erfolgen. Die Preisbildung der zweiten Gruppe soll sich orientieren an den Preisen der vorhandenen Therapiealternativen. Von diesen Preisen könne aber im Wege der Preisverhandlung mit einzelnen Krankenkassen abgewichen werden.

Nach Abschluss dieser vorläufigen Preisbildung (Stufe 1 und 2) soll eine ausführliche Kosten-Nutzen-Bewertung erfolgen, die innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Zeitraums abgeschlossen werden muss. Die Kassen schlagen als Frist zwei Jahre vor. Anhand der Ergebnisse werden Einordnung und gebildeter Preis überprüft und gegebenenfalls modifiziert.

Bei Scheitern des Verfahrens aufgrund unzureichender Vorlage aller vorhandenen Studiendaten soll der Ausschluss aus der Kassenversorgung möglich sein. Zudem sollen alle nach diesem Verfahren gebildeten Preise regelmäßig mit dem internationalen Preisen verglichen und angepasst werden, wenn in bedeutenden Referenzmärkten niedrigere Preise festgestellt werden.


Lothar Klein


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