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Impfnebenwirkungen in Zahlen

PEI veröffentlicht neuen Sicherheitsbericht

mab | Die Durchimpfung in Deutschland hat an Fahrt aufgenommen. Bis zum 19. Juli 2021 waren insgesamt 38.547.915 Personen (46,4% der Gesamt­bevölkerung) in Deutschland vollständig immunisiert. Mit steigenden Impfzahlen werden auch die Sicherheitsdaten zu den COVID-19-Impfstoffen immer zuverlässiger. Zuletzt hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) seinen Sicherheitsbericht am 15. Juli aktualisiert – enthalten sind alle bis zum 30. Juni 2021 gemeldeten Verdachtsmeldungen für unerwünschte Ereignisse nach einer COVID-19-Immunisierung.

Für den Bericht wurden alle Meldungen zu den vier in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffen (Comirnaty® von Biontech/Pfizer, Spikevax von Moderna, Vaxzevria® von AstraZeneca, COVID-19-Vakzine von Janssen-Cilag GmbH) ausgewertet. Bis zum 30. Juni waren dem Bericht nach 106.835 Verdachtsmeldungen von Impfnebenwirkungen bei knapp 75 Millionen Impfdosen gemeldet worden (s. Tab.). Dabei kann eine Verdachtsmeldung laut PEI mehrere Ereignisse beinhalten (z. B. Fieber plus Kopfschmerzen plus Lokalreaktion).Personen, die aufgrund der Verdachtsmeldung in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, sowie medizinisch bedeutsame Meldungen gelten als schwerwiegende Ereignisse.

Tab.: Verimpfte Dosen in Deutschland einschließlich gemeldeter Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen in Deutschland im Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis 30. Juni 2021
verimpfte Dosen
gemeldete Verdachtsfälle
schwerwiegende Ereignisse (Anteil % der Gesamtmeldungen)
Melderate pro 1000 Impfungen
Melderate für schwerwiegende Ereignisse pro 1000 Impfungen
Comirnaty®
54.898.640
49.735
5781 (11,6%)
0,9
0,1
Spikevax
6.471.052
14.153
629 (4,4%)
2,2
0,1
Vaxzevria®
11.570.155
39.398
3899 (9,9 %)
3,4
0,3
COVID-19-Impfstoff Janssen
1.931.655
3061
125 (4,1%)
1,6
0,1
Impfstoff unbekannt
488
144 (29,5%)
Gesamt
74.871.502
106.835
10.578 (9,9 %)
1,4
0,1

Myokarditis und Perikarditis

Nachdem seltene Fälle einer Myokarditis oder Perikarditis nach Impfungen mit mRNA-Impfstoffen in Europa bekannt geworden waren, hatte das Pharmakovigilanzkomitee PRAC der europäischen Arzneimittelbehörde EMA vor wenigen Wochen eine entsprechende Änderung der Fach- und Gebrauchsinformation angeordnet. Auch in Deutschland warnt inzwischen ein Rote-Hand-Brief vor den beiden seltenen Ereignissen nach Impfungen mit Comirnaty® oder Spikevax. Vor allem junge Männer sind von diesen Nebenwirkungen betroffen, die meist zwei Wochen nach der zweiten Dosis auftreten. In Deutschland sind laut Bericht des PEI bis Ende Juni insgesamt 173 Fälle nach 54 Millionen verimpften Comirnaty®-Dosen aufgetreten. Unter der mRNA-Vakzine von Moderna belief sich die Zahl der gemeldeten Fälle auf 31 bei 6,4 Millionen verimpften Dosen. Laut Rote-Hand-Brief sollen Patienten, die nach einer Immunisierung mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe Brustschmerzen, Kurzatmigkeit oder Palpitationen verspüren, umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Sowohl das PRAC als auch das PEI kommen zu dem Schluss, dass nach wie vor der Nutzen einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff das Risiko überwiegt.

TTS – inzwischen auch häufig Männer betroffen

Des Weiteren geht der Sicherheitsbericht auf das Risiko eines Thrombosen-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) ein, das auch vor wenigen Tagen zu einem Rote-Hand-Brief zur Vakzine von Janssen-Cilag geführt hat. Das Thrombosen-mit-Thrombozytopenie-Syndrom ist laut PEI eine sehr seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung, die meist innerhalb von drei Wochen nach der Immunisierung auftritt. Betroffene erleiden venöse und/oder arterielle Thrombosen, die von einer verminderten Thrombozytenzahl (< 150 G/l) begleitet wird, teilweise treten Blutungen auf. Das PEI weist darauf hin, dass auch ein alleiniges Auftreten einer Thrombose bzw. Thrombozytopenie wenige Wochen nach der Immunisierung auf ein frühes Stadium eines TTS hindeuten können. Betroffene Patienten sollten wiederholt untersucht werden. Waren zu Beginn der Impfkampagne noch vermehrt Frauen von der Nebenwirkung betroffen, so hat sich die Geschlechterverteilung laut PEI inzwischen weitestgehend angeglichen: Bis zum 30. Juni waren 42% der TTS-Patienten männlichen Geschlechts. Die Nebenwirkung tritt vor allem nach Immunisierung mit Vektorimpfstoffen auf: So wurden in Deutschland unter Vaxzevria® 157 Fälle gemeldet, unter der Johnson & Johnson-Vakzine waren es sechs. Zwar sind auch einzelne Fälle unter mRNA-Impfstoffen (zwölf unter Comirnaty® und einer unter Moderna) bekannt, jedoch war laut PEI aufgrund von Begleiterkrankungen und Medikation in diesen Fällen kein direkter Zusammenhang mit den Impfstoffen erkenntlich. Das Risiko, ein TTS zu erleiden, sollte immer im Verhältnis zum Risiko einer schwerwiegenden COVID-19-Erkrankung gesehen werden. So weist das PEI explizit darauf hin, dass mit zunehmenden Alter und steigenden Infektionszahlen der Nutzen der Impfstoffe das Risiko für ein TTS überwiegt.

Abb.: Häufig gemeldete unerwünschte Reaktionen nach Impfung mit den vier in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffen.

Kapillarlecksyndrom und Guillain-Barré-Syndrom

Neben dem möglichen Risiko ein TTS zu erleiden, gibt der aktuelle Rote-Hand-Brief der Johnson & Johnson-Vakzine auch eine neue Kontraindikation bekannt. Nachdem Fälle eines Kapillarlecksyndroms nach der Immunisierung mit dem Vektorimpfstoff aufgetreten waren, ist die Vakzine künftig bei Personen mit dieser Anamnese kontraindiziert. Die sehr seltene Nebenwirkung tritt in etwa einem Fall pro sechs Millionen verimpfter Dosen auf und äußert sich durch ein rasches Anschwellen der Arme und Beine, plötzliche Gewichtszunahme, Hypotonie sowie Hämokonzentration und Hypoalbuminämie.

Nachdem nach Impfungen 91 Fälle eines Guillain-Barré-Syndroms registriert worden waren und damit mehr Fälle als zufällig zu erwarten waren, sieht das PEI auch in diesem Punkt ein Risikosignal. Die meisten Fälle traten dem Bericht zufolge nach Vaxzevria® (54) und Comirnaty® (28) auf. Mit dieser sehr seltenen Nebenwirkung ist etwa 14 Tage nach der Immunisierung zu rechnen. Sie ist charakterisiert durch eine akute Entzündung des peripheren Nervensystems, welche zu einer aufsteigenden Lähmung führt. Die Beschwerden sind meist reversibel, in einzelnen Fällen können aber auch bleibende Schäden sowie Tod die Folge sein. Daten für eine alters- und geschlechtsspezifische Analyse sollen nun gesammelt werden, damit das PEI das Risiko eines Guillain-Barré-Syndroms besser validieren kann.

Meldungen zu Zyklusstörungen

Erstmals hat das PEI unter dem Punkt Blutungen auch Meldungen zu Zyklusstörungen in seinen Bericht aufgenommen. Eingeschlossen wurden unter anderem Meldungen zu starken Menstruationsblutungen, vaginalen Blutungen, Zwischenblutungen, aber auch zur Dysmenorrhö und zu postmenopausalen Blutungen. Dem Bericht zufolge traten diese vor allem nach der Immunisierung mit Comirnaty® (45 Meldungen) sowie Vaxzevria® (86 Meldungen) auf und betrafen vor allem Frauen zwischen 30 und 49 Jahren. Unter Berücksichtigung der Impfquote sieht das PEI aktuell in diesem Punkt kein Risikosignal. |

Literatur

COVID-19-Impfdashboard, Informationen des Bundesgesundheitsministeriums, https://impfdashboard.de/, Abruf am 20. Juli 2021

Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15. Juli 2021

COVID-19 Vaccine Janssen: Kontraindikation bei Personen mit vorherigem Kapillarlecksyndrom (Capillary Leak Syndrome, CLS) und aktuelle Informationen zum Thrombose-mit-Thrombozytopenie Syndrom, Rote-Hand-Brief der Janssen-Cilag GmbH, 19. Juli 2021

Rote-Hand-Brief der Biontech Manufacturing GmbH und Moderna Biotech Spain, S.L, 19. Juli 2021

 

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