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Reformiertes Beitragssystem in Nordrhein - nach 37 Jahren Stillstand

Zwei Drittel der Apotheken sollen trotz Inflationsausgleich sogar finanziell entlastet werden

cm/eda | Bei ihrer Kammerversammlung in Neuss stimmten die Delegierten der Apothekerkammer Nordrhein am 18. November gleich einem ganzen Strauß an zukunftsweisenden Beschlüssen zu. Mit dabei: Eine grundlegende Reform der Kammerbeiträge. Ziel ist es, vor allem kleine Apotheken finanziell zu entlasten.
Foto: AK Nordrhein/Müller-Bringmann

Gemäß Dr. Armin Hoffmann soll dieBeitragsreform für kleinere Betriebe Erleichterung bringen.

Dr. Armin Hoffmann ist mehr als ­zufrieden. „Wir haben heute einen großen Schritt in Richtung Zukunft gemacht“, sagte der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein im Anschluss an die Delegiertenversammlung, die am 18. November 2020 als Präsenzveranstaltung in Neuss stattfand, im Gespräch mit DAZ.online.

Zuvor hatten die anwesenden Delegierten gleich mehreren Satzungs­änderungen zugestimmt. Eine davon ermöglicht es der Kammer, ihre Versammlungen künftig auch digital abzuhalten – denn bis dato war abgesehen von der Aufzeichnung für das Protokoll jeglicher Ton- und Bildmitschnitt untersagt. Damit wappnet sich die Kammer für das Frühjahr. Denn sollte die Coronavirus-Pandemie dann immer noch wüten, könnten die Apothekerinnen und Apotheker auf das Internet ausweichen.

Zudem sollen Zytostatika-herstellende Apotheken in ganz Nordrhein-West­falen künftig ein Zertifikat beantragen können, in dem die Kammer die Plausibilität des Warenflusses bescheinigt (siehe auch Seite 104 in dieser DAZ). Eine erneute Prüfung durch den Amtsapotheker entfällt bei Vorliegen eines entsprechenden Testats. Als Kostenpunkt für die Prüfung und die Bescheinigung veranschlagen Nordrhein und Westfalen-Lippe rund 400 Euro, die Inanspruchnahme ist freiwillig. Die Delegierten in West­falen-Lippe hatten bereits vergangene Woche über das Konzept beraten.

Hintergrund sind die Machenschaften des Apothekers Peter Stadtmann, die als Bottroper Zyto-Skandal in die Annalen der Pharmaziegeschichte eingehen werden. Dieser Vorfall hatte die Schwesterkammern gezwungen, in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium Konzepte zu erstellen, mit deren Hilfe sich die Qualität in den Zyto-Betrieben sichern lässt. Das Ergebnis stimmt Hoffmann und die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, positiv für die Zukunft. „Damit holen wir uns als Kammer ein Stück weit die Hoheit über eine unserer Kernkompetenzen, die Herstellung von Arzneimitteln, zurück“, sagte Hoffmann gegenüber DAZ.online.

Beitragsbemessungsgrenze fällt, Freibetrag kommt

Ein in Neuss mit Spannung erwarteter Punkt auf der Tagesordnung war die Reform der Mitgliedsbeiträge. Nach rekordverdächtigen 37 Jahren fasst die Kammer Nordrhein diese nun erstmals an. Konkret sollen die Beiträge der in Vollzeit angestellten Apothekerinnen und Apotheker von 8 auf 14 Euro monatlich steigen. Was sich im ersten Moment nach einem ordentlichen Aufschlag anhört, ergibt sich Hoffmann zufolge vollständig aus dem Inflationsausgleich.

Der Reformcharakter der Beitrags­anpassung zeigt sich insbesondere bei den Inhabern: Ihre Beiträge steigen auf dem Papier von 0,099 Prozent des Jahresnettoumsatzes auf einen Satz von 0,107 Prozent. Gleichzeitig kippt die Kammer jedoch die bisher gültige Beitragsbemessungsgrenze von 12 Millionen Euro und führt einen Freibetrag von 200.000 Euro ein. Das Ergebnis: Vor allem kleine Apotheken mit vergleichsweise geringem Jahresnettoumsatz profitieren sogar von der Reform. Rund zwei Drittel der Betriebe im Kammergebiet werden Hoffmann zufolge dadurch finanziell entlastet. Höhere Beiträge als bisher resultieren für große, umsatzstarke Apotheken.

Auch wenn man der Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt offenbar mit einer gewissen Anspannung entgegengesehen hatte, blieben kontroverse Debatten aus. Bedenken, dass eine Beitragssteigerung für AvP-Apotheken zur besonderen Belastung werden könnte, zerstreute Hoffmann. Die betroffenen Kollegen können demnach ganz unbürokratisch eine Stundung ihrer Beiträge beantragen. Nach einigen wenigen Wortmeldungen gaben die Delegierten grünes Licht für die Reform – ganz ohne Gegenstimme. Lediglich neun Enthaltungen waren zu verzeichnen. „Wir haben alles sehr gewissenhaft vorbereitet“, kommentierte Hoffmann die Abstimmung gegenüber DAZ.online. Seine Vizepräsidentin Kathrin Hollingshaus und er seien mit dem Ziel angetreten, Erleichterungen vor allem auch für kleine Betriebe zu schaffen. Die Beitragsreform sei ein großer Schritt in diese Richtung, so der Präsident.

Foto: AK Nordrhein/Müller-Bringmann

Präsenzveranstaltung mit viel Raum 84 Teilnehmer im 1400 m² großen Saal ­eines Tagungshotels in Neussbei der Delegiertenversammlung der AK Nordrhein.

Wohin fließt das Geld?

Wohin fließen die Gelder der Mitglieder eigentlich? Hoffmann nannte in der Versammlung zwei Kostenpunkte, die in Nordrhein im Vergleich zu anderen Kammern vermutlich relativ ausgeprägt sind: Öffentlichkeitsarbeit und Recht. Er erinnerte zum Beispiel an eine Plakataktion der Kammer sowie eine Anzeigenkampagne in der „Bild“-Zeitung. Beide Initiativen zielten darauf ab, den hohen Stellenwert der Apotheken in der Gesundheitsversorgung ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken und die Leistungen der Kollegen öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen.

Aktive Rechtsabteilung

Darüber hinaus ist die Kammer Nordrhein im juristischen Bereich besonders aktiv. Bedingt durch ihre unmittelbare Nähe zu den Niederlanden und damit auch den Niederlassungen von Versandhändlern wie DocMorris und Shop Apotheke hat es sich die Rechtsabteilung auf die Fahnen geschrieben, der europäischen Konkurrenz Einhalt zu gebieten – oft mit großem Erfolg. Zuletzt hatte das Team um Kammerjustiziarin Bettina Mecking erwirkt, dass Shop Apotheke nicht mehr mit dem Slogan „Die beste Online-Apotheke Deutschlands“ werben darf. Eine Abmahnung hatte sich das Unternehmen eingehandelt, weil es Werbeaufsteller in Arzt­praxen platziert hatte. Zudem geht die Abteilung gegen fragwürdige Reklame von Telemedizinanbietern wie gospring und doctorabc vor.

Boni-Verbot im Sozialrecht – ein Stolperstein?

Ob das Rx-Boni-Verbot im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz gut aufgehoben ist, daran hat Mecking jedoch ihre Zweifel. Es bleibe abzuwarten, ob Wettbewerbsrechtler sich diesen Passus zu eigen machen werden, sagte sie. Denn nur dann sei die Kammer Nordrhein bei Verstößen klageberechtigt. Andernfalls müssten die Krankenkassen gegen entsprechendes Fehlverhalten vorgehen – und ob sie das tun würden, sei fraglich. |

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