Arzneimittel und Therapie

Epileptiker profitieren von Cenobamat

Neues Add-On-Antikonvulsivum zur Zulassung vorgeschlagen

Ende November 2019 wurde in den USA Cenobamat zugelassen. Die Wirksamkeit als Add-on zu anderen Antikonvulsiva ist bewiesen. Damit steht für Patienten, die trotz Medikamenten immer noch unter Anfällen leiden, bald eine sichere Alternative zur Verfügung. Im März 2020 wurde die Zulassung bei der EMA beantragt. Spätestens jetzt sollte man sich Cenobamat einmal genauer ansehen.

Das neue Antikonvulsivum Cenobamat erzielte in den Phase-III-Studien gute Ergebnisse. Eingesetzt als Begleittherapie reduzierte es die Anfälle bei erwachsenen Patienten mit fokaler Epilepsie um ca. 56% in einer Dosierung von 200 mg pro Tag [1, 2]. Das ist verglichen mit anderen Antikonvulsiva bemerkenswert. Cenobamat verfügt über einen doppelten komplementären Wirkmechanismus mit großem klinischem Potenzial: Zum einen wirkt es als selektiver atypischer Natriumkanalblocker hemmend an exzitatorischen Synapsen. Zum anderen wirkt Cenobamat präsynaptisch und verstärkt die inhibitorische Wirkung von γ-Aminobuttersäure (GABA), indem es die Freisetzung von GABA moduliert. Zugelassen ist Cenobamat(Xcopri®, SK Life Science) in den USA als Zusatztherapeutikum bei Erwachsenen mit fokaler Epilepsie, die ein bis drei weitere Antikonvulsiva einnehmen [1].

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Zu Beginn der griechischen Antike galt die Epilepsie als eine „heilige Krankheit“, Betroffene waren „von der göttlichen Macht besessen“.

Deutlich weniger Anfälle

In der Mitte Mai veröffentlichten Phase-III-Studie zeigten Chung et al., dass Cenobamat als Add-on-Therapeutikum die Anfälle bei Patienten mit unkontrollierter fokaler Epilepsie, die ein bis drei Antiepileptika einnahmen, signifikant reduzierte. In der doppelt verblindeten, randomisierten, placebokontrollierten Studie wurden 222 Patienten eingeschlossen. In der zwölfwöchigen Behandlungsphase erhielten 113 Patienten Cenobamat (200 mg/Tag) und 109 bekamen Placebo. Zu Studienbeginn betrug die durchschnittliche Anfallshäufigkeit der Studienteilnehmer 6,5 in 28 Tagen. Im Vergleich zu Placebo bewirkte Cenobamat eine deutlich stärkere Reduktion der An­fälle (55,6% vs. 21,5%; p < 0,0001). Die Ansprechrate (≥ 50% Reduktion der Anfallshäufigkeit) betrug 50,4% bei Cenobamat und 22,2% bei Placebo (p < 0,0001). Fokussierte Anfälle mit motorischer Komponente, Bewusstseins­störungen und fokale bis zu bilaterale tonisch-klonische Anfälle wurden durch Cenobamat ebenfalls signifikant reduziert. Während der Erhaltungsphase waren 28,3% der Cenobamat-­Patienten (Placebo 8,8%) anfallsfrei [1].

Kaum DRESS-Fälle

Kurz darauf erschien zusätzlich in der Zeitschrift Epilepsia eine Interimsanalyse der noch laufenden Phase-III-Sicherheitsstudie. Die Studie sollte die Sicherheit von Cenobamat auch auf lange Sicht untersuchen. Angestoßen wurde dies, weil während der Entwicklung von Cenobamat in frühen klinischen Studien drei Fälle von DRESS auftraten (zu Deutsch: Arzneimittel­exanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen). Bei DRESS handelt es sich um eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung, bei der es zu Hautausschlag, Fieber und einem Anstieg der Leberwerte kommt. Sie verläuft in etwa zehn Prozent der Fälle tödlich [3]. Um die DRESS-Rate bei Cenobamat zu mindern, wurde von Sperling et al. ein „start-low, go-slow“-Ansatz untersucht. Darüber hinaus soll die Langzeitsicherheit von Cenobamat überprüft werden. Auch sollte eine mögliche Lösung für die beobachtete CYP2C19-Interaktion zwischen Cenobamat (CYP2C19-Inhibitor) und Phenytoin bzw. Phenobarbital gefunden werden. In der offenen multizentrischen Studie von Sperling et al. wurde bei 1339 Patienten im Alter zwischen 18 und 70 Jahren (Ø 39,7 Jahre), die trotz der Einnahme von ein bis drei weiteren Antikonvulsiva unter unkontrollierten fokalen Anfällen litten, Cenobamat in einer zwölfwöchigen Titrationsphase sehr langsam aufdosiert – langsamer als in den vorangegangenen Studien. Mit einer Startdosis von 12,5 mg pro Tag wurde die Dosis alle zwei Wochen auf 25, 50, 100, 150 und 200 mg pro Tag erhöht. In der sich anschließenden zwölfmonatigen Erhaltungsphase konnte eine zusätzliche zweiwöchentliche Erhöhung um 50 mg pro Tag auf die Maximaldosis von 400 mg pro Tag erfolgen. Das Konzept ging auf: Nach sechs Monaten Behandlung wurden bei einer Retentionsrate von 83% keine neuen Fälle von DRESS gemeldet. Zwar läuft die Studie noch, aber da DRESS in der Regel innerhalb der ersten zwölf Wochen eintritt, sind die Aussichten überaus positiv [4].

Spezielle Dosierungsanleitung

Für Patienten, die bereits gut mit Phenytoin bzw. Phenobarbital eingestellt sind, musste eine spezielle Dosierungsanleitung für Cenobamat verfasst werden. In der Sicherheitsstudie konnten die Phenytoin- und Phenobarbital-Dosierungen bei Betroffenen während der Titrationsphase periodisch um 25 bis 33 Prozent nach unten angepasst werden, basierend auf dem klinischen Zustand und den Plasmaspiegeln des Patienten. Im Mittel stiegen die Phenytoin-Plasmaspiegel bis zur vierten Woche leicht an, was darauf hinweist, dass die Wechsel­wirkung relativ früh während der Cenobamat-Aufdosierung auftreten kann. Am Ende der Titrationsphase waren die mittleren Plasmaspiegel von Phenytoin und Phenobarbital im Allgemeinen mit den Ausgangswerten vergleichbar, was darauf hindeutet, dass die periodischen Dosisreduktionen wirksam waren [4].

Auch als Monotherapeutikum?

Wie viel mehr Potenzial in Cenobamat steckt, wird nun in weiteren Studien getestet. Man untersucht, ob es sich auch als Monotherapeutikum und bei generalisierter Epilepsie eignet. Weiter bleibt abzuwarten, wie das CHMP (Commitee for Human Medicinal Products) der EMA über den Zulassungsantrag entscheiden wird und ab wann das Schweizer Biotech-Unternehmen Arvelle Therapeutics mit der Vermarktung und dem Vertrieb des neuen Antikonvulsivums in Europa beginnen kann. Mark Altmeyer, Präsident und CEO von Arvelle Therapeutics, erklärte in der dazu veröffentlichten Pressemitteilung vom März 2020, dass der Hersteller eng mit der EMA zusammenarbeite, um Cenobamat den Patienten in Europa so schnell wie möglich zugänglich zu machen [5].

Die Entwicklung neuer Antikonvulsiva ist in den letzten Jahren etwas zum Erliegen gekommen. Waren es in den letzten 25 Jahren noch fast 20 neue Hoffnungsträger, die auf den Markt strömten, wirkt die Pipeline der Epilepsieforschung wie leergefegt. Die neuen Antikonvulsiva bergen insgesamt ein besseres Verträglichkeitsprofil, doch zeigen sich hinsichtlich der Raten von Anfallsfreiheit keine großen Fortschritte. Ein Drittel der Epilepsiepatienten leidet auch unter medikamentöser Therapie mit Antikonvulsiva weiterhin unter epileptischen Anfällen. Mehrere Antikonvulsiva miteinander zu kombinieren, ist Usus. Aber es gilt auch, je mehr Antikonvulsiva eingenommen werden, desto geringer die Chance, tatsächlich anfallsfrei zu leben [6, 7]. Ein Dilemma. Für diese Patienten mit unkontrollierter Epilepsie könnte mit Cenobamat nun ein guter neuer Weg zur Verfügung stehen. |

Literatur

[1] Chung SS et al. Randomized phase II study of adjunctive cenobamate in patients with uncontrolled focal seizures. Neurology, 2020,94(22):e2311-e2322

[2] Therapeutics A., Ergebnisse einer randomisierten Studie, die zeigen, dass Cenobamat als Zusatztherapie die Anfallskontrolle bei Erwachsenen mit unkontrollierten fokalen Anfällen signifikant verbessert, Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Neurology 2020

[3] Walsh SA and D. Creamer, Drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms (DRESS): a clinical update and review of current thinking. Clin Exp Dermatol 2011,36(1):6-11

[4] Sperling MR et al., Cenobamate (YKP3089) as adjunctive treatment for uncontrolled focal seizures in a large, phase 3, multicenter, open-label safety study. Epilepsia, 2020

[5] Therapeutics, A., Arvelle Announces European Medicines Agency Acceptance of the Marketing Authorization Application (MAA) for Cenobamate. 2020

[6] Chen Z et al. Treatment outcomes in patients with newly diagnosed epilepsy treated with established and new antiepileptic drugs: a 30-year longitudinal cohort study. 2018;75(3):279-286

[7] Rüegg S. Zukünftige Antiepileptika. Epileptologie 2017;34:87-99

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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