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DPhG: Epilepsie – Anfälle wirksam verhindern

Im Rahmen des Fortbildungsprogramms der DPhG-Landesgruppe Berlin-Brandenburg fand am 19. Juni 2003 in Berlin ein Vortrag von Dr. Stefan Stodieck zum Thema "Epilepsie Ų neue Pharmaka und Therapiemöglichkeiten" statt.

Der am Epilepsiezentrum Hamburg tätige Referent betonte, dass es die Epilepsie eigentlich nicht gibt. Vielmehr werden unter dem Begriff verschiedene Syndrome mit unterschiedlicher genetischer Ursache, unterschiedlicher Ätiologie sowie verschiedenen Anfallsformen zusammenge- fasst.

Fokale und generalisierte Anfälle

Grundsätzlich teilt man epileptische Anfälle in zwei Formen ein: die fokalen (partiellen) und die generalisierten Anfälle. Fokale Anfälle gehen von einem Herd aus und bleiben auf eine Hirnhälfte begrenzt. Das Bewusstsein ist nur bei den komplex fokalen, nicht jedoch bei den einfach fokalen Anfällen beeinträchtigt.

Generalisierte Anfälle dagegen betreffen die gesamte Hirnrinde. Die am häufigsten auftretenden Symptome sind tonisch-klonische Muskelkrämpfe ("Grand mal") und Absencen (sekundenlange Bewusstseinsstörungen, "Petit mal").

Die Ursachen für Epilepsien sind sehr vielfältig. Meist lösen initiale Ereignisse wie Traumata, Ischämien, Tumoren oder Vergiftungen neuronale Schädigungen aus, die zu einer abnormen neuronalen Reorganisation führen. Erst nach einer Latenzzeit von Monaten bis Jahren kommt es zu spontanen Anfällen, die wiederum neuronale Schäden bewirken. So entsteht ein regelrechter Teufelskreis, der medikamentös durchbrochen werden muss.

Breites Spektrum von Arzneistoffen

Der Referent wies darauf hin, dass die heute zugelassenen so genannten Antiepileptika eigentlich Antikonvulsiva sind, da sie die Entstehung einer Epilepsie letztendlich nicht verhindern können. Es ist jedoch eine symptomatische Therapie möglich, die Ausbildung der Anfälle kann bei den meisten Patienten weitgehend unterdrückt werden.

Substanzen wie Phenytoin (z. B. Epanutin®), Carbamazepin (z. B. Tegretal®), Oxcarbazepin (Trileptal®) und Lamotrigin (Lamictal®) entfalten ihre Wirkung hauptsächlich über eine Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle. Dadurch wird die Entstehung repetitiver Entladungen unterdrückt.

Phenobarbital (z. B. Lepinal®), Vigabatrin (Sabril®), Tiagabin (Gabitril®) und die Benzodiazepine (Diazepam, Clonazepam) verstärken die Wirkung von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), einem inhibitorischen Neurotransmitter.

Die Wirkung von Vigabatrin kommt dabei durch eine irreversible Hemmung des abbauenden Enzyms GABA-Transaminase, die von Tiagabin durch eine selektive GABA-Transport-Hemmung zustande. Ethosuximid (z. B. Suxilep®) wirkt durch die Hemmung spezieller Calciumkanäle.

Die Wirkungen von Valproinsäure (z. B. Ergenyl®), Gabapentin (Neurontin®), Felbamat (Taloxa®) und Topiramat (Topamax®) beruhen auf verschiedenen Mechanismen, auch die Hemmung des exzitatorischen Neurotransmitters Glutamat spielt dabei eine Rolle.

Bei einigen Substanzen, so auch dem relativ neu zugelassenen, hochwirksamen Levetiracetam (Keppra®), ist der genaue Wirkmechanismus noch nicht bekannt.

Optimales Medikament finden

Der Kliniker steht vor dem Problem, aus der Vielzahl der inzwischen zugelassenen Substanzen den für den jeweiligen Patienten optimalen Arzneistoff auszuwählen. Bei seiner Entscheidung muss er vor allem den Anfallstyp, aber auch Begleiterkrankungen, Geschlecht, Alter und psychosoziale Faktoren berücksichtigen. Zunächst wird eine Monotherapie eingeleitet, einige Substanzen lassen sich auch gut kombinieren.

Die Valproinsäure bezeichnete Stodieck als "Breitband-Antikonvulsivum", das Mittel der Wahl bei generalisierten Anfällen. Als unerwünschte Wirkungen treten jedoch Gewichtszunahme und teratogene Effekte auf, weshalb die Substanz bei Frauen mit Kinderwunsch nicht eingesetzt wird.

Lamotrigin dagegen ist bei jungen Frauen das Mittel der ersten Wahl, da es eine hohe Sicherheit in der Schwangerschaft bietet. Ein Problem bei dieser Substanz ist – wie auch bei Carbamazepin – das so genannte "Antiepileptika-Exanthem", eine toxische Arzneimittelreaktion, die in den ersten acht Wochen nach Exposition auftreten kann und nach Absetzen der Substanz verschwindet. Die Aufdosierung muss also sehr langsam erfolgen.

Wechselwirkungen beachten

Für die Beratung von Epilepsie-Patienten ist es nach Stodiecks Ansicht wichtig, dass der Apotheker diese und weitere Probleme kennt und gegebenenfalls mit dem Arzt in Kontakt tritt. So wird seiner Erfahrung nach auch häufig nicht beachtet, dass bei Anwendung von Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Oxcarbazepin und Felbamat (nicht jedoch Valproinsäure) aufgrund von Enzyminduktion die Wirksamkeit gleichzeitig eingenommener Kontrazeptiva vermindert ist.

Epilepsie-Patienten sollten keine Gyrase-Hemmer verordnet werden, da diese Substanzen neurotoxisch und damit anfallsfördernd wirken. Auch Mefloquin (Lariam®) ist wegen seiner potenziell krampfauslösenden Wirkung bei Epileptikern kontraindiziert.

Bekannt ist auch, dass bei gleichzeitiger Anwendung von Acetylsalicylsäure und Valproinsäure Überdosierungserscheinungen auftreten, Epileptiker sollten daher bei Schmerzen eher auf Paracetamol zurückgreifen. Johanniskrautextrakt, vom Epilepsie-Patienten in der Selbstmedikation angewendet, kann aufgrund seiner Fähigkeit zur Induktion von CYP3A4 die Wirkung von Antikonvulsiva, die über diesem Weg biotransformiert werden (z. B. Carbamazepin, Tiagabin), abschwächen.

Epilepsie-Chirurgie bei Therapieresistenz

Schlagen die verfügbaren Substanzen bei einem Patienten nicht an, ist auch eine chirurgische Intervention möglich. Voraussetzung ist, dass die Anfälle von einer umschriebenen Region des Gehirns ausgehen, diese wird dann mikrochirurgisch entfernt. Die Methode wird in Deutschland in darauf spezialisierten Zentren durchgeführt, findet jedoch nur bei wenigen Patienten Anwendung.

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