Arzneimittel und Therapie

Ein schützendes Antiepileptikum nach Schlaganfall?

Kohortenstudie zum Sterblichkeitsrisiko wirft Fragen auf

In einer schwedischen Kohorten­studie mit Patienten, die wegen einer Epilepsie nach Schlaganfall eine Monotherapie mit Antiepileptika erhielten, wurden Unterschiede im Überleben aufgedeckt. Danach war die Monotherapie mit Lamotrigin oder Levetiracetam mit einer günstigeren Sterblichkeitsprognose assoziiert als eine Therapie mit Carbamazepin. Valproinsäure war mit ­einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko assoziiert.

Ein Schlaganfall ist die Ursache von etwa 10% aller Epilepsien und 55% der neu diagnostizierten epileptischen Anfälle bei älteren Menschen. Es gibt bisher keine Daten zur Wahl eines spezifischen Antiepileptikums für Patienten, die nach einem Schlaganfall erstmals eine Epilepsie entwickeln. Enzyminduzierende Arzneimittel könnten z. B. mit Arzneimitteln für die Sekundärprävention des Schlaganfalls interagieren. Die US-amerikanische Überwachungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) hatte eine Sicherheitsmitteilung zu den potenziell proarrhythmischen Eigenschaften von Lamotrigin publiziert. Daher sollte untersucht werden, ob die Sterblichkeit bei Patienten mit Epilepsie nach Schlaganfall in Ab­hängigkeit von bestimmten Antiepileptika variiert.

Foto: Einstock/AdobeStock

Etwa 10% aller Patienten entwickeln im Anschluss an einen Schlaganfall eine Epilepsie. Welche Antiepileptika-Therapie die Prognose der Patienten verbessert oder verschlechtert, darüber herrscht Unklarheit.

Daten von 2577 Patienten

Es handelt sich um eine in Schweden durchgeführte Kohortenstudie, die individuelle Patientendaten aus dem nationalen Gesundheitsregister von Erwachsenen mit akutem Schlaganfall vom Juli 2005 bis Dezember 2010 erfasste. Analysiert wurden Daten von Patienten, die nach dem Schlaganfall eine Epilepsie entwickelten, bis zum Dezember 2014. Insgesamt wurden 2577 Patienten, die eine antiepileptische Monotherapie erhielten, ausgewertet. Die Datenauswertung erfolgte zwischen Mai 2019 und April 2021. Der primäre Endpunkt, die Gesamtsterblichkeit, wurde mittels Cox-Proportional-Hazard-Regression mit Carbamazepin als Referenztherapie analysiert. Ein kardiovaskulärer Tod wurde mittels Fine-Gray-Regressionsmodellen für konkurrierende Risikofaktoren und Begleiterkrankungen bewertet.

Günstige Prognose unter Lamotrigin und Levetiracetam

Insgesamt wurden 2577 Patienten eingeschlossen, davon 1400 Männer (54%). Das mittlere Alter betrug 78 Jahre. Die Hazard Ratio für Todesfälle aller Art im Vergleich zu Carbamazepin betrug

  • für Lamotrigin 0,72 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,60 – 0,86),
  • für Levetiracetam 0,96 (95%-KI: 0,80 – 1,15),
  • für Valproinsäure 1,40 (95%-KI: 1,23 – 1,59),
  • für Phenytoin 1,16 (95%-KI: 88 – 1,51) und
  • für Oxcarbazepin1,16 (95%-KI: 0,81 – 1,66).

Die Hazard Ratio für kardiovaskulären Tod im Vergleich mit Carbamazepin betrug

  • für Lamotrigin 0,76 (95%-KI: 0,61 – 0,95),
  • für Levetiracetam 0,77 (95%-KI: 0,60 – 0,99),
  • für Valproinsäure 1,40 (95%-KI: 1,19 – 1,64),
  • für Phenytoin 1,02 (95%-KI: 0,71 – 1,47) und
  • für Oxcarbazepin 0,71 (95%-KI: 0,42 – 1,18).

Patienten, die Valproinsäure erhalten hatten, hatten demnach ein höheres Risiko für einen kardiovaskulären Tod oder Tod anderer Ursache. Ins­gesamt war eine Therapie mit Lamotrigin oder Levetiracetam mit einer günstigen Prognose für die Sterblichkeit assoziiert.

Eine Einordnung

Schweden hat wie Dänemark ein nationales Gesundheitsregister. Dieses ermöglicht es, für viele Krankheits­bilder Assoziationen zwischen medikamentöser Therapie und bestimmten Outcome-Parametern zu messen. Diese Assoziationsstudien können dann die Grundlage für spätere randomisierte Therapiestudien bilden. Die hier durchgeführte Assoziationsstudie fand bei Patienten, die nach einem Schlaganfall eine Epilepsie entwickelten, eine geringere Sterblichkeit, wenn sie mit Lamotrigin oder Levetiracetam behandelt wurden, und eine erhöhte Sterblichkeit im Vergleich zu Carbamazepin, wenn sie mit Valproinsäure behandelt worden waren. Die Ursachen für diese unterschiedlichen Assoziationen sind allerdings nicht bekannt. Die Daten müssen besonders vorsichtig interpretiert werden, da es sich nur um mögliche Zusammenhänge handelt und nicht um die Ergebnisse von randomisierten Studien. Das Register war beispielsweise nicht in der Lage, zwischen fokalen und generalisierten Anfällen zu unterscheiden, die ganz unterschiedlich antiepileptisch behandelt werden [2, 3]. Es muss auch unterstellt werden, dass eine ganze Reihe von Begleiterkrankungen, die bei der Auswahl eines Antiepileptikums berücksichtigt werden, nicht erfasst werden konnten. Da die Datenerhebung im Jahr 2014 endete, gibt es auch keine Aussagen zu den modernen Antiepileptika. |

Literatur

[1] Larsson D et al. Association Between Antiseizure Drug Monotherapy and Mortality for ­Patients With Poststroke Epilepsy. JAMA Neurology. 2021. 10.1001/jamaneurol.2021.­4584

[2] Marson A et al. The SANAD II study of the effectiveness and cost-effectiveness of valproate versus levetiracetam for newly diagnosed generalised and unclassifiable epilepsy: an open-label, non-­inferiority, multicentre, phase 4, randomised controlled trial. The Lancet. 2021;397(10282):1375-86

[3] Marson A et al. The SANAD II study of the effectiveness and cost-effectiveness of levetiracetam, zonisamide, or ­lamotrigine for newly diagnosed focal ­epilepsy: an open-label, non-inferiority, multicentre, phase 4, randomised controlled trial. The Lancet. 2021;397(10282):1363-74

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

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