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Die Verwaltung des Mangels

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Wenn man in den letzten Wochen die Berichterstattung in den Medien verfolgt hat, könnte man meinen, Lieferengpässe haben sich erst in den letzten Monaten so entwickelt, dass Patienten massiv gefährdet sind. Dabei beschäftigen sie nicht nur Apothekerinnen und Apotheker schon seit Jahren, sie stehen mindestens genauso lange auf der Agenda von Herstellern, Politik, Behörden und Krankenkassen. Schon lange ist klar, dass es „die“ Ursache nicht gibt und es damit auch nicht „die“ alles umfassende Lösung geben kann. Steigende Nachfrage, ein nicht zu steuernder freier Markt, Vertriebs­einstellungen aus wirtschaftlichen Gründen und immer wieder Produktionsprobleme unterschiedlichster Art können dafür verantwortlich sein, dass in unseren Apotheken Arzneimittel knapp werden. Besonders fatal: Wirkstoffe werden nicht zuletzt aus Kostengründen nur noch an wenigen Standorten vor allem in schwer zu kontrollierenden Schwellenländern produziert. Bei Produktions- und Qualitätsproblemen ist dann ein Ausweichen auf andere Standorte kaum bis nicht mehr möglich. Das zeigen eindrucksvoll die Beispiele Valsartan und Ibuprofen.

Vorschläge zur Lösung der Lieferengpassproblematik gibt es viele. Doch bei näherer Betrachtung erweisen sie sich meist nicht als tragfähig. So wird diskutiert, nicht lieferfähige Hersteller mit Strafen zu belegen. Diesen Vorschlag hat Karl Lauterbach unlängst wieder für Rabattvertragspartner zur Diskussion gestellt.Sinn macht das allerdings nur, wenn denn tatsächlich der Hersteller die Nichtlieferbarkeit zu verantworten hat. Aber so einfach ist das nicht. Fragt man beispielsweise Hersteller patentgeschützter kontingentierter Arzneimittel, warum sie ihre Arzneimittel nicht in ausreichendem Maße für den deutschen Markt zur Verfügung stellen, dann erhält man die verblüffende Antwort, dass selbstverständlich nach bestem Wissen und Gewissen ausreichend für den deutschen Markt produziert wird. Doch zählen die Arzneimittelpreise in Deutschland schon lange nicht mehr zu den weltweiten Spitzenreitern, weshalb, so die Klage der Hersteller, für Deutschland produzierte Ware über Großhändler und Apotheken gewinnbringend an andere Länder verkauft würde. Strafzahlungen für Hersteller würden an dieser Stelle also nicht nur die Falschen treffen, sie würden das Problem einfach nicht aus der Welt schaffen. Exportverbote könnten in solchen Fällen ein Lösungsansatz sein. Diese europarechtskonform auszugestalten, ist allerdings eine Herausforderung.

Wenn man wirklich an die Wurzeln dieses Übels will, müsste man die Anreize für den gewinnbringenden Export eindämmen, beispielsweise mit einheitlichen Arzneimittelpreisen in Europa. Dem steht zumindest das Argument der unterschiedlichen Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedstaaten entgegen. Zudem wäre eine solche europäische Lösung wiederum nur bedingt tragfähig. Denn wenn beispielsweise in China die Nachfrage steigt, könnte der Markt in Europa ganz schnell wieder leer gefegt sein.

Bleibt noch der Vorschlag der verpflichtenden Lagerhaltung zumindest für lebensnotwendige Medikamente durch den Hersteller. Abgesehen davon, dass erst einmal definiert werden müsste, welche das denn sein sollen, müsste auch hier eine gesetzliche Lösung gefunden werden, die die Doktrin des freien Warenverkehrs rechtssicher ausschaltet. Der große Wurf wäre das allerdings auch nicht.

Wesentlich erfolgversprechender wäre es natürlich, mehr Geld für Arzneimittel in die Hand zu nehmen und so den Exportanreiz zu minimieren. Diesem Lösungsansatz steht jedoch der geballte Widerstand der gesetzlichen Krankenkassen entgegen.

Resigniert kann nur festgehalten werden, dass sich in Sachen Lieferengpässe wohl so schnell nichts ändern wird. Die Verwaltung des Mangels wird weiterhin den Apothekenalltag bestimmen.

Doris Uhl

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