Arzneimittel und Therapie

Endspurt ins Blutdruckziel

SPRINT-Studie ohne Auswirkungen auf deutsche Leitlinien

rr | Die Ergebnisse der SPRINT-Studie ließen 2015 und 2016 am bisher empfohlenen systolischen Blutdruckziel von 140 mmHg zweifeln, nachdem Patienten von einer Senkung auf 120 mmHg deutlich profitierten. In Österreich und Kanada wurden die Leitlinien daraufhin angepasst. Hierzulande blieb man skeptisch – zu Recht, wie jetzt immer mehr Daten zeigen.

Im Rahmen der SPRINT-Studie mit über 9000 Patienten ab 50 Jahren kam es unter der strengen Blutdrucksenkung auf 120 mmHg zu fast einem Viertel weniger Todesfällen und fast einem Drittel weniger kardiovaskulären Ereignissen als in der Vergleichsgruppe, deren systolischer Blutdruck wie bisher empfohlen auf < 140 mmHg gesenkt wurde. Da man einen erheblichen Vorteil sah, wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Bevor die Ergebnisse der SPRINT-Studie Eingang in die aktuellen Leitlinien finden konnten, mussten die Daten jedoch vollständig ausgewertet und wissenschaftlich bewertet werden.

Fernab der Praxis

Die Kritik an der Studie wurde da­raufhin immer lauter. Erst wurde bemängelt, dass die Studienpopulation aufgrund der Einschlusskriterien nur für einen geringen Teil der Bevölkerung repräsentativ ist. Dann ergab eine tschechische Analyse, dass die verwendete Messmethode einen großen Einfluss auf die Ergebnisse hatte: In der SPRINT-Studie wurde der Blutdruck automatisch gemessen, aber ohne, dass ein Arzt oder medizinische Fachangestellte anwesend waren. Die Standard-Praxismessung erfolgt in der Regel manuell durch medizinisches Personal und führt nach Aussagen der Forscher zu etwa 15 mmHg höheren Werten. Ein systolischer Wert von 120 mmHg in der SPRINT-Studie wäre damit vergleichbar mit einem Wert von 135 mmHg unter üblichen Messbedingungen und entspräche den gültigen Leitlinien­empfehlungen, so die Autoren.

Auf ihrer Jahrestagung positionierte sich die Deutsche Hochdruckliga eindeutig: Die SPRINT-Studie wird sich nicht auf die deutschen „und voraussichtlich auch nicht auf die europäischen“ Leitlinien auswirken. Auch die US-amerikanischen Empfehlungen wurden bisher nicht angepasst. SPRINT scheint somit erstmal vom Tisch zu sein: Blutdruck senken ja – aber moderat. Anders als die amerikanischen Kollegen, die bei über 60-jährigen Hypertonikern mit einem systolischen Blutdruck von ≥ 150 mmHg empfehlen, diesen medikamentös auf 150 mmHg zu senken, können nach Einschätzung der Deutschen Hochdruckliga auch bei älteren leistungsfähigen Patienten systolische Blutdruckwerte < 140 mmHg erwogen werden. Bei Personen über 80 Jahren mit einem initialen systolischen Blutdruck ≥ 160 mmHg empfiehlt die Liga, den Wert auf 150 bis 140 mmHg zu senken, vorausgesetzt, diese Personen befinden sich in einem guten physischen und geistigen Zustand. |

Quelle

Navar AM, et al. JAMA Cardiol 2016;1(8):864–871, doi:10.1001/jamacardio.2016.2861

SPRINT-Studie wird Leitlinien nicht ändern. Ärzte Zeitung Online-Meldung vom 2. Dezember 2016

Jessica Weiss et al. Annals of Internal Medicine 2017; doi: 10.7326/M16-1754

Positionierung zur Empfehlung der Leitlinienanpassung durch ACP und AAFP. Stellungnahme der Deutschen Hochdruckliga vom 23. Januar 2017

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