SPRINT-Studie

120 ist das neue 140 – aber nicht für alle Hypertoniker

Berlin - 17.11.2015, 17:30 Uhr

SPRINT-Studie: Wegen großer Überlegenheit eines Therapiearms vorzeitig gestoppt. (Foto: rosinka79/Fotolia)

SPRINT-Studie: Wegen großer Überlegenheit eines Therapiearms vorzeitig gestoppt. (Foto: rosinka79/Fotolia)


Die Leitlinien zur Hypertonie-Behandlung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit schon bald wieder eine Revision erfahren. Diesmal sollen sich die Hinweise für Risikopatienten verändern. Grund ist der vorzeitige Stopp der SPRINT-Studie.

Erst 2013 war mit der Aktualisierung der Leitlinie der Europäischen Gesellschaften für Hypertension bzw. Kardiologie (ESH/ESC) die Differenzierung zwischen Hochrisiko- und normalen Blutdruckpatienten weggefallen. Für fast alle Patienten gilt seitdem ein Blutdruckzielwert von systolisch 140 mmHg – auch für Diabetiker. Ausnahmen existieren beispielsweise für ältere Patienten bis zum 80. Lebensjahr (Zielblutdruck 140 bis 150 mmHg).

Vorteile durch differenzierte Behandlung?

Die SPRINT-Studie (Systolic blood pressure intervention trial) war konzipiert worden, um die Evidenzlage für die Empfehlung eines geeigneten Zielblutdruckes für Hochdruckpatienten (ausgenommen Diabetiker) mit hohem kardiovaskulärem Gesamtrisiko zu verbessern. Sie hatte 9.361 Personen im Alter von über 50 Jahren mit einem systolischen Blutdruck von 130 bis 180 mmHg eingeschlossen, die mindestens einen der folgenden Risikofaktoren aufwiesen: 

  • bekannte kardiovaskuläre Erkrankung
  •  bekannte chronische Nierenerkrankung (eGFR < 60 ml/min)
  •  10-Jahres-Framingham-Risikoscore von über 15 Prozent oder Alter von über 75 Jahre.

Ausgeschlossen waren Patienten mit Diabetes mellitus, mit früherem Schlaganfall oder orthostatischer Hypotonie. Die Studie wurde im zweiarmigen, kontrollierten, aber nicht verblindeten Design durchgeführt.

Im intensiven Behandlungsarm empfahl man eine Kombination aus Thiaziddiuretikum (vorzugsweise Chlorthalidon) und/oder ACE-Hemmer bzw. Angiotensinrezeptorblocker und/oder Kalziumantagonist (vorzugsweise Amlodipin), mit dem Ziel, den Blutdruck unter 120 mmHg zu senken. Um dieses zu erreichen, wurde die Medikation, falls nötig, monatlich angepasst. Im Standard-Behandlungsarm sollte ein systolischer Blutdruck – wie bisher empfohlen – unter 140 mm Hg angestrebt werden. Primärer Studienendpunkt war das Auftreten von Herzinfarkt, akutem Koronarsyndrom, Schlaganfall, Herzinsuffizienz oder Tod aus kardiovaskulärer Ursache. Finanziert hatte die Untersuchung das National Institute of Health (USA).

Vorzeitiges Ende aus ethischen Gründen

Bereits am 11. September 2015 war SPRINT wegen großer Überlegenheit eines Therapiearms vorzeitig gestoppt worden. Der Grund: Nach einer medianen Behandlungsdauer von 3,26 Jahren trat der primäre Endpunkt um 25 Prozent hochsignifikant seltener bei den Risiko-Patienten mit dem Zielwert 120 mmHg auf (1,65 Prozent pro Jahr im Vergleich zu 2,19 Prozent pro Jahr, P<0,001). Die Gesamtsterblichkeit war in dieser Gruppe signifikant um 27 Prozent vermindert (P=0,003).

Auch bei weiteren Endpunkten schnitt der Intensiv-Arm besser ab: Beim Herzversagen lag das Risiko um 38 Prozent niedriger, beim Tod aus kardiovaskulärer Ursache um 43 Prozent. Allerdings erhöhten sich im intensiven Behandlungsarm die Risiken für schwere Nebenwirkungen, beispielsweise bei Hypotonie um 67 Prozent (P=0,001), bei Synkopen um 33 Prozent  (P=0,05), bei akutem Nierenversagen um 66 Prozent (P<0,001).

Seht ein Paradigmenwechsel bevor?

Angesichts dieser Ergebnisse spricht die Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL - Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention bereits von einem Paradigmenwechsel in der Therapie für Hochrisiko-Patienten. „Die Ergebnisse werden Eingang in die weltweiten und deutschen Leitlinien finden und diese maßgeblich verändern“, stellte Professor Martin Hausberg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL, in Aussicht. Nach eigenen Angaben hat die Liga mit der Überarbeitung der Empfehlungen zur Bluthochdruckbehandlung bereits begonnen.

 

Quellen:

Mancia G et al. 2013 ESH/ESC Guidelines for the management of arterial hypertension; J Hypertens (2013) 31: 1281– 1357

The SPRINT Research Group: A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med (2015), online vorab publiziert am 9. November 2015, DOI: 10.1056/NEJMoa1511939

Stellungnahme zu den Ergebnissen der SPRINT-Studie. Meldung der Deutschen Hochdruckliga e.V. vom 12. November 2015


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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