Arzneimittel und Therapie

Strenge Blutdruckziele auch ab 75 plus

Subgruppenanalyse der SPRINT-Studie bestätigt neuen Zielwert für Senioren

Eine Subgruppenanalyse der SPRINT-Studie, in der eine Einstellung des systolischen Blutdrucks auf 120 mmHg bessere Ergebnisse erzielte als der bisherige Zielwert von 140 mmHg, fokussierte sich auf Hypertoniker über 75 Jahre.
Foto: ugrum1 – Fotolia.com

Ein Anstieg des Blutdrucks im hohen Alter wird nicht unbedingt als therapiebedürftig eingestuft. Erst ab einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg ist eine Therapie zu empfehlen. Als Grund für die Zurückhaltung bei der medikamentösen Intervention bei Senioren ist die Sorge vor Elektrolytstörungen, Nierenschäden sowie der Sturzgefahr durch eine zu starke Senkung des Blutdrucks. Als Zielwert für Patienten über 60 Jahre wird daher ein systolischer Blutdruck von 150 bis 140 mmHg empfohlen. Die Ergebnisse der im Jahr 2015 veröffentlichten SPRINT-Studie (siehe Kasten) haben jedoch gezeigt, dass eine Senkung des Blutdrucks auf 120 mmHg statt 140 mmHg das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse noch weiter reduziert und die Gesamtmortalität signifikant erniedrigt [1].

SPRINT setzt neue Standards

Seit der SPRINT-Studie (Systolic Blood Pressure Intervention Trial) mehren sich die Hinweise, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks auf 120 mmHg günstig ist [1]. Untersucht wurden mehr als 9000 ältere Patienten (≥ 50 Jahre). Die Studie wurde nach drei Jahren vorzeitig abgebrochen, nachdem die intensivierte Therapie die Sterblichkeit gegenüber den bisherigen Zielwerten von 140 mmHg signifikant senkte. Inwieweit die Daten aus der SPRINT-Studie einen Einfluss auf die neuen Empfehlungen zu Blutdruckgrenzen haben, wird derzeit heftig diskutiert. Für hypertone Diabetiker beispielsweise sind diese Erkenntnisse nicht anzuwenden, da diese von der SPRINT-Studie ausgeschlossen waren. Die verringerte Sterblichkeit wurde außerdem mit einer Zunahme an unerwünschten Wirkungen erkauft: Hypotonie, Synkopen, Elektrolytstörungen oder akutes Nierenversagen traten fast doppelt so häufig auf wie unter Standardtherapie.

Suche nach idealen Zielwerten

Eine nun veröffentlichte Subgruppenanalyse der SPRINT-Studie lieferte jetzt Genaueres zur Wirksamkeit und Sicherheit der intensivierten Blutdrucksenkung bei älteren Personen. Eingegangen sind die Daten von insgesamt 2636 Patienten, die zu Studienbeginn bereits 75 Jahre oder älter waren [2]. Primärer Endpunkt war die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse, inklusive Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz, sekundärer Endpunkt die Gesamtmortalität. Während bei 148 Patienten aus der Kontrollgruppe kardiovaskuläre Ereignisse auftraten, wurden diese bei nur 102 Patienten mit intensivierter Therapie beobachtet (Hazard Ratio [HR] 0,66). Auch die Anzahl an Todesfällen (73 vs. 107) wurde im begrenzten Beobachtungszeitraum von 3,14 Jahren signifikant gesenkt. Obwohl die Gesamtrate an ernsten unerwünschten Wirkungen in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar war (48,4% vs. 48,3%), traten Blutdruckabfälle (2,4% vs. 1,4%), Synkopen (3,0% vs. 2,7%), Elektrolytstörungen (4,0% vs. 2,7%) und akute Nierenschädigungen (5,5% vs. 4,0%) insgesamt häufiger bei Patienten mit niedrigeren Blutdruckzielwerten auf. Nur das Risiko schwerer Stürze schien sich nicht durch die forcierte Blutdrucksenkung zu erhöhen (4,9% vs. 5,5%).

Lieber Schritt für Schritt senken

Erneut bestätigt sich, dass ein erniedrigter Blutdruckzielwert das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse sowie die Gesamtmortalitätsrate reduzieren kann, jedoch nicht frei von Risiken ist. Die Autoren eines begleitenden Editorials empfehlen die schrittweise Senkung des Blutdrucks bei Patienten über 75 Jahre zunächst auf 140 mmHg und anschließend eine weitere Reduktion, sofern diese vertragen wird [3]. |

Quelle

[1] T.S.R. Group, A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med 2015;373:2103–2116

[2] Williamson JD, et al. Intensive vs standard blood pressure control and cardiovascular disease outcomes in adults aged ≥ 75 years: A randomized clinical trial. JAMA 2016, published online 19. Mai

[3] Chobanian AV. Sprint results in older patients: How low to go? JAMA 2016, published online 19. Mai

Apotheker Dr. André Said

Das könnte Sie auch interessieren

SPRINT-Studie zu Blutdruckzielen erschüttert Leitlinien und bisherige Praxis

120 statt 140 mmHg?

Welcher Zielwert bei Älteren erreicht werden sollte

Intensivierte Blutdrucktherapie: ja oder nein?

Metaanalyse findet linearen Zusammenhang zwischen Blutdruck und kardiovaskulärem Risiko

Niedrige Zielwerte erneut bestätigt

Studie stellt die derzeit gültigen Zielwerte infrage

120 mmHg Blutdruck für alle?

Diskussion um Zielwerte

120 mmHg für alle Hypertoniker?

Die Deutsche Hochdruckliga nimmt Stellung zur SPRINT-Studie

„Paradigmenwechsel in der Bluthochdrucktherapie!“

Sollte man Antihypertensiva bei Älteren absetzen?

Den Druck im Auge behalten

Durch gute Einstellung der Demenz vorbeugen

Blutdrucktherapie fürs Hirn

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.