Gesundheitspolitik

„Presseklub“ zur Gesundheitspolitik

Pro Generika lädt Journalisten zur Diskussionsrunde – DAZ.online Chefredakteur verteidigt Rx-Versandverbot

BERLIN (ks) | Die Jamaika-Sondierungsgespräche sind gescheitert. Der Weg zu einer Großen Koalition ist steinig. Dennoch muss es in der Politik weitergehen. Gleich, welche Koalition am Ende regieren wird – in der Gesundheitspolitik gibt es Themen, die auf jeden Fall zu diskutieren sind. Am 29. November führten diese Diskussion drei Journalisten beim „Dialog am Mittag“ von Pro Generika.

Während in der Vergangenheit beim „Dialog am Mittag“ Politiker aufs Podium traten, entschied sich der Verband diesmal für einen „Presseklub“: Moderator Elmar Esser hatte dazu drei Journalisten an seiner Seite. Peter Thelen, Parlamentskorrespondent des Handelsblatts, Rebecca Beerheide, Leiterin der politischen Redaktion des Ärzteblatts, und DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. Wie sehen sie die derzeitige Schwebesituation in der Politik? Und welches sind aus ihrer Sicht die drängenden Reformbaustellen im Bereich der Arzneimittelversorgung?

Chance für die Bürger-versicherung?

Für heftige Diskussion sorgte Anfang letzter Woche das Thema Bürgerversicherung, das die SPD vor einer möglichen Sondierung mit CDU und CSU wieder als Forderung in den Ring geworfen hatte. Vor allem in der Ärzteschaft ha­gelte es Kritik an diesem Vorstoß. Doch alle drei Journalisten können das Vorgehen der Sozialdemokraten verstehen. Es sei gut nachvollziehbar, wenn die SPD nun mit Maximalforderungen nach vorne geht, um auch bei den Mitgliedern Verständnis dafür zu gewinnen, sich überhaupt nochmal auf Gespräche über eine Große Koalition einzulassen, erklärte Thelen. In den vergangenen Jahren hätten sie bei diesem Thema keinen Erfolg gehabt – ob sich das ändern wird, kann man auch weiterhin bezweifeln. Richtig sei aber, so Thelen, dass das gegenwärtige System von GKV und PKV ungerecht sei, weil sich ohnehin privilegierte Beamte und Gutverdiener aus der GKV herausziehen könnten.

Foto: ©Svea Pietschmann
Mehr Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten – auch dies wurde bei der Podiumsdiskussion als wichtiges Thema benannt. (v. l.: Benjamin Rohrer, DAZ.online, Moderator Elmar Esser, Rebecca Beerheide, Dt. Ärzteblatt, Peter Thelen, Handelsblatt)

Beerheide sieht ebenfalls grundsätzlichen Reformbedarf, versteht aber zugleich die Sorge der Ärzte, die bessere Vergütung für Privatversicherte ohne Ausgleich zu verlieren. Die Ärzteblatt-Journalistin verwies zudem darauf, dass eine Umstellung ohnehin mindestens acht Jahre in Anspruch nehmen würde, und fügte hinzu: „Wirklich spannend wird das Thema um das Jahr 2025, wenn die Babyboomer in Rente gehen und merken, wie teuer die PKV geworden ist.“

Rohrer verwies auf die Bedenken der Apotheker gegenüber der Bürgerversicherung. „Für PKV-Patienten gilt der Kassenabschlag nicht, Apotheker würden das finanziell bestimmt merken, wenn es für ­alle Patienten den Abschlag gäbe.“ Ganz „persönlich“ halte er es aber für unsozial, wenn es exklusiv für die obere Einkommensschicht eine eigene Versicherung gibt.

Rx-Versand spaltet

Auch das Rx-Versandverbot wurde thematisiert. Rohrer verwies darauf, dass die Apothekenversorgung in den Sondierungsgesprächen von CDU, CSU, FDP und Grünen durchaus zur Sprache kam. Allerdings kam man hier nicht zusammen. Anders als Rohrer, der es noch für denkbar hält, dass ein Rx-Versandverbot kommt, wenn es in Koalitionsverhandlungen mit der SPD am Ende um Kompromisse geht, geben seine Kollegen die Forderung der Union verloren. „Ich halte es für ausgeschlossen, dass das Versandverbot kommt“, sagte Thelen und verwies auf den allgemeinen Trend zum Kauf via Internet – in allen Branchen. „Das ist ein gesellschaftlicher Trend mit dem Versandhandel, das passiert einfach.“ Zudem meint der Handelsblatt-Journalist, dass das Verbot EU-rechtlich keinen Bestand haben würde. „Der EuGH würde heute sicher anders entscheiden.“

Rohrer protestierte und wies auf die negativen Auswirkungen des Versandhandel-Trends allgemein hin: „Nicht nur, aber auch wegen des Versandhandels müssen Geschäfte in den Innenstädten schließen, ganze Fußgängerzonen verwahrlosen. Und gerade bei einer besonders schutzbedürftigen Ware wie Arzneimitteln sollte der Gesetzgeber ein Interesse daran haben, diesen Bereich zu regulieren.“ Auch Beerheide wandte ein, dass Patienten weiterhin den persönlichen Kontakt zu Arzt und Apotheker brauchen und immer suchen werden. Dennoch glaubt sie nicht an eine politische Mehrheit für das Versandverbot.

Kommunikation & Engpässe

Als wichtiges Thema für die kommende Legislaturperiode machten sowohl Rohrer als auch Beerheide die Kommunikation zwischen Apothekern und Ärzten aus. Beerheide wünscht sich vor allem, dass es bei der Digitalisierung vorangeht und Ärzte, Kliniken und Apotheker an ein sicheres Netz angebunden werden. Rohrer sprach den Medikationsplan an, der in seiner jetzigen Form gescheitert sei. Allein ein Plan helfe dem Patienten nicht, nötig sei eine gemeinsame Medikationsanalyse von Arzt und Apotheker, so wie es etwa im Modellprojekt Armin ­„vorbildlich“ vorgemacht werde. „Deutschland ist praktisch das einzige Land in Europa, in dem Patienten an einem Tag von drei Ärzten drei Rezepte erhalten und diese bei drei Apotheken einlösen können, ohne dass die Heilberufler voneinander wissen. Gibt es Wechselwirkungen zwischen diesen Präparaten, merkt davon niemand etwas“, erklärte der DAZ.online-Chefredakteur.

Bei Pro Generika darf zudem das Thema Engpässe nicht fehlen: Alle Diskutanten waren sich einig, dass hier viele Ursachen zusammenspielen. Rabattverträge gehören für Thelen allerdings nicht dazu. Er erklärte, die Lieferfähigkeit sei schließlich ein Zuschlagskriterium – somit sorgten die Verträge sogar für Versorgungssicherheit. |

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