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Generikamarkt unter Beobachtung

BERLIN (ks). Arzneimittel-Rabattverträge stehen zwar nicht zur Disposition – aber sie sind kritisch im Blick zu behalten. In dieser Einschätzung zeigten sich Gesundheitspolitiker von CDU, SPD und Grünen bei einer Diskussionsveranstaltung des Branchenverbands Pro Generika am 25. April erstaunlich einig. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, räumte ein, es bestehe die Gefahr, dass die Verträge überdreht würden.
Pro Generika-Podiumstalk: (v. l.) Biggi Bender, Gerd Glaeske, Carola Reimann, Moderator Elmar Esser, Jens Spahn und Sven Dethlefs.
Foto: axentis.de/Pro Generika e.V.

Generika können in Deutschland auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Fast drei Viertel aller verordneten Tagesdosen sind heutzutage generisch – und das über alle relevanten Indikationsgebiete hinweg. Allerdings: Die Rabattverträge haben diesen Markt gründlich umgekrempelt. Die Unternehmen müssten "immer mehr versorgen – für immer weniger Geld", erklärte Sven Dethlefs, Geschäftsführer von Teva/ratiopharm Deutschland und stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Pro Generika. Durch die Ausschreibungen denke man nur noch in einzelnen Wirkstoffen – und nicht mehr ans gesamte Sortiment. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, so Dethlefs, erforderten von den Unternehmen ein rein marktwirtschaftliches Handeln – entsprechend verhielten sie sich nun. Die Folge: vielfach gebe es nur noch eine Wirkstoffquelle für ein Arzneimittel. Und eine solche Abhängigkeit von einem Lieferanten erhöht die Gefahr von Lieferengpässen massiv.

Weiteren Preisverfall stoppen

Spahn machte deutlich, dass bei den Pharmaunternehmen lange Zeit noch viel Spielraum vorhanden gewesen sei. Als im Jahr 2006 per Gesetz die Festbeträge gesenkt wurden, habe selbst der GKV-Spitzenverband im Vorfeld vor Aufzahlungen für die Patienten gewarnt. Sie blieben jedoch aus. Ganz ähnlich ging es bei den Rabattverträgen weiter: die Kassen konnten durch sie immer größere Einsparungen erreichen. Wenn die Politik diesen Spielraum sehe – warum, fragt Spahn, sollte sie ihn nicht ausschöpfen? Die Union hatte zwar schon einmal über die Abschaffung der Rabattverträge nachgedacht – doch dann beließ man es dabei, ihre Rahmenbedingungen leicht zu verändern. So dürfen die Verträge ausdrücklich nicht mehr ohne Ausschreibung geschlossen werden. Nun, so räumt Spahn ein, befinde man sich in einer Phase, in der "möglicherweise überdreht" werde. Das erreichte Preisniveau solle zwar gehalten, ein weiterer Trend nach unten aber gestoppt werden. Auch die Anbietervielfalt ist für Spahn erhaltenswert. Die Frage sei allerdings, wie sehr die Politik die Hersteller vor sich selbst schützen müsse. Angesichts der Tatsache, dass die zuletzt aufgetretenen Lieferengpässe vor allem in Krankenhäusern auftraten, erklärte Spahn, man müsse gegebenenfalls auch über eine Arzneimittelpreisverordnung für Krankenhäuser nachdenken. Die Schnittstellen seien hier nicht ganz sauber – und es sei nicht klar, ob wirklich alle Arzneimittel, insbesondere onkologische, aus den Apotheken in die Stationen wanderten.

Rabattvertragsausschluss im Rahmenvertrag regeln

Carola Reimann (SPD) betonte, dass die – von der SPD miteingeführten – Rabattverträge immerhin für eine große Akzeptanz von Generika gesorgt hätten. Mit ihnen könne auch gespart werden – "aber in den Himmel können die Bäume nicht wachsen". Es gelte eine Balance zwischen Preis und Qualität zu finden. Die Qualität stimme zwar – doch die in der letzten Zeit gehäuft wahrgenommenen Lieferengpässe auch bei Generika geben auch der SPD zu denken. Biggi Bender (Grüne) stellte die Rabattverträge ebenfalls nicht infrage – mit Blick auf die Anbietervielfalt müsse man jedoch "aufpassen, dass wir von den Zitronen am Ende nicht nur noch die Schale haben". So müsse man Ausschreibungskriterien genauer betrachten. Ein Ziel der Grünen sei, die Patientenorientierung zu stärken – dies sei auch bei den Rabattverträgen zu berücksichtigen. Bender appellierte daher an die Selbstverwaltung der Apotheker und Krankenkassen, die neue Möglichkeit zu nutzen, über den Rahmenvertrag bestimmte Arzneimittel von Rabattverträgen auszuschließen. Zugleich verwies sie darauf, dass es Ärzten schon heute unbenommen sei das Aut-idem-Kreuz zu setzen und Apotheker pharmazeutische Bedenken anmelden könnten.

Mehr Versorgungsforschung nötig

Ebenfalls mit auf dem Podium: Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik in Bremen. Er ist bekennender Kritiker der Rabattverträge. Zuletzt hatte er sich insbesondere über die Impfstoff-Rabattverträge geärgert, die in der letzten Grippesaison zu Versorgungsengpässen geführt hatten. Aber auch Arzneimittel mit sehr enger therapeutischer Breite sollten von den Rabattverträgen ausgenommen werden. Hier gebe es viele infrage kommende Präparategruppen. Zu begrüßen sei, dass schon jetzt einige Kassen beispielsweise Antiepileptika nicht ausschrieben. Glaeske erinnerte Spahn an den Koalitionsvertrag von Union und FDP: hier hatte man sich den Ausbau der Versorgungsforschung auf die Fahne geschrieben. Auch die Rabattverträge könnten hier ein ergiebiges Forschungsfeld sein. Spahn gestand Glaeske zu: "Wir müssen weg von der rein monetären Betrachtung." Und: Versorgungsforschung sei nötig für eine bessere politische Entscheidungsbasis.

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