DAZ aktuell

„Eher schlecht als recht“

Stiftung Warentest prüft Beratungsqualität von Apotheken

BERLIN (daz) | Apotheken kommen ihrer Beratungspflicht zu wenig nach – das gilt für Vor-Ort- ebenso wie für Versandapotheken. Zu diesem Urteil kommt die Stiftung Warentest, die für die Mai-Ausgabe ihres Verbrauchermagazins 21 Vor-Ort-Apotheken und 17 Versandapotheken (darunter zwei ausländische) verdeckt getestet hat. Nur acht Apotheken erhielten die Note „gut“: vier Vor-Ort- und vier Versandapotheken.
Als Titelstory und auf insgesamt zehn Seiten im Heft veröffentlichte die Stiftung Warentest in ihrer Mai-Ausgabe den Beratungstest in Apotheken. Das Ergebnis war aus Sicht der Tester – mal wieder – eher mau.

Sieben Aufgaben hatten die Apotheken zu meistern: drei zu Wechselwirkungen, drei zu rezeptfreien Medikamenten und eine Rezeptur. Was die Wechselwirkungen betrifft, erkannten diese die Versandapotheken besser als die Vor-Ort-Apotheken, konstatiert „Test“. Im Vergleich zum letzten Test im Mai 2010 (AZ Nr. 17, 2010) hätten die Versender „fachlich aufgeholt“. Sämtliche Wechselwirkungen spürte am Ende nur eine Versandapotheke auf – die Deutsche Internet Apotheke. Sie habe zu den Problemen „ausführliche Infos“ gegeben.

Kritische Wechselwirkungen

Eine der drei Wechselwirkungs-Aufgaben betraf ein Rezept, auf dem Tamoxifen und Paroxetin verordnet waren. Das Antidepressivum könne die Wirksamkeit von Tamoxifen aufheben, erklärt „Test“. Damit bestehe die Gefahr, dass bei einer Patientin mit überstandenem Brustkrebs die Krankheit wiederkehrt. Gleichwohl hätten zehn Versand- und fast alle Vor-Ort-Apotheken beide Medikamente kommentarlos abgegeben. „Vielleicht vertrauten die Mitarbeiter darauf, dass der Arzt das Richtige tut, oder scheuten sich, einen möglichen Ärztefehler anzusprechen“, so die Vermutung. Doch: Apotheker könnten bei groben Ärztefehlern mithaften, warnt „Test“. Das Magazin verweist auf eine im vergangenen Jahr ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln: Hier wurde ein Apotheker dafür haftbar gemacht, eine falsche Verordnung bedient zu haben. Die Richter betonten: „Blindes Vertrauen auf die Verordnung darf es nicht geben, denn auch ein Arzt kann irren.“ (siehe DAZ 2013, Nr. 34, S. 22). Im zweiten Test-Szenario ging es um Wechselwirkungen im Zusammenhang mit dem Blutverdünner Xarelto®, im dritten sollte die Apotheke etwaige Interaktionen von insgesamt sieben Medikamenten überprüfen.Den Vor-Ort-Apotheken bereiteten diese Aufgaben mehr Probleme als den Versendern: „Die Mitarbeiter vor Ort wirkten verunsichert und hektisch“, erklärt eine Testerin. „Sie tippten im Computer herum, murmelten oft vor sich hin und informierten mich recht knapp.“ Schriftliche Hinweise habe es nicht gegeben, keiner habe zudem das Angebot der Tester genutzt, später wiederzukommen, um in Ruhe zu recherchieren. Entsprechend dünn sind die Ergebnisse: Letztlich waren es nur vier Vor-Ort-Apotheken, die alle wichtigen Wechselwirkungen ansprachen. Dass die Versandkonkurrenz mehr Treffer erzielte, erklärte sich „Test“ damit, dass diese vielleicht öfter die apothekenüblichen Computerprogramme nutzen.

Bei der Rezeptur ging es um eine Lösung zur Wundbehandlung auf Privatrezept. Allerdings war sie – absichtlich – in einer zu hohen Konzentration verordnet. Die Tester erwarteten hier die auch von der Apothekenbetriebsordnung geforderte Plausibilitätsprüfung. Doch sieben Apotheken stellten die verordnete Rezeptur „unverdrossen“ her oder verkauften ohne ärztliche Rücksprache eine ebenfalls zu hoch konzentrierte industrielle Lösung. Die übrigen erkannten den Fehler und fertigten „meist gute oder sehr gute Rezepturen“ an. Zwei örtliche und sieben Versandapotheken sahen sich dagegen außerstande, die Lösung herzustellen, weil die Ausgangsstoffe gerade nicht zu bekommen seien. Kein Argument für die Tester – zur Not gebe es schließlich Speziallieferanten.

Die Apotheken-Auswahl

Die Auswahl der 21 Vor-Ort-Apotheken erfolgte nach dem „Zufallsprinzip“, wie es in einem Erläuterungsschreiben, das die getesteten Apotheken nachträglich erhielten, heißt. In den drei Großstädten im Südwesten (Frankfurt), Südosten (Dresden) und im nördlichen Teil Deutschlands (Hannover) seien jeweils drei Apotheken ausgesucht worden. In den dazu in „Pendlernähe“ gelegenen Mittelstädten Neu-Isenburg, Radebeul und Laatzen jeweils zwei. Die Auswahl der 17 Versandapotheken erfolgte über die Internet-Suchmaschine Google: An drei Tagen wurde diese mit den Schlagwörtern „Versandapotheke“, Internetapotheke“ und „online apotheke“ gefüttert. Wer an den drei Stichtagen mindestens einmal unter den Schlagwörtern in Anzeigenbereich auf der ersten Seite und/oder unter den ersten zehn Treffern erschien, wurde in die Prüfung einbezogen. Zudem sollten die Versandapotheken mindestens in einer der zwei Preissuchmaschinen „medizinfuchs.de“ oder „apomio.de“ erscheinen. Außerdem mussten die Versender vorschriftsmäßig registriert sein, einen bundesweiten Versand und das Einlösen von GKV- und PKV-Rezepten anbieten.

Zu OTC-Präparaten informierten Vor-Ort-Apotheken „umfassender und solider“ als die Versender. Kritik gibt es dennoch: Vier örtliche Apotheken empfahlen Vomex A für ein Kleinkind in einer fünffach zu hohen Dosis. Insgesamt hätten die Mitarbeiter zu wenig nachgefragt, obwohl dies für die individuelle Beratung erforderlich gewesen wäre.

Versender günstiger

Darüber hinaus verglich „Test“ die Preise von drei rezeptfreien Arzneimitteln in den Vor-Ort- und Versandapotheken – diese Ergebnisse flossen jedoch nicht in die Bewertung ein. Während sich erstere größtenteils am Listenpreis der pharmazeutischen Unternehmer orientierten, boten die Versandapotheken fast immer einen niedrigeren Preis. Verglichen mit dem niedrigsten Preis in einer Versandapotheke und dem höchsten Preis einer Vor-Ort-Apotheke könne der Kunde bei einem Calcium-Vitamin-D-Präparat 25 Prozent (7,24 Euro) sparen, bei Kaugummis zur Raucherentwöhnung 38 Prozent (13,02 Euro) und bei einem systemischen Antihistaminikum 46 Prozent (6,90 Euro). Jedoch müsse bis zu einem bestimmten Bestellwert mit Versandkosten gerechnet werden. Das Fazit der Tester: „Kunden, die bereit sind, online zu kaufen, können sparen.“

ABDA: Bewertung hat sich verbessert

Die ABDA begrüßte die jüngsten „Test“-Stichproben „ausdrücklich“: Nach einer ersten Sichtung sei festzustellen, dass sich die Bewertung der Apotheken im Vergleich zu früheren Testkäufen weiter verbessert habe. Im aktuellen Test habe das Verbrauchermagazin an 71 Prozent der Apotheken das Qualitätsurteil „gut“ oder „befriedigend“ vergeben – 2010 hätten noch 54 Prozent diese Wertungen erreicht. Seinerzeit wurden sieben Apotheken mit „gut“ bewertet (alles Vor-Ort-Apotheken), 20 mit „befriedigend“, zwölf mit „ausreichend“ und elf Apotheken mit „mangelhaft“. Jetzt werde man die Ergebnisse „intern intensiv diskutieren und jede berechtigte Kritik ernst nehmen, da wir an einer stetigen Qualitätsverbesserung arbeiten“, so die ABDA.

Reaktionen getesteter Apotheken

Die Reaktionen der getesteten Apothekeninhaber fielen unterschiedlich aus. Testsieger bei den Vor-Ort-Apotheken ist mit der Note „gut“ (1,8) das Apothekenteam der Marien-Apotheke in Hannover. „Ich bin sehr stolz auf meine Leute“, erklärte Apothekerin Dr. Gisela Sperling. Ständig versucht sie gemeinsam mit ihrem Team daran zu arbeiten, noch besser zu werden. „Wir haben den Anspruch, gut zu sein.“ Und das nicht nur, weil die Pseudo-Customer-Testkäufe teilweise weniger positive Ergebnisse brachten, sondern insbesondere, weil „Apotheken nun mal für Beratung stehen“. Die Arbeit zahle sich nun aus.

Die Bewertungs-Kriterien

Nicht nur die fachliche Qualität wurde von den Testern unter die Lupe genommen, sondern auch der Service. Bei den Vor-Ort-Apotheken ging die Bewältigung der fachlichen Aufgaben zu 80 Prozent in die Bewertung ein, der Service zu 20 Prozent. Die Tester achteten auf eine diskrete, verständliche und dialogorientierte Beratung und darauf, wie der Kundenbereich gestaltet war (barrierefreier Zugang, Diskretion durch Raumgestaltung, Informationen zum Inhaber und Öffnungszeiten). Bei den Versandapotheken wurde die fachliche Qualität mit 65 Prozent, der Service mit 20 Prozent gewichtet. Letzterer umfasste hier neben dem telefonischen Service und der Informationsvermittlung auch die Vollständigkeit und Richtigkeit der Lieferung, Lieferzeiten und den Bestell- und Zahlungsservice. Zudem wurde die Website hinsichtlich des Aufbaus, der Benutzerfreundlichkeit und dem Umgang mit Nutzerdaten überprüft – diese Note ging zu 15 Prozent in die Gesamtbewertung ein.

Auch die berufspolitische Prominenz wurde zum Ziel der Tester: Die Apotheke der niedersächsischen Kammerpräsidentin Magdalene Linz landete bei der Gesamtbewertung immerhin auf dem fünften Rang (Note: 2,6). Gegenüber der DAZ erklärte Linz, sie finde Tests, die die Beratungsqualität in Apotheken überprüfen, grundsätzlich gut – egal wer sie durchführt. Wer seine Stellung als Heilberufler herausstelle, müsse solche Kontrollen akzeptieren. Zwar sei auch der jüngste Test eine Stichprobe und nicht repräsentativ – die Ergebnisse sollten dennoch ernst genommen werden und als ein „Signal gelten, sich kritisch zu hinterfragen“. Mit der aus dem Test abgeleiteten Aussage, Apotheken würden schlecht beraten, ist Linz hingegen nicht einverstanden. Sie spiegele sich nicht in den Testergebnissen wieder. Linz hätte sich zudem gewünscht, dass bei der Bewertung der Vor-Ort- und Versandapotheken die gleichen Maßstäbe angelegt werden. Unglücklich gewählt findet sie zudem das Interaktionsbeispiel zu Paroxetin und Tamoxifen. Die Beratung müsse hier mit Fingerspitzengefühl erfolgen – ein Hinweis ausgedruckt im Paket einer Internetapotheke vorzufinden zählt für sie nicht dazu.

Bei den Versandapotheken belegt die Deutsche Internet Apotheke (DIA) mit dem Qualitätsurteil „gut“ (2,0) Platz eins. DIA-Sprecher Philipp Heift zeigte sich erfreut und betonte: „Als Apotheke tragen wir die Verantwortung für die Sicherheit der Patienten.“ Im letzten Apothekentest der Warentester 2010 habe man deutlich schlechter abgeschnitten. Daraufhin habe DIA Konsequenzen gezogen und Umstrukturierungen und Mitarbeiterschulungen vorgenommen. Dieser Einsatz habe sich gelohnt, so Heift. Er hält „Tests jeglicher Form für sehr sinnvoll“ – auch wenn es nur Stichproben sind. Unternehmen könnten dadurch Schlüsse ziehen und die Qualität der Beratung verbessern.

Anders sehen dies die Apotheken, die weniger gut abschnitten. Die Apothekerin, die mit der Note „ausreichend“ (4,1) auf dem letzten Platz der Vor-Ort-Apotheken gelandet ist, hält von derlei Tests „überhaupt nichts“. Es handle sich dabei nur um Stichproben, letztlich solle sich jeder eine eigene Meinung bilden. Eine Stellungnahme von Zur Rose – die sich bei den Versandapotheken auf dem letzten Platz befindet und als einzige Apotheke die Bewertung „mangelhaft“ (4,8) erhielt – war bis Redaktionsschluss der DAZ nicht zu erhalten. Die ebenfalls zur Zur Rose-Gruppe gehörende niederländische Versandapotheke DocMorris landete übrigens mit einem „befriedigend“ (2,8) im Mittelfeld. 

Ansporn statt Verteidigung

Ein Kommentar von Benjamin Wessinger

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ, wundert sich über manche Reaktion auf den Apothekentest.

„Mehr als zwei Drittel der Apotheken erfüllen die Anforderungen“, so hätte die Überschrift über den neuesten Apothekentest der Stiftung Warentest auch lauten können. Denn 12 von 21 geprüften Vor-Ort-Apotheken lieferten ein „befriedigendes“ Ergebnis ab, vier weitere ein „gutes“. Und da Stiftung Warentest das Schulnotensystem verwendet, bedeutet „befriedigend“, dass „die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht“ (so hat das zumindest 1968 die Kultusministerkonferenz festgelegt) und „gut“, dass „die Leistung den Anforderungen voll entspricht“. Für ein „sehr gut“ müsste sie den Anforderungen übrigens „im besonderen Maße“ entsprechen.

Trotzdem dürfen wir uns nun nicht darauf zurückziehen, über die „bösen“ Medien zu schimpfen, die nur eine Gelegenheit suchen, den Apothekern „Eine einzuschenken“ – auch wenn die „Bild“-Schlagzeile „Deutsche Apotheken beraten mies“ von den tatsächlichen Testergebnissen wohl nicht gedeckt ist.

Ebenso sollten wir uns hüten, mit Verweis auf die (zu) niedrige Stichprobenzahl oder andere methodische Merkwürdigkeiten (Warum ging beispielsweise die „fachliche Qualität“ bei den Versandapotheken nur zu 65 Prozent, bei den Präsenzapotheken aber zu 80 Prozent in die Bewertung ein?) die Aussagekraft der Testergebnisse zu relativieren.

Auch die unbestritten hohen bürokratischen Anforderungen durch Rabattverträge, Importquoten, Hilfsmittelverträge usw. sollten wir nicht als Entschuldigung für das Übersehen gravierender Wechselwirkungen anführen – und die Herkunft der „Testrezepte“ spielt für das Ergebnis überhaupt keine Rolle!

Solche Erklärungsansätze werden von der Öffentlichkeit nicht akzeptiert werden, unabhängig davon, welche Bedeutung sie tatsächlich für das Zustandekommen unbefriedigender Testergebnisse haben.

Wir müssen akzeptieren, dass es in den Apotheken offenbar immer noch große Spielräume für Verbesserung gibt – in fachlicher wie in kommunikativer Hinsicht.

Statt Entschuldigungen zu suchen, sollten wir Apothekentests als Ansporn nehmen, noch besser zu werden. Denn eines ist klar: der nächste Tester kommt bestimmt!

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