Arzneimittel und Therapie

Multiple Sklerose

Für eine frühzeitige Therapieeskalation bei der multiplen Sklerose haben sich Experten beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ausgesprochen. Zeigen die Patienten eine hohe Krankheitsaktivität oder entwickeln trotz Basistherapie einen weiteren Krankheitsschub, so sollte die Behandlung demnach unverzüglich durch Wirkstoffe wie Fingolimod (Gilenya®) intensiviert werden. Ziel der Therapieeskalation ist es, weitere Krankheitsschübe effektiv abzuwehren.
Weniger Schübe Unter dem oralen Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator Fingolimod sind fünf Jahre nach Therapiebeginn noch 59% der Patienten ohne weiteren Krankheitsschub.  Foto: Claudia Nagel – Fotolia.com

Die Behandlung von MS-Patienten mit Fingolimod führt zu einer dauerhaften Reduktion der jährlichen Schubrate. Toleranzerscheinungen sind nicht beschrieben, und durch die gute klinische Wirksamkeit des Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulators (S1P-RezeptorModulator) sind fünf Jahre nach Therapiebeginn noch 59% der Patienten ohne weiteren Krankheitsschub. "Das sind Behandlungsergebnisse, von denen wir in den 80er Jahren nicht zu träumen wagten", berichtete Prof. Dr. Ralf Gold aus Bochum bei einer von Novartis Deutschland unterstützten Veranstaltung beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie am 26. September 2012 in Hamburg. Fingolimod reduziert nach seiner Darstellung zugleich die Behinderungsprogression und stabilisiert bei kontinuierlicher Behandlung die Abnahme des Hirnvolumens.

Wie günstig sich eine frühzeitige Therapieeskalation auswirkt, belegen nach Angaben von Prof. Dr. Volker Limmroth, Köln, die Ergebnisse der Extensionsphase der Zulassungsstudie TRANSFORMS, in der mehr als 1000 Patienten mit schubförmig-remittierender MS zunächst ein Jahr lang mit Interferon beta-1a oder mit Fingolimod behandelt wurden. Anschließend konnten alle Patienten mit Fingolimod weiterbehandelt werden, wobei mittlerweile Therapieerfahrungen über 4,5 Jahre vorliegen. Unter dem S1P-Rezeptor-Modulator kam es zu einer signifikanten Reduktion der jährlichen Schubrate um 52%, ein Effekt, der nach Limmroth auch in der Extensionsphase erhalten blieb. Die Schubrate pendelte sich dadurch bei kontinuierlicher Gabe des Wirkstoffs auf einem mit 0,16 niedrigen Niveau ein. Auch die ursprünglich mit Interferon beta-1a behandelten Patienten profitierten nach der Therapieumstellung. Bei ihnen nahm die jährliche Schubrate in der Extensionsphase um durchschnittlich 33% ab, der Therapieeffekt war damit nicht ganz so ausgeprägt wie bei der frühzeitigen Fingolimod-Gabe. "Die Patienten konnten den Vorsprung der Frühtherapie offenbar nicht mehr ganz aufholen", sagte der Neurologe.

Schwelbrand frühzeitig löschen

Er plädiert deshalb für eine frühzeitige Eskalation der MS-Behandlung. Diese ist angezeigt, sobald durch die Basistherapie eine effektive Krankheitskontrolle nicht mehr möglich ist. Die Therapieeskalation soll in einer solchen Situation die subklinische Krankheitsaktivität eindämmen und damit vor weiteren Schüben schützen. "Das ist ähnlich, wie wenn in einem Haus ein Brand schwelt. Wenn man ihn frühzeitig löscht, bleibt der Schaden gering. Wartet man jedoch ab, bis das Feuer richtig lodert, so ist der Brand möglicherweise nicht mehr einzudämmen, das Haus nimmt unverhältnismäßig mehr Schaden". Für eine frühzeitige Eskalation spricht nach Gold auch die Verträglichkeit und das Sicherheitsprofil der Substanz, zu der mittlerweile kontrollierte Therapieerfahrungen aus Studien bis zu sieben Jahren vorliegen. Es traten dabei keine neuen Sicherheitssignale auf, Sicherheitsbedenken bei der Langzeittherapie gibt es nach Gold nicht. Die Langzeitstudie führte nach seiner Darstellung ebenfalls zu einer niedrigen jährlichen Schubrate von 0,16. "Die Patienten erleben damit im Mittel nur alle sechs Jahre einen MS-Schub", erklärte der Neurologe. Jeder zweite Patient blieb sogar über den gesamten Beobachtungszeitraum schubfrei. Für Fingolimod spricht nach Dr. Michael Lang noch ein weiterer Aspekt: "Der Wirkstoff wird einmal täglich als Tablette eingenommen und muss nicht injiziert werden. Das erleichtert die Behandlung erheblich", erklärte der in Ulm niedergelassene Neurologe.


Medizinjournalistin Christine Vetter



DAZ 2012, Nr. 42, S. 102

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