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Erstattungsbeträge: Kontroverse um vertrauliche Rabatte

Opposition kritisiert "Klientelpolitik" – vfa beteuert: kein deutscher Sonderweg

BERLIN (ks). Wie hoch die Preisnachlässe sind, die Arzneimittelhersteller den Krankenkassen aufgrund von Rabattverträgen gewähren, ist seit jeher ein Geheimnis – zum Ärger vieler Apothekerinnen und Apotheker. Lediglich das Gesamtvolumen dieser vertraglichen Rabatte müssen die Kassen dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) regelmäßig melden. Möglicherweise wird es bald noch mehr vertrauliche Rabatte geben. Die forschenden Hersteller fordern schon seit geraumer Zeit, dass die mit dem GKV-Spitzenverband verhandelten Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel unter Verschluss bleiben. Das BMG prüft dieses Ansinnen derzeit.

Neu ist die Diskussion über die Vertraulichkeit von Rabatten auf Arzneimittelpreise nicht – vergangene Woche erreichte sie jedoch die Tagespresse. Schon im Dezember letzten Jahres hatte der neue vfa-Vorsitzende Hagen Pfundner für eine Gesetzesänderung plädiert: Es müsse den Pharmaunternehmen ermöglicht werden, die mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel vertraulich zu halten. Derzeit sieht das Gesetz einen transparenten Rabatt vor, der vom Hersteller über den Großhandel und die Apotheken an die Kassen weitergeleitet wird. Die Hersteller von Arzneimittelinnovationen sehen hierdurch jedoch den deutschen Referenzpreis gefährdet – denn nach wie vor orientieren sich viele Länder bei der Arzneimittelpreisbildung an Deutschland. Und so fürchten die Hersteller, dass eine Preisspirale nach unten in Gang gesetzt wird, wenn die hierzulande ausgehandelten Rabatte offen in der Lauer-Taxe erscheinen.

Bundesrat regte Prüfung an

Bereits im Januar 2012 griff die Union das Thema in einem ersten Positionspapier zur AMG-Novelle auf – kürzlich bekräftigte sie ihre Haltung in einem überarbeiteten Papier: Eine Veröffentlichung der vereinbarten Rabatte sei grundsätzlich nicht nötig, so die CDU/CSU-Fraktion. Aber auch der Bundesrat hat sich im Gesetzgebungsverfahren zur AMG-Novelle dafür ausgesprochen, eine mögliche Vertraulichkeit zumindest zu prüfen – die Bundesregierung ging auf diesen Vorschlag ein und sagte eine solche Prüfung zu.

Bei der Opposition schlugen nun die Wellen hoch – der Koalition wird vorgehalten, vor der Pharmalobby einzuknicken. Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte: "Das ist schwarz-gelbe Klientelpolitik zulasten von Verbrauchern par excellence." SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: "Transparenz über Preisverhandlungen und Nachlässe müssen gerade in einem öffentlichen Gesundheitssystem gewährleistet sein." Auch der GKV-Spitzenverband lehnt die Idee aus dem Pharmalager ab: "Wir sind dafür, die geplante Transparenz der ausgehandelten Erstattungsbeträge beizubehalten", sagte Sprecher Florian Lanz.

vfa weist Kritik zurück

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa), Birgit Fischer, hält den Kritikern nun entgegen, dass Deutschland keinen Sonderweg einschlage, wenn die Verhandlungsergebnisse vertraulich gehalten werden. "Die meisten Länder arbeiten mit einem allgemein bekannten Listenpreis, verhandeln Rabatte und denken nicht daran, diese Verhandlungsergebnisse öffentlich auf den Markt zu tragen." Lege man hierzulande andere Regeln fest, profitiere nicht das deutsche Gesundheitssystem durch Einsparungen – vielmehr forderten andere Länder einfach einen größeren Rabattanteil für sich. "Die Spielräume für deutsche Verhandlungen werden somit eingegrenzt", so Fischer. Sie verweist zudem darauf, dass auch die schon seit Jahren üblichen Rabattverträge zwischen Industrie und Kassen vertraulich sind – und gerade deshalb beachtliche Volumina erreichten.

Was geschieht mit Ticagrelor?

Keine Furcht um seinen Referenzpreis hat indessen der Pharmakonzern AstraZeneca. Sein Präparat Brilique® (Ticagrelor) war das erste in der frühen Nutzenbewertung und wird auch als erstes die Verhandlungen zum Erstattungsbetrag vollendet haben. Am 9. Mai war der vierte und möglicherweise letzte Verhandlungstermin mit dem GKV-Spitzenverband. Es können jedoch noch Zusatztermine vereinbart werden, soweit dies nötig erscheint – feststehen muss der Preis bis Ende Juni. Ob man diese Woche schon zu einem Ergebnis gekommen ist, war zu DAZ-Redaktionsschluss nicht klar. "Es ist nicht unüblich, die komplette Verhandlungszeit zu nutzen", sagte ein Unternehmenssprecher gegenüber der DAZ. Zumal es sich bei Ticagrelor um das erste Arzneimittel im neuen AMNOG-Verfahren handelt. AstraZeneca werde das Verfahren jedoch keinesfalls hinauszögern, um eine Entscheidung des Gesetzgebers über die Vertraulichkeit abzuwarten. Angesichts des positiven Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses und der guten Studienlage sei man selbstbewusst. "Wir glauben an unser gutes Produkt", so der Sprecher.



DAZ 2012, Nr. 19, S. 20

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