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GKV-Spitzenverband: AMNOG führt zu Einsparungen und besserer Versorgung

BERLIN (ks). Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hat der Gesetzgeber erstmals in die freie Preisbildung der Arzneimittelhersteller eingegriffen. Seit 2011 werden neue Arzneimittel einer frühen Nutzenbewertung unterzogen – auf deren Grundlage verhandeln Hersteller und GKV-Spitzenverband sodann einen Erstattungspreis. Dieser soll den Zusatznutzen des Medikamentes gegenüber bereits etablierten Therapien abbilden. Ende Mai letzten Jahres wurde der erste Erstattungsbetrag vereinbart. Zeit für den GKV-Spitzenverband, Zwischenbilanz zu ziehen. Er ist überzeugt: Die Verhandlungen laufen fair und stehen ganz im Lichte des Zusatznutzens. Die Herstellerverbände haben einen etwas kritischeren Blick auf das AMNOG-Verfahren.
Einen Perspektivwechsel in der Arzneimittelversorgung durch das AMNOG sieht Johann-Magnus von Stackelberg, GKV-Spitzenverband.

Foto: DAZ/Sket

Ticagrelor von AstraZeneca hatte vor einem Jahr den Anfang gemacht. Seinerzeit verkündeten pharmazeutischer Unternehmer und GKV-Spitzenverband noch gemeinsam den erfolgreichen Verhandlungsabschluss – und verrieten sogar den ausgehandelten Rabatt. Mittlerweile gibt es für 21 Arzneimittel, die nach dem 1. Januar 2011 auf den Markt gekommen sind, Erstattungsbeträge. 17 sind das Resultat von Verhandlungen, vier setzte die Schiedsstelle fest. Zwei Arzneimittel, denen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keinen Zusatznutzen attestiert hatte, wurden direkt und ohne Verhandlungen in Festbetragsgruppen eingruppiert. Die Hersteller von vier neuen Arzneimitteln entschieden sich nach dem wenig positiven Ergebnis der frühen Nutzenbewertung für die "opt-out"-Lösung: Sie gingen vom deutschen Markt bzw. betraten ihn erst gar nicht. Derzeit verhandeln Unternehmen und GKV-Spitzenverband für weitere zehn Arzneimittel den von den Kassen künftig zu erstattenden Preis.

Schluss mit Me-Toos

Beim GKV-Spitzenverband ist man höchst zufrieden: Von 29 Arzneimitteln, für die der G-BA einen Beschluss zur frühen Nutzenbewertung getroffen hat (ohne Orphan Drugs), hätten 17 einen Zusatznutzen bescheinigt bekommen – "eine tolle Sache", meint der Vizevorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Unerwähnt lässt er dabei, dass dieser Zusatznutzen meist nur für Subgruppen gilt – und nicht etwa für alle potenzielle Patienten. Doch für Stackelberg zählt vor allem der "Perspektivwechsel", den das AMNOG mit sich gebracht hat: "von den Gewinninteressen der Pharmaindustrie hin zu den Versorgungsinteressen der Patienten". Und natürlich freut er sich auch über die Einsparungen. Allein durch die jetzigen 21 Erstattungsbeträge könnten in den Jahren 2012 und 2013 rund 120 Mio. Euro gespart werden. Das entspreche etwa 16 Prozent des Umsatzes dieser Arzneimittel. Die Erstattungsbeträge kämen zudem in einer "interessanten Phase" des ökonomischen Lebenszyklus eines Arzneimittels zum Tragen, so Stackelberg. Nämlich ein Jahr nach der Markteinführung – in der Zeit der Expansion, aber noch nicht in der Phase, da der Markt bereits richtig durchdrungen ist. Es kann also noch kräftig weiter gespart werden, so die Erwartung. Dennoch betont Stackelberg, dass die Ersparnis nicht das zentrale Kriterium sei – wirklich wichtig sei, dass mit dem AMNOG Schluss sei mit schlichten Molekülvarianten. Für neue Arzneimittel mit einem echtem Zusatznutzen für die Patienten erhielten die Pharmaunternehmen auch künftig deutlich mehr Geld – Me-Toos würden hingegen nicht mehr besser bezahlt als vergleichbare Präparate.

Keine fixe Rechenformel

Stackelberg ist überzeugt: Das neue AMNOG-Verfahren bedeutet keinesfalls das Aus für Innovationen. Bei der Verhandlung der Erstattungsbeträge sei der Zusatznutzen zentraler Dreh- und Angelpunkt. Dieser werde anhand der Kriterien Mortalität, Morbidität, Lebensqualität und Nebenwirkungen monetarisiert. Am Ende stehe ein Zuschlag auf den Preis für die zweckmäßige Vergleichstherapie. "Das ist die Logik des AMNOG", betont Stackelberg, "wir halten uns sehr eng an die gesetzlichen Vorgaben". Eine fixe Rechenformel gebe es nicht – vielmehr würde stets ein Einzelfall verhandelt. Der GKV-Vize will sich nicht nachsagen lassen, seinem Verband gehe es nur um Kostendämpfung. "Es ist nicht unser Ansporn, die Preise auf Teufel komm raus zu drücken, wir wollen faire Preise", so Stackelberg. Um dies zu belegen, verweist er auf ein Arzneimittel, bei dem der GKV-Spitzenverband sich auf den Preis eingelassen habe, den der Hersteller vorgeschlagen habe – das HIV-Präparat Rilpivirin.

Vfa: Innovationen werden bestraft

Beim Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) kommt dies jedoch ganz anders an. Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa, sieht das AMNOG sogar "als reines Kostendämpfungsinstrument benutzt" – entgegen der gesetzgeberischen Intention. Denn der Preis neuer, innovativer Arzneimittel orientiere sich an Preisen von Generika, die schon lange auf dem Markt sind und deren Investitionskosten längst abgeschrieben sind. Den Knackpunkt sieht Fischer in der Doppelrolle des GKV-Spitzenverbandes: zum einen ist er stärkste Kraft im G-BA bei der Nutzenbewertung, sodann ist er Verhandlungspartner, wenn es um den Erstattungsbetrag geht. So könne er zunächst eine billige Vergleichstherapie (sie ist in bislang rund 80 Prozent der Fälle generisch) auswählen – und von ihrem Preis dann die Erstattungsbeträge eines neuen Arzneimittels mit bestätigtem Zusatznutzen ableiten. "So angewandt bestraft das AMNOG Innovationen", sagt Fischer. "Ein faires Verfahren sieht anders aus."

Wo es aus GKV-Sicht hakt

Stackelberg macht hingegen an anderen Stellen Nachbesserungsbedarf aus: Zum einen will er klargestellt wissen, dass sich die Handelsmargen der Apotheker und Großhändler nicht am Listenpreis des Arzneimittels zu bemessen haben, wie es sich in der Rahmenvereinbarung liest, die der GKV-Spitzenverband und die Herstellerverbände im März 2012 unterzeichnet haben. Maßgeblich für diese Spannen sei vielmehr der um den ausgehandelten Rabatt reduzierte Preis (siehe AZ 2013, Nr. 23, S. 8). In der Praxis rechnen die Apotheken jedoch bekanntlich anders ab. Zum anderen möchte Stackelberg den vereinbarten Rabatt auf der Webseite des GKV-Spitzenverbandes öffentlich machen. Bislang können lediglich Apotheken anhand ihrer Software erkennen, wie hoch diese Rabatte sind. Doch Stackelberg meint, das öffentliche Interesse an den Erstattungsbeträgen gehe weiter. Zwar sei sein Verband anfänglich einverstanden gewesen, diese nicht zu publizieren – aber mittlerweile habe ein "Meinungswandel" stattgefunden. Daher, so Stackelberg, habe man alle Hersteller gefragt, ob der GKV-Spitzenverband die Rabatte veröffentlichen könne. Doch die Hersteller hielten von diesem Vorschlag überwiegend gar nichts.

BPI: Kein Verständnis für Meinungswandel

An diesen beiden Punkten setzt die Kritik des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) an. Hier zweifelt man an der Verlässlichkeit des GKV-Spitzenverbandes, wenn dieser besagte Rahmenvereinbarung "nach wenigen Monaten in einem zentralen Punkt neu interpretiert". Die Herstellerverbände stehen zu ihrer Auffassung, dass der Listenpreis maßgeblich für weitere Margen ist – Apotheker und Großhändler sehen dies nicht anders. BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp stellte klar: "Wir setzen das Recht um und wir halten uns an die Rahmenvereinbarung, die auch die Unterschrift der Vorstände des GKV-Spitzenverbandes trägt." Insoweit dürfte der Wunsch Stackelbergs, sich mit den Herstellerverbänden einvernehmlich auf eine Änderung der Rahmenvereinbarung zu verständigen, wenig aussichtsreich sein. Auch was die Veröffentlichung der ausgehandelten Rabatte betrifft, hält der BPI dagegen: Der Gesetzgeber habe bestimmt, dass diese Rabatte vom Hersteller über Großhändler und Apotheker an die Kassen und Selbstzahler zu gewähren sind. Dafür existiere das in Deutschland bewährte System der Arzneimittelabrechnung, in dem alle erforderlichen Abrechnungsinformationen abgebildet seien. "Für weitergehende Veröffentlichungen gibt es keinen Anlass", so Fahrenkamp. Übrigens stehen in diesem Punkt nicht einmal alle Krankenkassen auf der Seite des GKV-Spitzenverbandes. So hat etwa Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, durchaus Verständnis für den Wunsch der Hersteller nach einer gewissen Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge. Er meint, dass das globale Preissystem durchaus funktioniert – es könne aber gefährdet werden, wenn man nun die Preise, auf die andere Länder Bezug nehmen, nach unten drücke. So könnte es für Großhändler interessant werden, Arzneimittel, die hierzulande plötzlich so günstig sind, um die Welt schicken. Von einer Veröffentlichung der Rabatte auf der GKV-Webseite hält Baas daher nichts.

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