Feuilleton

Farblacke sind keine Lackfarben und farbige Stoffe noch keine Farbstoffe

Farben verbreiten Frohsinn Natürliche Farben allein können die ästhetischen Bedürfnisse des Menschen längst nicht mehr befriedigen. Ein ganzer Industriezweig ist entstanden, um die enorme Nachfrage zu decken. Foto: BASF

Das Wort "Farbe" hat im Deutschen Sprachgebrauch zwei unterschiedliche Bedeutungen, eine phänomenale und eine substanzielle. "Farbe" ist einerseits eine visuell wahrnehmbare Erscheinung (engl. colour, fr. couleur) und zum anderen die Bezeichnung für eine färbende oder farbgebende Substanz (engl. paint, fr. peinture).


Farbmittel ist der Sammelbegriff für lösliche Farbstoffe und unlösliche Pigmente, die man dazu benutzt, verschiedenen Objekten Farbigkeit zu verleihen.


Farbstoffe sind in Wasser oder organischen Lösemitteln löslich, stellen in der Regel organische Verbindungen dar, die pflanzlichen und tierischen Ursprungs sind oder waren, heute aber weitgehend synthetisch gewonnen werden. Farbstoffe haben die Fähigkeit, andere Materialien zu färben.


Pigmente sind pulverförmige, hauptsächlich anorganische Farbmittel, die sich weder in Wasser noch in anderen Lösemitteln auflösen. Sie stammen meist aus dem Mineralreich und werden in fein pulverisierter oder mikronisierter Form als Suspensionen angewandt. Man gewinnt sie durch Mahlen, Schlämmen und Trocknen.


Merke: Farbstoffe ergeben durchsichtige Lösungen, Pigmente ergeben undurchsichtige Suspensionen.

Leider wird in der Biologie die Bezeichnung "Pigmente" für alle farbgebenden Stoffe in lebenden Organismen gebraucht, ungeachtet ob es sich dabei um wasserlösliche Farbstoffe wie die Anthocyane oder um lipophile Stoffe wie die Carotinoide handelt.

Produzenten von Naturfarbstoffen

Die folgenden Aufzählungen sollen die Mannigfaltigkeit der nativen Farbstoffe beleuchten und sind keineswegs vollständig.

Pflanzen. Das Gros der wasserlöslichen pflanzlichen Farbstoffe gehört zur umfangreichen Gruppe der Flavonoide (Flavonolglykoside, Anthocyane, Procyanidine) und zur kleineren Gruppe der Betalaine (Betacyane und Betaxanthine). Beide sind im wässrigen Zellsaft gelöst. Die meisten lipophilen pflanzlichen Pigmente zählen zu den Carotinoiden und einige zu den Chlorophyllen, die in den Plastiden enthalten sind. Daneben sind weitere Gruppen zu nennen, wie Benzochinone (s. Pilze), Naphthochinone (Lawson, Alkannin, Menadione, Rifamycine), Anthrachinone (Alizarin, Emodine, Hypericin) und verschiedene "Einzelgänger" wie Berberin, Carthamin, Curcumin, Indigo.


Flechten. Rocella tinctoria, Lecanora -Arten, Variolaria -Arten produzieren die Farbstoffe Lackmus und Orseille (Orcein).


Algen. Blau- und Rotalgen: Bacteriochlorine, Phycocyanobilin, Phycoerythrobilin, Phytochrom.

Grünalgen: Caulerpa racemosa: Caulerpin.


Pilze. Cortinarius orellanus: Orellanin.

Hapalopilus rutilans und viele andere: Terphenylchinone wie Polyporsäure und zahlreiche Derivate.

Claviceps purpurea: Polyketidfarbstoffe, Ergochrome, Secalonsäuren.


Tiere. Zu den Farbstoffen im Tierreich zählen Porphyrine (Häm, Bonellin, Turacin), ringoffene Tetrapyrrole (Phycobiline, Bilirubin, Biliverdin u. a.), indigoide Farbstoffe (Antiker Purpur), Anthrachinone (Cochenille-Karmin, Karminsäure, Kermessäure), Xanthonfarbstoffe (Euxanthon, Magniferin).


Mikroorganismen.

Cyanobakterien (Blaugrüne Algen): Tolyporphine.

Darmbakterien: Corrin-Derivate (Cobalamine).

Phototrope Bakterien: Bacteriochlorophylle.

Serratia -Arten: Prodigiosin.

Verschiedene Bakterien: Indigoidin, Phthiokol.

Penicillium -Arten: Phoenicin, Skyrin.

Streptomyceten: Actinomycine, Actinorhodin, Tetracycline.

Färbeverfahren

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen

  • Färbeverfahren für Textilien, Leder, Holz, Metall, Kunststoffe und vergleichbare Materialien,

  • Färben von Lebensmitteln mit Farbstoffen und Pigmenten als Lebensmittelzusatzstoffen,

  • Färbeverfahren in der Histologie, Medizin und Biologie.

Hier sollen nur die Färbeverfahren für Textilien kurz abgehandelt werden.

Nicht jede farbige Substanz oder farbige Verbindung ist als Textilfarbstoff geeignet. Für die Textilfärberei kommen nur solche Farbstoffe infrage, die aus einer Lösung oder Suspension, d. h. aus dem Färbebad (= "Flotte") auf die Faser und damit auf das Garn oder das Tuch aufziehen. "Aufziehen" bedeutet, dass der Farbstoff möglichst weit in die Faser eindringt und dort physikalisch oder chemisch gebunden wird.


Reaktivfarbstoffe färben Textilien, indem sie mit funktionellen Gruppen der Faser Substitutions- oder Additionsreaktionen eingehen und damit eine kovalente Bindung erzeugen. Sie bestehen aus zwei Teilen, einer chromophoren Partialstruktur und einer reaktiven Gruppe. Als Beispiele sind die Remazol-Farbstoffe oder die Levafix-Farbstoffe zu nennen.


Bei der Direktfärbung zieht der Farbstoff ebenfalls ohne Vorbehandlung auf. Die Bindung an die Faser kommt aber nicht durch eine kovalente Verknüpfung, sondern durch Wasserstoffbrückenbindungen und van-der-Waals-Kräfte zustande. Direktfarbstoffe sind z. B. Carthamin, Juglon, Orseille, Curcumin, Kongorot und Kristallviolett.


Beizenfarbstoffe. Bestimmte Farbstoffe lassen sich nicht direkt auf der Faser fixieren. Daher benötigt man zum Einfärben Hilfsmittel, die eine Bindung zwischen Farbstoff und Faser herstellen, die Beizen (s. Kasten). Das Färbegut wird zuerst mit einer Beize (meist: Metallsalze) behandelt und anschließend heißem Wasserdampf ausgesetzt. Auf der Faser werden dabei Metallhydroxide fixiert, die dann mit den Beizenfarbstoffen Chelate bilden. Prototypen der Beizenfarbstoffe sind Alizarin (Krapp), Luteolin (Wau) und Cochenille.


Beizen


Unter Beizen versteht man im Allgemeinen die Behandlung der Oberfläche fester Körper wie Textilien, Holz oder Metall durch Eintauchen, Bestreichen oder Besprühen mit meist wässrigen Lösungen von geeigneten Substanzen, den sogenannten Beizen.

Für die Textilfärberei verwendete Beizen sind z. B. Alaun, Chrom-, Eisen- und Kupfersalze sowie Weinstein (früher auch Pottasche, Seife oder Urin).


Verlackung. Farblacke sind keine Lacke oder Lackfarben im Sinne der Anstrichtechnik, sondern aus wasserlöslichen Farbstoffen erzeugte, schwer- bis unlösliche Pigmente auf der Faser. Anionische organische Farbstoffe (Säurefarbstoffe), die als saure Funktionen Sulfonat- oder Carboxylat-Gruppen enthalten, werden mit Aluminiumhydroxid oder mit wasserlöslichen Salzen anderer Metalle (Ca, Mn, Fe, Sn und Pb) gefällt, d. h. zu Metallsalzen umgesetzt. Kationische (basische) Farbstoffe, die Aminogruppen enthalten, lassen sich mit Phosphor-, Silicium-, Wolfram-, oder Molybdän-haltigen Säuren bzw. Heteropolysäuren, Tanninen oder Brechweinstein zu Farblacken umsetzen.


Bei der Küpenfärberei werden wasserunlösliche Farbstoffe durch Reduktion in alkalischer Lösung in lösliche Leukobasen (griech. leukos hier nicht in der Bedeutung "weiß", sondern "farblos") oder Dihydroformen umgewandelt ("verküpt"), die auf die Fasern aufziehen. Durch anschließende Oxidation mit Luftsauerstoff oder Oxidationsmitteln wie Wasserstoffperoxid, Kaliumdichromat oder Natriumhypochlorit entsteht dann auf der Faseroberfläche der unlösliche Farbstoff als Pigment. Typische Küpenfarbstoffe sind Indigo und Antiker Purpur.


Autor
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth, Friedrich-NaumannStr. 33, 76187 Karlsruhe
www.h-roth-kunst.com, info@h-roth-kunst.com



DAZ 2011, Nr. 16, S. 84

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