Interpharm 2011

Die Haut kämpft gegen eingebildete Feinde

In Mitteleuropa sind etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung von einer Psoriasis betroffen, einer Überreaktion der Hautzellen. In Deutschland leiden zwei Millionen Menschen darunter. Prof. Dr. Kristian Reich, Hamburg, berichtete über die Entstehungsmechanismen und die modernen Therapiemöglichkeiten.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Prof. Dr. Kristian Reich Foto: DAZ/Reimo Schaaf

Vereinzelt tritt die Psoriasis erstmals bereits im Kindesalter oder in der Pubertät auf, häufig zeigt sie sich jedoch zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Bei den meisten Patienten wechseln sich Phasen mit starker und geringer Krankheitsaktivität ab. Oft kommt es zwischen den Krankheitsschüben zu langen, spontanen Ruhepausen und Besserungen.

Scharf begrenzte Herde

Die häufigste Form ist die Plaque-Psoriasis mit rötlichen und juckenden scharf begrenzten Herden, den so genannten Plaques, die mit silbrig-weißlichen Schuppen bedeckt sind. Diese Herde treten an der Kopfhaut, den Streckseiten der Extremitäten und der Sakralregion auf, können aber auch Achseln, Gesäßfalte, Genitalbereich und Leisten befallen (inverse Psoriasis). Gelegentlich sind auch die Nägel betroffen. Sind die Herde deutlich sichtbar, können die Betroffenen unter einem hohen Leidensdruck stehen.

Einer von fünf Betroffenen entwickelt außerdem eine Psoriasis-Arthritis, bei der auch die Gelenke von Entzündungsreaktionen betroffen sind. Neben einem Befall kleiner Gelenke der Hände und Füße kann es zu Weichteilentzündungen (Daktylitis) und Entzündungen der Sehnenansätze (Enthesitis) kommen.

Autoimmunerkrankung

Die Psoriasis ist keine Infektionskrankheit und nicht ansteckend. Die Ursache ist eine Störung des Immunsystems, die zu überschießenden Abwehr- und Reparaturreaktionen der Haut führt. Dabei wandern T-Lymphozyten in die Haut ein, um einen vermeintlichen Feind oder Fremdstoff zu bekämpfen, und setzen Entzündungsbotenstoffe frei. Diese regen vor allem die hornbildenden Zellen der Epidermis, die Keratinozyten, zu übermäßigem Wachstum an, um den vermeintlichen Defekt rasch zu schließen. Als Folge teilen sich diese Verhornungszellen etwa achtmal schneller als in gesunder Haut, gelangen als nicht vollständig ausgereifte Zellen in die Epidermis und schilfern schuppenförmig ab. Die Entzündung wird an der scharfen roten Begrenzung der Herde sichtbar.

Foto: Reich
Wurde die Schuppenflechte vor Jahren als reine Hauterkrankung eingestuft, gilt sie heute als Systemerkrankung mit hoher Krankheitslast für die betroffenen Patienten. Die häufigste Variante ist die Plaque-Psoriasis mit den typischen scharf begrenzten rötlich schuppenden Herden (links). Eine Nagelpsoriasis (rechts) findet sich besonders oft bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis.

Die Veranlagung wird vererbt

Wahrscheinlich führte die verstärkte Reaktion der Haut auf Infektionen und Schädigungen im Laufe der Menschheitsentwicklung auf der anderen Seite zu einer besseren Wundheilung und Immunabwehr, so dass die Veranlagung für eine Psoriasis sich weiter vererben konnte.

Damit eine Psoriasis ausbricht, müssen weitere Faktoren hinzukommen. Dazu gehören Infektionen und schwerwiegende physische oder psychische Belastungssituationen. Weitere Faktoren sind Hautschäden, kosmetische Präparate und Arzneimittel wie Betablocker, Lithiumsalze, Terbinafin und Antimalariamittel. Zu den entzündungsfördernden Faktoren gehören Zigarettenrauch und Übergewicht. Vor allem das viszerale Fettgewebe kann Entzündungsfaktoren produzieren. Professor Reich bezeichnete es als "Turbomotor für Entzündungen".

Äußerliche Behandlung

Bei leichter Psoriasis umfasst das therapeutische Spektrum eine topische Behandlung mit Retinoiden, Vitamin-D-Analoga wie Calcipotriol und Tacalcitol und potenten Glucocorticoiden, zum Beispiel mittels einer festen Kombination aus Calcipotriol und Betametason.

Bei mittelschweren und schweren Formen wird die medikamentöse Therapie auch kurzfristig mit Bestrahlungen kombiniert. Bestrahlungen sollten aber zurückhaltend eingesetzt werden, da sie Hautkrebs induzieren können.

Fumarsäureester und Immunsuppressiva

Bei mittelschweren und schweren Verläufen, die anders nicht behandelt werden können, werden Fumarsäureester, Retinoide sowie die Immunsuppressiva Methotrexat und Ciclosporin systemisch eingesetzt.

Fumarsäureester haben erhebliche gastrointestinale Nebenwirkungen, die jedoch meistens nach einer Zeit der Gewöhnung zurückgehen. Eine weitere unerwünschte Wirkung ist die Leukopenie, regelmäßige Tests sind daher notwendig.

Ciclosporin ist zur Induktionstherapie gut wirksam, sollte jedoch nicht dauerhaft eingesetzt werden. Zur Langzeittherapie eignet sich Methotrexat; während dessen Anwendung sollte zusätzlich Folsäure eingenommen werden.

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Biologicals als Zweit-Linien-Therapie

Für die Behandlung schwerer Psoriasisformen, die auf andere systemische Therapien nicht angesprochen haben, wenn diese nicht vertragen werden oder nicht eingesetzt werden können, stehen vier Biologicals zur Behandlung zur Verfügung.

Die TNF-Antagonisten Etanercept, Adalimumab und Infliximab führen zu einer deutlichen Reduktion der Hautsymptome um 60 bis 80%. Sie sind auch bei der Nagel-Psoriasis und bei den verschiedenen Formen der Psoriasis-Arthritis wirksam.

Ustekinumab ist der erste zugelassene Antikörper zur Behandlung der Psoriasis. Er blockiert mit Interleukin 12 und 23 zwei Schlüsselmoleküle der Aktivierung und Expansion von T-Zellen durch dendritische Zellen und damit einen wichtigen Krankheitsmechanismus der Psoriasis. Neben Fumarsäure und Methotrexat eignen sich die Biologicals für die bei vielen schwer betroffenen Patienten notwendige Langzeittherapie und zeigen in der Erhaltungstherapie ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil.


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DAZ 2011, Nr. 14, S. 60

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