Arzneimittel und Therapie

Neuer Wirkstoff gegen Psoriasis: Alefacept stoppt überaktive Lymphozyten

Alefacept (vorgesehener Handelsname Amevives®) ist ein rekombinantes Fusionsprotein, das bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis eingesetzt werden kann. Es wirkt über eine Hemmung der aktivierten T-Lymphozyten. In den bisherigen klinischen Studien führten zwölfwöchige Behandlungszyklen bei einem erheblichen Teil der Patienten zu längerfristigen Remissionen. Der Wirkstoff wurde mittlerweile für die Therapie der Schuppenflechte bei der Food and Drug Administration (FDA) und der European Agency for the Evaluation of Medicinal Products (EMEA) zur Zulassung eingereicht. Für Deutschland wird die Zulassung Anfang 2003 erwartet.

Die Psoriasis ist eine der häufigsten Hauterkrankungen in Europa und Nordamerika. Betroffen sind vor allem hellhäutige Bevölkerungsgruppen. Die Prävalenzraten der Psoriasis werden vielfach mit 2% angegeben, wobei diese Angaben lediglich Schätzungen sind, da bisher keine definierten Populationsstudien durchgeführt wurden. Man nimmt an, dass 5,1 Millionen Menschen in Europa, 4,9 Millionen in den USA und 2,5 Millionen in Japan von Psoriasis betroffen sind.

Zwei Millionen Betroffene in Deutschland

In Deutschland leiden rund zwei Millionen Menschen an dieser Krankheit. Bei ihnen erscheinen die charakteristischen silbrigen Schuppen ein bis zwei Mal pro Jahr an Ellenbogen, Knien und über dem Steißbein. Ein Drittel der Patienten ist mäßig schwer bis schwer betroffen, und 60% der Patienten leiden häufig unter Rezidiven. Die Neigung, an Psoriasis zu erkranken, ist genetisch bedingt. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Meist bricht die Erkrankung im frühen Erwachsenenalter aus und begleitet die Betroffenen ein Leben lang. Die Krankheit kann sich aber auch noch zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr manifestieren. Auslöser für einen Psoriasis-Schub können umweltbedingte, äußere oder auch innere Faktoren sein. Dazu gehören Stress, Verletzungen, lokale Traumen, Medikamente, hormonelle Veränderungen, Stoffwechselstörungen und auch Infektionen.

Juckreiz und Schuppung der Haut

Der Ausdruck "Psoriasis vulgaris" stammt von dem griechischen Begriff "psora" (Krätze) ab und verdeutlicht eine unangenehme Begleiterscheinung der Krankheit, den Juckreiz. Die deutsche Bezeichnung "Schuppenflechte" weist auf die typischen äußerlich erkennbaren Effloreszenzen hin. Das auffälligste Merkmal der Erkrankung ist die bis zu zehnfach gesteigerte Proliferation der Keratinozyten in der Epidermis. Anstelle der üblichen 28 Tage regeneriert sich die Epidermis von Psoriatikern alle drei bis fünf Tage. Dadurch kommt es zu einer Hyperkeratose und einer starken Schuppung der Haut.

In der Haut spielen sich dabei zahlreiche entzündliche Vorgänge ab, die zu einer Hautrötung führen. In den Läsionen der Epidermis sammeln sich neutrophile Granulozyten in Form von mikroskopisch kleinen Pusteln an. In der Dermis finden sich eine erhöhte Anzahl von Mastzellen sowie zahlreiche, zum Teil aktivierte T-Lymphozyten, von denen etwa 5% in die Epidermis auswandern. Diese aktivierten T-Lymphozyten spielen eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der Psoriasis.

Bakterielle Infektion als Ursache?

Bisher gibt es verschiedene Erklärungsansätze dafür, wie es zu der übermäßigen Aktivierung der Lymphozyten kommt. Wahrscheinlich gibt es eine genetische Komponente, welche die fehlerhafte Reaktion der Lymphozyten begünstigt. Wenn die Lymphozyten aktiviert wurden, induzieren sie bei genetisch prädisponierten Patienten die Sekretion eines bestimmten Zytokinmusters, das dann die typischen psoriatischen Hautveränderungen hervorruft.

Ausgelöst wird die Aktivierung durch Antigene, die den Lymphozyten von antigenpräsentierenden Zellen "gezeigt" werden. Die auslösenden Antigene gelangen nach einer neueren Hypothese durch bakterielle Infektionen in den Körper. So zeigt sich die Erstmanifestation einer Psoriasis in 56 bis 97% aller Fälle nach einer Tonsillitis durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A. Demnach könnte die Psoriasis eine Abwehrreaktion der Haut sein, die durch antibakterielle T-Lymphozyten vermittelt wird. Diese T-Lymphozyten scheinen mit epidermalen Autoantigenen zu kreuzreagieren. Das kann dann geschehen, wenn Infektionserreger und körpereigene Proteine Peptide aufweisen, die in bestimmten Bereichen identische oder sehr ähnliche Aminosäuresequenzen besitzen. Werden diese Peptidbereiche an T-Lymphozyten präsentiert, führt dies zu einer kreuzreaktiven T-Zell-Antwort zwischen Pathogen und Wirt. Das Phänomen wird als "molekulare Mimikry" bezeichnet (siehe Kasten).

T-Lymphozyten spielen die Hauptrolle

Das Präsentieren allein reicht für eine Aktivierung aber noch nicht aus. T-Lymphozyt und antigenpräsentierende Zelle müssen in eine Zell-Zell-Kommunikation eintreten und miteinander Signale austauschen. Die Zellen kommunizieren über Signalmoleküle auf den jeweiligen Oberflächen der Zellmembran. Zum Beispiel werden Kommunikationssignale über die Molekülbrücke CD2 (T-Lymphozyt) – LFA3 (antigenpräsentierende Zelle) ausgetauscht.

Der aktivierte T-Lymphozyt greift jetzt in das Immungeschehen ein oder begibt sich in eine Ruhephase. Während der Ruhephase behält er sein immunologisches Gedächtnis und wird zum Memory-T-Lymphozyten. Solche T-Memory-Lymphozyten werden in den betroffenen Hautstellen der Psoriasis-Patienten wieder aktiviert und führen zu einem erneuten Ausbruch der Krankheit. Die Aktivierung beinhaltet wiederum die Präsentation von einem Antigen und das Austauschen von Signalen der Zell-Zell-Kommunikation über die Molekülbrücken.

Alefacept wirkt gegen die aktivierten T-Zellen

Genau hier setzt der neue Immunmodulator Alefacept an: Alefacept verhindert, dass die antigenpräsentierenden Zellen an die T-Zellen andocken. Das Fusionsmolekül Alefacept besteht aus zwei funktionellen Gruppen: Teile des Signalmoleküls LFA3 von der antigenpräsentierenden Zelle wurden biotechnisch mit einem Abschnitt von Immunglobulin G fusioniert. Dieses neue Molekül hat zwei Wirkungen:

  • Zum einen dockt Alefacept mit LFA3 an die Bindungsstelle CD2 der Molekülbrücke auf Seiten des T-Lymphozyten an. LFA3 passt in diese Bindungsstelle wie ein Schlüssel ins Schloss. Durch den Immunglobulin-G-Anteil ist Alefacept recht groß und behindert deshalb die Zell-Zell-Kommunikation des T-Lymphozyten. Dieser ist nun blockiert.
  • Zum anderen lockt der Immunglobulin G (IgG1)-Anteil Zellen der Immunabwehr (Granulozyten) an, die auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für dieses Molekül besitzen. Diese "Killerzellen" erkennen den blockierten T-Lymphozyten; ihre Rezeptoren binden an IgG1 und eliminieren den Lymphozyten.

Alefacept schaltet vor allem die aktivierten Memory-T-Lymphozyten aus, denn diese Zellen sind "kommunikationsbereit", weil sie ein Antigen präsentiert bekamen. Dementsprechend werden sehr viele Signalmoleküle (CD2) auf der Oberfläche exprimiert (gezeigt). Alefacept schaltet damit genau die T-Lymphozyten aus, die am Krankheitsprozess der Psoriasis beteiligt sind.

Gute Wirkung in klinischen Studien

Bislang wurden weltweit 1500 Psoriatiker in klinischen Studien mit Alefacept behandelt. Wirksamkeit, Sicherheit und Lebensqualität wurden in zwei randomisierten, plazebokontrollierten und multizentrischen Phase-III-Studien überprüft. Bei über der Hälfte der Behandelten besserte sich die Krankheit deutlich.

In einer Studie erhielten 553 Patienten mit mittel- bis schwergradiger Psoriasis 10 oder 15 mg Alefacept oder Plazebo intramuskulär, und zwar einmal pro Woche über eine Dauer von zwölf Wochen. Danach schloss sich ein zwölfwöchiges Follow-up an. Zwei Wochen nach der letzten Injektion waren aus der 15-mg-Gruppe 14% (Plazebo 5%) der Patienten völlig bis nahezu völlig symptomfrei. Bei 21% besserte sich der Schweregrad um mindestens 75% (Plazebo 5%), und bei 42% um mindestens 50% (Plazebo 18%).

In einer weiteren Studie erhielten ebenfalls 553 Patienten 7,5 mg Alefacept intravenös über 12 Wochen. Nach Abschluss der Behandlung und des 12-wöchigen Follow-ups folgte ein weiterer 12-wöchiger Behandlungszyklus, bei dem nur ein Teil der ursprünglichen Verum-Patienten erneut mit Alefacept behandelt wurde. Die anderen Patienten erhielten nun Plazebo. Die Patienten, die initial Plazebo erhalten hatten, wurden nun mit Alefacept behandelt. Unter der Behandlung mit Alefacept besserte sich die Schwere der Psoriasis bei der Mehrzahl der Patienten signifikant. Zwei Wochen nach Abschluss eines einmaligen Behandlungszyklus war die Psoriasis bei 38% der Patienten signifikant um mindestens 50% vermindert.

Zwei Wochen nach Ende des zweiten Zyklus waren die Läsionen bei 55% der Patienten um mindestens 50% vermindert (vs. Plazebo 10%). Bei jedem vierten dieser Patienten (26%) gingen die Symptome um mindestens 75% zurück, und jeder fünfte Patient (21%) hatte nach zwei Behandlungszyklen nahezu keine psoriatischen Läsionen mehr. Wenn man auch die Zeit des Follow-ups berücksichtigt, fiel die Zahl der Responder mit 71% (mindestens 50%-ige Reduktion) bzw. 40% (mindestens 75%-ige Reduktion) noch höher aus.

Die Therapie wurde gut vertragen. In beiden Studien gab es keine Hinweise auf Reboundeffekte oder rasche Rückfälle nach Therapieende. Auch scheinen opportunistische Infektionen unter der Therapie mit Alefacept nicht häufiger aufzutreten als unter der Plazebobehandlung.

Kastentext: Molekulare Mimikry

Nach einer neueren Hypothese könnte die Psoriasis eine Abwehrreaktion der Haut sein, die durch antibakteriell reagierende T-Lymphozyten vermittelt wird. Diese T-Lymphozyten scheinen mit epidermalen Autoantigenen zu kreuzreagieren. Das kann dann geschehen, wenn Infektionserreger und körpereigene Proteine Peptide aufweisen, die in bestimmten Bereichen identische oder sehr ähnliche Aminosäuresequenzen besitzen. Werden dann diese Peptidbereiche an T-Lymphozyten präsentiert, kommt es zu einer kreuzreaktiven T-Zell-Antwort zwischen Pathogen und Wirt. Dieses Phänomen wird als "molekulare Mimikry" bezeichnet.

Als klassisches Beispiel für molekulare Mimikry wird das durch beta-hämolysierende Streptokokken ausgelöste rheumatische Fieber angesehen. Hierfür werden immunologisch relevante Strukturhomologien zwischen M-Proteinen, den typspezifischen Hauptvirulenzfaktoren der Streptokokken, und verschiedenen organspezifischen Proteinen, wie Myosin oder Vigmentin, verantwortlich gemacht.

Durch Sequenzvergleiche konnten auch Homologien zwischen Proteinen von Keratinozyten und Streptokokken identifiziert werden. Sie betreffen vor allem M-Proteine der Streptokokken und Keratine, also Zytoskelett-Proteine der Keratinozyten. Beide besitzen als besonderes Strukturmerkmal eine Beta-Faltblattstruktur, die in repetitiven Bereichen sehr große Aminosäuresequenz-Homologien aufweisen. Ob diese homologen Bereiche wirklich Zielantigene einer kreuzreaktiven läsionalen T-Zell-Antwort bei Psoriasis darstellen, ist allerdings noch nicht bewiesen. [nach: J. C. Prinz. Clin. Exper. Derm. 26, 326 – 332 (2001)]

Kastentext: Erscheinungsformen der Psoriasis

Man unterscheidet verschiedene Ausprägungen der Psoriasis:

  • Psoriasis vulgaris (gewöhnliche Schuppenflechte) ist die häufigste Form. Ca. 95% der Patienten erkranken daran. Sie ist gekennzeichnet durch großflächige Schuppenflechten-Herde mit silbriger Schuppenbildung mit schmalem rotem Randsaum.
  • Eruptiv-exanthematische Psoriasis vulgaris. Diese Form der Psoriasis verläuft weniger dramatisch als die Psoriasis vulgaris und tritt hauptsächlich bei jüngeren Menschen auf. Häufig geht ein Infekt (Grippe, Masern) oder Stress (Prüfungsangst) voraus. Man findet zahlreiche kleine gerötete und schuppende Herde, die über Rumpf, Arme und Beine verstreut sind und häufig mit Juckreiz einhergehen. Alle Psoriasiszeichen sind wie bei Psoriasis vulgaris vorhanden.
  • Psoriatische Erythrodermie (Psoriatische Rothäutigkeit) ist eine schwere Verlaufsform der Psoriasis vulgaris, bei der die gesamte Haut gerötet und entzündet ist. Hinzu kommen Schuppen und Hautrisse (Rhagaden).
  • Psoriasis arthropathica oder Psoriasis-Arthritis (Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung). Bis zu 25% der Psoriasispatienten klagen über Gelenkbeschwerden, aber nur in 1 bis 4% der Fälle treten schwere Gelenkentzündungen und Deformierungen auf. Haut und Nägel zeigen meist die typischen Zeichen. Bei der Psoriasis-Arthritis können einzelne oder mehrere Gelenke anschwellen und sich schmerzhaft entzünden. Bei längerem Verlauf werden Knorpel und Knochen des Gelenks zerstört. Befallen sind meist die Mittelhandknochen. Aber auch an großen Gelenken wie den Kniegelenken kann die Arthritis psoriatica auftreten. Auch die Gelenke der Wirbelsäule können befallen werden. Der Gelenkbefall ist nicht symmetrisch, die Rheumafaktoren im Bluttest sind negativ. Die Psoriasis-Arthritis kann den Hauterscheinungen vorausgehen. Meist tritt diese Arthritis zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf. Der Nachweis einer Psoriasis-Arthritis wird durch die HLA-Typisierung (Human Leukocyte Antigen) unterstützt.
  • Psoriasis pustulosa (Pustelförmige Schuppenflechte) ist eine sehr hartnäckige Form der Psoriasis. Betroffen sind meist Frauen im mittleren Lebensalter. Charakteristisch sind Pusteln, die mit einer sterilen gelblichen Flüssigkeit gefüllt sind und an Handteller und Fußsohle auftreten. Hinzu kommen meist die üblichen roten, schuppenden Psoriasisherde.

Kastentext: Schweregrad der Psoriasis

Für wissenschaftliche Zwecke wird heute meist der Psoriasis Area and Severity Index (PASI) ermittelt. Diese Kennziffer berücksichtigt die Fläche der betroffenen Haut sowie das Ausmaß der Entzündung und übersteigerten Zellteilung. Dazu bestimmt der Untersucher für je einen Herd an Kopf, Körperstamm, Arm und Bein anhand einer von 0 bis 4 reichenden Skala die Rötung, Verdickung und Schuppung. Die Punktzahlen werden mit denen des geschätzten Befalls multipliziert. Daraus ergibt sich nach einem Umrechnungsschlüssel für den prozentualen Anteil der einzelnen Regionen ein PASI zwischen 0 und 72. Folgende Ausprägungen lassen sich definieren:

  • leicht: PASI < 10
  • mittel: PASI 10 – 20
  • stark: PASI > 20

Quellen

Priv.-Doz. Dr. med. Sigbert Jahn, Ismaning, VIP-Pressetalk "Das Immunsystem der Haut – Immuntherapie der Psoriasis vulgaris", Hamburg, 21. bis 22. März 2002, veranstaltet von Biogen, Ismaning. Prinz, J. C.: Psoriasis vulgaris – a sterile antibacterial skin reaction mediated by cross-reactive T cells? The immunological view on the pathophysiology of psoriasis. Clin. Exper. Derm. 26, 326 – 332 (2001). Ellis, C. N., et al.: Treatment of chronic plaque psoriasis by selective targeting of memory effector lymphocytes. N. Engl. J. Med. 345, 248 – 255 (2001).

Alefacept (vorgesehener Handelsname Amevive) ist ein rekombinantes Fusionsprotein, das bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis eingesetzt werden kann. Es wirkt über eine Hemmung der aktivierten T-Lymphozyten gegen die Schuppenflechte und führte in klinischen Studie zu längerfristigen Remissionen. Für Deutschland wird die Zulassung Anfang 2003 erwartet.

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