Arzneimittel und Therapie

Hohe Cholesterol-Transportkapazität mindert Risiko

Informierte Patienten wissen: HDL-Cholesterol ist das "gute", LDL-Cholesterol dagegen das "böse Cholesterol". Denn Studien haben gezeigt, dass niedrige HDL-Spiegel das Risiko für koronare Ereignisse erhöhen können. Neue Untersuchungen zeigen komplexe Zusammenhänge: In einer Studie fand man einen inversen Zusammenhang zwischen dem Arteriosklerose-Risiko und der Cholesterol-Efflux-Kapazität der HDL. Patienten deren HDL besonders viel Cholesterol aus Lipid-beladenen Makrophagen abtransportieren konnten, waren besser geschützt – unabhängig von der Höhe ihrer HDL-Spiegel.
Arteriosklerose Wer einen hohen HDL-Spiegel hat, muss nicht automatisch gut vor Arteriosklerose geschützt sein. Nach den Ergebnissen einer Studie scheint es viel wichtiger, dass die Lipoproteine eine hohe Kapazität zum Abtransport des Cholesterols aus den Gefäßwänden besitzen. Grafik: DAK

Die High-density-Lipoproteine (HDL) nehmen Cholesterol aus Makrophagen in den Gefäßwänden auf und sorgen für den Rücktransport in die Leber. Sie sind damit Teil des sogenannten reversen Cholesteroltransports. Bei der Aufnahme spielen Transportproteine der Makrophagen wie z. B. ABDA1, der ATP-binding cassette transporter, eine wichtige Rolle. Bisher gab es kaum Zweifel daran, dass dieser Mechanismus zum Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen beiträgt und hohe HDL-Werte daher vorteilhaft sind. Doch es gibt eine Reihe von Patienten, die trotz hoher HDL-Spiegel von Arteriosklerose und koronaren Ereignissen nicht verschont bleiben, wie neuere Studien zeigen. Daher mehren sich inzwischen Stimmen die vermuten, dass eine statische Bestimmung der HDL-Spiegel die tatsächliche, funktionelle Aktivität dieser Lipoprotein-Fraktion in vivo nicht ausreichend zu beschreiben vermag.

Neue Hypothese

Die Autoren einer im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie stellten daher die Hypothese auf, dass die Kapazität von HDL, Cholesterol aus Makrophagen aufzunehmen (die Cholesterol Efflux Capacity, CEC) unabhängig von der Höhe der HDL-Konzentration als Prädiktor für das Arteriosklerose-Risiko dienen könnte. Sie bestimmten die CEC in zwei Gruppen: zum einen bei 203 gesunden Personen, zum anderen in einer Fall-Kontroll-Gruppe mit insgesamt 793 Patienten, wobei 442 von ihnen von einer angiografisch gesicherten koronaren Herzkrankheit (KHK) betroffen waren. Für die CEC-Bestimmung verwendete man einen validierten Ex-vivo-Test, bei dem Makrophagen mit dem Serum der Studienteilnehmer inkubiert werden.


Intima-Media-Dicke


Die Dicke der inneren (Intima) und der mittleren (Media) Schichten der Halsschlagader (Arteria carotis communis) lässt sich mittels hochauflösendem Ultraschall einfach bestimmen. Bei jungen Erwachsenen liegt sie bei 0,5 bis 0,6 mm. Alterungsprozesse führen alle 10 Jahre zu einer Zunahme um etwa 0,07 mm. Bei arteriosklerotischen Gefäßveränderungen nimmt die Intima-Media-Dicke schneller zu. Man geht davon aus, dass Werte um 1,8 mm mit einer Erhöhung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden sind. Daher dient die Intima-Media-Dicke zur Abschätzung dieses Risikos.

Inverser Zusammenhang

In der Gruppe der gesunden Probanden fand man einen inversen Zusammenhang zwischen der Cholesterol-Transportkapazität und der Intima-Media-Dicke der Karotiden (siehe Kasten). Das bedeutet, dass eine hohe CEC das Arteriosklerose-Risiko der Studienteilnehmer verminderte, und zwar unabhängig vom jeweiligen HDL-Spiegel. In der Fall-Kontroll-Gruppe war eine erhöhte Cholesterol-Transportkapazität mit einem verminderten Risiko für KHK assoziiert (adjustierte Odds Ratio 0,70, 95% KI 0,59 bis 0,83, p < 0,001). Dieser Zusammenhang blieb auch nach der Korrektur durch HDL- bzw. Apolipoprotein A-1-Spiegel (einer Protein-Komponente der HDL) noch signifikant (je p = 0,002). Zusätzliche Auswertungen zeigten, dass die Efflux-Kapazität bei Patienten mit metabolischem Syndrom und niedrigen HDL-Spiegeln, die über zwölf Wochen mit Pioglitazon behandelt wurden, signifikant erhöht war, nicht jedoch bei Patienten mit Hypercholesterolämie, die 16 Wochen lang mit Statinen therapiert wurden. Damit sahen die Autoren ihre Hypothese bestätigt. Sie diskutierten, dass die Ergebnisse für die Prüfung von neuen Therapieoptionen, die auf den HDL-Metabolismus und den reversen Cholesteroltransport abzielen, bedeutsam sein könnten.

Ein Kommentator der Studie betrachtet die Bestimmung der CEC darüber hinaus als nützliches Werkzeug für die weitere Erforschung der HDL-Funktion. In zukünftigen Untersuchungen sollte seiner Ansicht nach das Augenmerk auf solche Faktoren gerichtet werden, die die HDL-Funktion beeinflussen, insbesondere bei KHK-Risikopatienten.


Quelle

Khera, A.V; et al.: Cholesterol efflux capacity, high-densitiy lipoprotein function, and atherosclerosis. N Engl J Med (2011) 364:127 – 135

Heinecke, J: HDL and cardiovascular disease risk – time for a new approach? N Engl J Med (2011) 364:170 – 171

www.myangiologie.com/docs/farbduplexsono.html


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 10, S. 38

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