Recht

Fahrradfahren – nur mit Helm

Rennradler in der Pflicht

(bü). Viele betrachten ihn als im Falle eines Falles lebensrettend. Andere (zum Beispiel der Allgemeine Deutsche Fahrradclub – ADFC) als mögliches "Hindernis", ein Fahrrad zu besteigen: den Helm. Der Fahrradclub befürchtet das "Hindernis" allerdings nur für den Fall, dass für die Biker eine Helmpflicht eingeführt würde.

Unabhängig davon: Wahrscheinlich würde der zehnjährige Schüler aus dem bayerischen Rottenburg noch leben, wenn er mit Helm auf dem Kopf unterwegs gewesen wäre. Was war passiert? Am Fahrrad des Jungen war die Kette abgesprungen. Er kam ins Trudeln, geriet auf die Gegenfahrbahn und stieß mit einem Auto zusammen. Durch den Aufprall auf die Straße erlitt er ein Schädel-Hirn-Trauma – und starb.

"Aktenkundige" Fälle – Nachteile ohne Helm

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf interessant. Das hat entschieden, dass das "Nichttragen eines Helms" auch eines radelnden Kindes durchaus als Mitschuld anzurechnen sein kann, wenn es Kopfverletzungen davonträgt. Auch dabei ging es um einen zehnjährigen Jungen, der sich mit einem Freund zum "BMX"-Fahren in einem Garagenhof getroffen hatte. Dort prallte er – ohne Helm und extrem unvorsichtig fahrend – mit einem Kleintransporter zusammen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Transporters verweigerte die Hälfte des geforderten Schadenersatzes für die Kopfverletzungen, die sich der Junge dabei zugezogen hatte. Das OLG urteilte: Zwar habe die unvorsichtige Fahrweise des Jungen zur Folge gehabt, dass er seine Forderung gegen die Haftpflichtversicherung nicht voll durchsetzen konnte. Dennoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass Zehnjährige ohne Weiteres in der Lage seien, Gefahren im Straßenverkehr in vollem Umfang zu erkennen. Sie neigten zu spontanen und unüberlegten Verhaltensweisen, so dass die Einsicht in die Notwendigkeit einer Eigensicherung (übersetzt: das Tragen eines Helms) begrenzt sei. Auf immerhin 25 Prozent der Kosten blieben seine Eltern aber sitzen. (Az.: 1 U 9/06)

Vor allem Rennradler

Ebenfalls das Oberlandesgericht Düsseldorf musste folgenden Fall beurteilen: Ein erwachsener Rennradler fuhr mit hohem Tempo in eine unübersichtliche Kurve ein, sah sich plötzlich einem Traktor mit breitem Heuwender gegenüber und stürzte durch eine Vollbremsung. Für seine erlittenen Kopfverletzungen erhielt er keine "Wiedergutmachung", weil er ohne Helm und nicht "auf Sicht" unterwegs war. So fuhr er nicht nur sein Vehikel zu Schrott, sondern ohne Helm auch seinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Wand.

Speziell Rennradler, so das OLG, die öffentliche Straßen benutzten, hätten die Obliegenheit, sich per Helm vor Kopfverletzungen zu schützen, die bei Stürzen oder Kollisionen drohen – auch wenn das gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Die Mitschuld des Rennradlers an der Entstehung seines Schadens wiege so schwer, dass ein Verschulden des Traktorfahrers ganz ausscheide. (Az.: 1 U 182/06)

Und OLG Düsseldorf Nummer 3: Im Gegensatz zu Rennradlern brauchten "Freizeitradfahrer" im Falle eines (Un-)Falles eine solche Minderung nicht hinzunehmen. Das Gericht entschied zugunsten eines Mannes, der mit seinem Tourenrad innerorts einen Radweg befuhr, keinen Helm trug und, um einer unaufmerksamen Fußgängerin auszuweichen, eine Schlenkerbewegung machte, dabei stürzte und sich erheblich verletzte. Von Radlern, die ihr Fahrrad, anders als "Renner", "als normales Fortbewegungsmittel und ohne sportliche Ambitionen" nutzten, könne "nicht ohne Weiteres verlangt werden, einen Schutzhelm zu tragen" – solange der Gesetzgeber nichts anderes verfüge. Die Fußgängerin hatte den vollen Schaden zu tragen und durfte das vermeintliche Mitverschulden wegen des fehlenden Helmes nicht berücksichtigen. (Az.: 1 U 278/06)

Die DAK hat festgestellt, dass "gerade in der Fahrradsaison die Zahl der mit Kopfverletzungen im Krankenhaus behandelten Kinder bis 14 Jahre steigen". Und ergänzend die BEK/GEK: Es mutet "recht sonderbar" an, wenn man am Sonntagnachmittag die radelnden Familien beobachtet: Vorne die kleinen Steppkes mit Helm, hinten Mama und Papa ohne Kopfschutz. Logisch im Sinne der Familie wäre es, wenn sich die Eltern "ihre Kleinen zum Vorbild nähmen"

Andererseits: Sorglose Mutter – leidendes Kind: Ein 17-Jähriger durfte einen Fünfjährigen auf seinem Mountainbike mitnehmen, und zwar auf einem am Lenkrad befestigten Sitz. Der Kleine fuhr ohne Helm und wurde bei einem Sturz schwer verletzt. Die Haftpflichtversicherung des 17-Jährigen ersetzte nur 2/3 der Kosten, weil sie von einem Mitverschulden der Mutter des Fünfjährigen ausging. Das Oberlandesgericht Celle sah das anders: Die Mutter treffe keine Schuld, da keine Helmpflicht bestehe. Ihre Sorglosigkeit sei nicht sanktionsfähig – wenn auch wissenschaftlich belegt sei, dass Schutzhelme bestimmte Kopfverletzungen verhindern könnten (Az.: 14 U 179/07)

Und schon vor einigen Jahren entschieden: Eine von Sozialhilfe lebende Familie mit (hier: drei) Kindern hat Anspruch auf eine einmalige Beihilfe vom Sozialamt, um dem Nachwuchs Fahrradhelme kaufen zu können, da die Kopfbedeckungen zum "notwendigen Lebensunterhalt" der Kinder gehören und andernfalls eine soziale Ausgrenzung gegenüber andern Kindern möglich wäre. (Niedersächsisches OVG, 4 L 1963/00)



AZ 2011, Nr. 26, S. 7

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