Arzneimittel und Therapie

Neue Meningokokken-Vakzine gegen vier Serogruppen

Mit Menveo® wurde in Europa der erste Konjugatimpfstoff zugelassen, der vor vier der fünf bedrohlichen Meningokokken-Serotypen schützt, nämlich vor den Serotypen A, C, W-135 und Y. Das bedeutet einen verbesserten Schutz vor lebensbedrohlichen invasiven Meningokokken-Erkrankungen auch auf Reisen. Denn die Epidemiologie der Meningokokken-Serotypen variiert von Kontinent zu Kontinent. Gerade Jugendliche, die ein erhöhtes Risiko für Meningokokken-Erkrankungen haben und gleichzeitig gerne und häufig auf Reisen gehen, profitieren von der quadrivalenten Vakzine.

Meningokokken (Neisseria meningitis) können schwere invasive Erkrankungen verursachen, vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern, aber auch bei Jugendlichen. Invasive Meningokokkeninfekte verlaufen in etwa der Hälfte der Fälle als eitrige Meningitis, in 25 Prozent als Sepsis, die innerhalb von Stunden zum Tod führen kann. Bei dem restlichen Viertel handelt es sich um Mischformen. Allen intensivmedizinischen Maßnahmen zum Trotz liegt die Letalität noch immer bei etwa zehn Prozent. Wer den Infekt überlebt, leidet häufig ein Leben lang unter den Folgen wie Schwerhörigkeit, Anfallsleiden oder Hirnwasserzirkulationsstörungen. Auch Amputationen der Extremitäten können notwendig werden.

Fünf relevante Serotypen

Meningokokken lassen sich aber nicht alle über einen Kamm scheren. Anhand der Kapselpolysaccharide werden etwa zwölf verschiedene Serotypen unterschieden, von denen fünf für den Menschen relevant sind: A, B, C, W-135 und Y. Dabei variiert die weltweite Epidemiologie. In Europa herrschen die Serotypen B und C vor. Zwei Drittel der Meningokokkeninfekte hierzulande werden durch den Serotyp B verursacht, etwa ein Viertel durch den aggressiveren Serotyp C. Die Serotypen A, W-135 und Y verursachen nur zehn Prozent der Infektionen. Anders in Afrika: Auf dem schwarzen Kontinent dominiert Serotyp A. Er löst vor allem im afrikanischen Meningitis-Gürtel südlich der Sahara in der Sahelzone immer wieder verheerende Epidemien aus. Die Serotypen Y und W-135 finden sich dagegen vor allem in den USA und in Südamerika. Eine Impfung steht inzwischen gegen die Serotypen A, C, W-135 und Y zur Verfügung, nicht jedoch gegen Serotyp B. Bislang waren in Deutschland monovalente Meningokokken-Konjugatimpfstoffe gegen den Serotyp C verfügbar sowie ein bivalenter AC- und ein quadrivalenter ACWY-Polysaccharidimpfstoff. Mit der Zulassung von Menveo® ist nun in Europa der erste Konjugatimpfstoff erhältlich, der vor den vier Serotypen A, C, W-135 und Y schützt und die Prävention vor Meningokokkeninfekten dadurch maßgeblich verbessert (siehe auch Kasten). Als Trägerprotein wird wie beim bereits etablierten Meningokokken-C-Konjugatimpfstoff Menjugate® Kit CRM 197 eingesetzt, eine natürliche Variante des Diphtherietoxins. Die Zulassung von Menveo® beschränkt sich bislang noch auf Personen ab dem elften Lebensjahr. Es laufen jedoch pädiatrische Studien mit dem Ziel einer Zulassungserweiterung auf noch jüngere Kinder.

Impfstofftypen

Konjugatimpfstoffe versus Polysaccharidimpfstoffe


Für die Impfung gegen Meningokokken, aber auch gegen Pneumokokken, stehen sowohl Polysaccharidimpfstoffe als auch Konjugatimpfstoffe zur Verfügung. Der Unterschied: Bei den Konjugatimpfstoffen ist das Kapselpolysaccharidantigen an ein Trägerprotein gebunden. Daraus resultieren zahlreiche Vorteile, wie Dr. Oliver Thomas, Marburg erläuterte. Bei der Impfung mit Konjugatimpfstoffen kommt es danach zur Ausbildung eines Immungedächtnisses, da die Immunantwort anders als bei den Polysaccharidimpfstoffen T-Zell-abhängig ist. Die Schutzdauer ist verlängert. Zudem ist die Impfung mit einem Konjugatimpfstoff boosterfähig. Das bedeutet: Auch bei wiederholter Impfung kommt es nicht zu einer verminderten Immunantwort, wie dies bei Polysaccharidimpfstoffen der Fall ist. Klare Vorteile haben Konjugatimpfstoffe bei den Kleinsten. Denn das unreife Immunsystem reagiert auf reine Polysaccharide nur schwach. Entsprechend sind Polysaccharidimpfstoffe bei Säuglingen und Kleinkindern bis zwei Jahre nur ungenügend wirksam. Die Konjugation des Kapselpolysaccharids an ein Trägerprotein verbessert die Immunogenität auch in dieser Altersgruppe. Letztlich profitieren von einem Konjugatimpfstoff auch Ungeimpfte. Zumindest ab einer Impfrate von 85 Prozent kommt es bei Konjugatimpfstoffen gegen Meningokokken zum Aufbau einer Herdenimmunität. Dies konnte in Meningokokken-C-Konjugatimpfstoffprogrammen gezeigt werden. Sie belegen auch eine Reduktion der Trägerrate.

Überlegene Immunogenität

Konjugatimpfstoffe wie Menveo® verfügen generell im Vergleich mit Polysaccharidimpfstoffen über zahlreiche Vorteile, insbesondere einen langfristig besseren Schutz (siehe Kasten). In klinischen Studien, in denen bei 18.500 Teilnehmern Wirksamkeit und Verträglichkeit des neuen quadrivalenten Konjugatimpfstoffs untersucht wurden, ergab sich eine verbesserte Immunogenität. So konnten im direkten Vergleich von Konjugat- und Polysaccharidimpfstoff bei Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren nach vier Wochen höhere Antikörpertiter gegen alle vier Serotypen erzielt werden. Auch noch nach einem Jahr hatten mehr Impflinge, die mit Menveo® immunisiert wurden, einen hSBA-Titer ≥ 1:8 für die Serotypen C, W und Y (hSBA: bakterizide Antikörper im Humanserum). Für die Serogruppe A waren die Werte vergleichbar. Ähnliche Ergebnisse wurden bei Probanden im Alter zwischen 56 und 65 erreicht: Einen Monat nach der Impfung wies ein höherer Prozentsatz der mit dem Konjugatimpfstoff geimpften Personen einen hSBA-Titer ≥ 1:8 für alle Serogruppen auf. Bei den Serotypen A und Y war der Unterschied signifikant. Daten von 6185 Probanden zwischen 11 und 65 Jahren bescheinigen dem quadrivalenten Konjugatimpfstoff eine gute Verträglichkeit. Am häufigsten klagten die Impflinge über Schmerzen an der Einstichstelle und über Kopfschmerzen, die aber schnell wieder abklangen.

Routineimpfung mit neuem Impfstoff?

Die STIKO empfiehlt derzeit die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C mit einem konjugierten Meningokokken-C-Impfstoff für alle Kinder im 2. Lebensjahr zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Bei Kindern, die noch nicht gegen Meningokokken immunisiert sind, sollte die Impfung bis zum 17. Lebensjahr nachgeholt werden. "Aufgrund der zunehmenden Mobilität gerade bei den Jugendlichen ist aber zu überlegen, ob die Routineimpfung in Zukunft mit dem Konjugat-Impfstoff gegen vier Serogruppen durchgeführt werden sollte", gab Dr. Martin Kimmig, niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Oberstenfeld, zu bedenken. Beim Schüleraustausch oder als Au-pair halten sie sich nicht selten in Gebieten auf, in denen die Serotypen W-135 und Y zu finden sind, wie beispielsweise in den USA. Auch Südamerika und Asien sind beliebte Ziele gerade für junge Rucksacktouristen. Auch für Kinder, die bereits gegen den Serotyp C geimpft sind, ist eine Erweiterung des Schutzes möglich. Sie können jetzt ab dem elften Lebensjahr mit dem quadrivalenten Meningokokken-Konjugatimpfstoff nachgeimpft werden.


M. Knuf, Wiesbaden, O. Thomas, Marburg, R. Bialek, Kiel, M. Kimmig, Oberstenfeld;
Launch-Pressekonferenz "Menveo®: Fortschritt bei der Prävention gegen Meningokokken A, C, W-135 und Y",
Frankfurt, 20.4.2010.
Veranstalter: Novartis Vaccines


Dr. Beate Fessler
Meningokokken sind weltweit verbreitet. Wer auf Reisen geht, sollte gegen möglichst viele Serotypen geschützt sein.

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