Arzneimittel und Therapie

Tetravalenter Meningokokken-Konjugatimpfstoff schützt

Seit gegen Haemophilus influenzae Typ B und Pneumokokken geimpft wird, sind bakterielle Meningitiden und Blutvergiftungen seltener. Der Fokus richtet sich nun auf die Meningokokken. Ein Konjugatimpfstoff gegen Serotyp C steht bereits seit einiger Zeit zur Verfügung. Mit einem neuen tetravalenten Konjugatimpfstoff ist nun Schutz vor den Serotypen A, W-135 und Y möglich. Neisseria meningitides bereitet den Vakzinologen aber nach wie vor Kopfzerbrechen. Denn die Suche nach einer Vakzine gegen den häufigen Serotyp B verläuft bislang erfolglos.

13 Serotypen von Neisseria meningitides sind bekannt. Fünf davon können infektiöse Erkrankungen verursachen, nämlich die Serotypen A, B, C, W-135 und Y. Die beiden Erkrankungsgipfel liegen bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr sowie bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren. Dabei dominiert hierzulande der Serotyp B, gefolgt von dem etwas aggressiveren Serotyp C. Im Jahr 2007 wurden 71% der invasiven Meningokokken-Erkrankungen vom Serotyp B verursacht, 22% vom Serotyp C, mit einer Letalität von 7,5% bzw. 14,6%. Die Letalitätsraten für W-135 und Y lagen, bei insgesamt sehr kleinen Fallzahlen, bei 9,2% bzw. 6,8%. Ganz anders kann die Serotypen-Verteilung in anderen Teilen der Welt sein, erläuterte Prof. Dr. Tobias Tenenbaum, Mannheim. In Afrika, das generell stark von Meningokokken-Erkrankungen geplagt ist, herrschen etwa die Serogruppen A und C vor. Im sogenannten Meningitis-Gürtel, einem Landstrich südlich der Sahara von Ghana bis Äthiopien rufen sie alle zwei bis zehn Jahre verheerende Epidemien hervor. In der jüngeren Vergangenheit hat die Bedeutung der Serogruppe W135 zugenommen. In Asien ist der Serotyp A vorherrschend.

Konjugatimpfstoff gegen vier Serotypen

In Deutschland stehen bereits seit einiger Zeit Meningokokken-C-Konjugatimpfstoffe zur Verfügung. Damit sollen laut STIKO alle Kinder im zweiten Lebensjahr zum frühestmöglichen Zeitpunkt geimpft werden. Zum Schutz vor den Serogruppen A, W-135 und Y gab es hierzulande bislang nur Polysaccharidimpfstoffe, mit den bekannten Problemen: Sie sind bei Säuglingen kaum effektiv, induzieren kein Immungedächtnis und bieten keinen anhaltenden Schutz. Wiederholte Impfungen können zur "Hyporesponsiveness" führen. Mit Menveo® (MenACWY-CRM197) steht seit März 2010 nun in Deutschland der erste tetravalente Meningokokken-Konjugatimpfstoff zur Verfügung. Er ist an Diphtherie-CRM-197-Mutante gekoppelt. Ein zweiter tetravalenter Meningokokken-Konjugat-Impfstoff, konjugiert an Tetanus-Toxoid, befindet sich in Phase-III-Studien.

Zulassung ab dem 11. Lebensjahr

MenACWY-CRM197 wurde in Phase-III-Studien bei Säuglingen, Kleinkindern zwischen zwölf Monaten und zwei Jahren, Kindern zwischen zwei und zehn Jahren sowie bei Jugendlichen und Erwachsenen untersucht. Bereits bei Kindern im ersten Lebensjahr wurde eine starke Immunantwort gegen alle vier Serotypen erreicht. Die Immunogenität war bei Säuglingen, Kindern bis zehn Jahren und Jugendlichen vergleichbar. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Koadministration mit anderen Impfstoffen wie Tetanus, HPV oder MMRV möglich ist. Als Impfreaktionen wurden überwiegend Schmerzen an der Einstichstelle und Kopfschmerzen beobachtet. Zugelassen ist Menveo® derzeit für die Altersgruppe der 11- bis 55-Jährigen. Eine Erweiterung auf kleinere Kinder wird angestrebt.

Problemkind Serotyp B

Das Problemkind der Vakzinologen aber bleiben die Meningokokken des Serotyp B, die in Deutschland die meisten Meningokokkeninfekte verursachen. Versucht wurde die Entwicklung von OMV (Outer membrane vesicles)-Impfstoffen, die sich gegen eine Oberflächenstruktur der Meningokokken richten, etwa ein größeres äußeres Membranprotein. Diese Impfstoffe sind allerdings nur regional erfolgreich, da sie lediglich Schutz vor homologen Stämmen bieten. Die Antigenvariabilität limitiert ihren Einsatz. Beschritten wird auch der Weg der sogenannten "reversen Vakzinierung". Dabei werden mithilfe von Genomanalysen bei B-Meningokokken Proteine identifiziert und deren Immunogenität im Tierversuch getestet. Darüber lassen sich dann potenzielle Impfstoffkandidaten herausfiltern.

Quelle Prof. Dr. Tobias Tenenbaum, Mannheim; Satelliten-Symposium "Neue Impfstoffe für Kinder und Jugendliche", Potsdam 18. September 2010, veranstaltet von der Novartis Pharma AG, Nürnberg.

 


Apothekerin Dr. Beate Fessler

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