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Packungsbeilage – weniger Info wäre mehr

BONN (hb). Eine Dialogveranstaltung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 14. April 2010 in Bonn warf ein Schlaglicht auf einen wichtigen Aspekt des Gesamt-Szenarios "Arzneimittelsicherheit": die Packungsbeilage. Der Stein der Weisen hinsichtlich einer angemessenen Information scheint noch lange nicht gefunden. Im Moment ist der Grat zwischen dem, was die pharmazeutischen Unternehmen mitteilen müssen und dem, was die Patienten wirklich wissen wollen und auch verstehen können, noch ziemlich breit angelegt.
Schwer lesbar sind die meisten Packungsbeilagen nach wie vor – trotz vielfacher Bemühungen.
Foto: AOK Mediendienst

Dabei gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren die europäische Leitlinie zur Lesbarkeit von Packungsbeilagen ("Readability Guideline"). Seit September 2005 müssen die Antragsteller im Zulassungsverfahren für neue Stoffe die Ergebnisse eines mit Patienten durchgeführten Lesbarkeitstests vorlegen. Daneben versucht auch das BfArM dem Informationsbedarf der Patienten mit einer Bekanntmachung zur patientenfreundlichen Gestaltung von Packungsbeilagen entgegenzukommen.

Mehr auf die Patienten hören

Alle diese Bemühungen haben jedoch bislang offenbar nicht zu durchschlagenden Besserungen geführt. Nach wie vor klagen Patienten- und Verbraucherverbände über erheblich zu lange und zu technische, unverständliche Texte. Viele Arzneimittel wanderten deswegen gar in den Müll, ohne überhaupt eingesetzt zu werden. Dass es auch anders gehen könnte, lässt der Bericht eines Vertreters der Bundesvereinigung Patientenorganisationen erhoffen. In einer Arbeitsgruppe von Patienten und einem multinational tätigen Pharmaunternehmen wurde im Rahmen eines Pilotprojektes eine übersichtliche Packungsbeilage für ein Heparin-Präparat auf den Weg gebracht. Die Arbeiten werden nun an acht weiteren Texten fortgesetzt. Als wichtige Aspekte haben sich aus Patientensicht eine ausreichend große Schrift, deutsche Übersetzungen von Fachausdrücken, eine verständliche Beschreibung der Erkrankung und weiterer Hinweise, wenige Gliederungsebenen, eine kontrastreiche und farbige Gestaltung, Piktogramme sowie das Heranführen an weitergehende Informationen herauskristallisiert.

Das Wichtigste in der "Black Box"

Auch die europäischen Gesetzgeber haben sich zum Thema "verbesserte Patienteninformation" etwas ausgedacht: Im Rahmen des Pharma-Package ist im Kontext der Arzneimittelsicherheit vorgesehen, die essenziellen Informationen für den sicheren und wirksamen Gebrauch eines Arzneimittels in der Packungsbeilage in einem schwarz umrandeten Kasten ("Black Box") unterzubringen. Zudem soll jede textliche Änderung für die Dauer eines Jahres durch Hervorhebung/Unterstreichung kenntlich gemacht werden.

Vor allem die "Black Box" sorgt bei den Behörden und auch bei den Pharmaunternehmen für Diskussionsstoff. Zum einen geht es darum, welche Informationen in den Kasten gehören, und zum anderen wird befürchtet, dass die Patienten dann nur noch die "Black Box" lesen und den Rest außer acht lassen. Heftig ist auch der Widerstand der Unternehmen gegen die Kenntlichmachung von Änderungen, vor allem weil diese dazu führen kann, dass gleichzeitig Versionen mit unterschiedlichen Markierungen in Verkehr sind, was die Verbraucher zusätzlich verwirren könnte.

Harmonisierung in Europa schwierig

Eine besondere Herausforderung ist die Harmonisierung der Packungsbeilage im Rahmen der europäischen Anerkennungsverfahren. Ideal wäre eine vollkommene Identität, die in der europäischen Gesetzgebung konsequenterweise auch angestrebt wird. Rein technisch besteht hier nicht viel Spielraum. Dennoch stößt die "Zwangsharmonisierung" in der Praxis auf zahlreiche Hindernisse, angefangen mit unterschiedlichen Erfahrungen mit einem Arzneimittel in verschiedenen Märkten, die sich z. B. in abweichenden Angaben zu Nebenwirkungen niederschlagen können, über den unterschiedlich ausgeprägten Informationsbedarf in den Kulturen Europas bis hin zur Berücksichtigung von Schutzrechten der Pharmaunternehmen hinsichtlich einzelner Indikationen.

Die europäischen Formatvorlagen

Damit wenigstens die Form nicht abweicht, werden auf europäischer Ebene im Rahmen des sogenannten Quality Review of Documents (QRD) bereits seit vielen Jahren harmonisierte Formatvorlagen für die Kennzeichnung, Packungsbeilage und Fachinformation vorgegeben. Diese sollen eine praktische Hilfestellung beim Erstellen der Produktinformationen liefern und gleichzeitig sicherstellen, dass alle gesetzlich geforderten Informationen in den Texten enthalten sind. De facto geben die Templates für alle Amtssprachen der EU einheitliche Standardformulierungen für die Überschriften sowie für die Formulierung von Hinweisen, etwa zur Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit vor. Die Formatvorlagen werden derzeit überarbeitet, d. h. dass die Packungsbeilage in absehbarer Zeit wieder ein "neues Gesicht" bekommen könnte.

Beipackzettel am Terminal

Bei der Dialogveranstaltung wurde auch der Vorschlag geäußert, die Arzneimittelpackungen gar nicht mehr mit einer Packungsbeilage auszustatten, sondern stattdessen die Packung mit einem Barcode-Aufkleber zu versehen, mit dessen Hilfe die Patienten die aktuelle Gebrauchsinformation dann an einem Terminal in der Apotheke selbst ausdrucken können. So wäre gewährleistet, dass sie auf jeden Fall immer die aktuelle Version in die Hand bekommen.

Die Veranstaltung hat abschließend eines mehr als deutlich gemacht: Weder die Behörden noch die Industrie sind in der Gestaltung der Packungsbeilage wirklich frei, auch wenn dies aus Patientensicht vielleicht so eingeschätzt wird. Der Vizepräsident des BfArM Dr. Karl Broich brachte es auf den Punkt: "Eine für jede Bedarfslage optimale Packungsbeilage wird es nicht geben. Es gilt, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden."

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