DAZ aktuell

Patienten sollen Packungsbeilagen testen

BONN (hb) Viele Packungsbeilagen führen eher dazu, dass Patienten ein Arzneimittel gar nicht einnehmen als dass sie es sachgerecht anwenden. Dies ist ein offenes Geheimnis. Die gesetzlichen Regelungen stellen den Arzneimittelherstellern jedoch eine kaum lösbare Aufgabe: Packungsbeilagen sollen für die Patienten verständlich, gleichzeitig aber auch vollständig und haftungsrechtlich "wasserdicht" sein. An der Verständlichkeit sollen die Verbraucher nun verstärkt mitarbeiten.

Seit Inkrafttreten der 14. AMG-Novelle im September 2005 müssen Patienten in die Bewertung der Packungsbeilage eingebunden und die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen für die arzneimittelrechtliche Zulassung bei der Behörde vorgelegt werden. Das so genannte Readability-testing ist per se nichts Neues. Schon seit acht Jahren gibt es die europäische Guideline über die Lesbarkeit des Labels und der Packungsbeilage bei Humanarzneimitteln (Readability Guideline). Außerdem hat eine spezielle Arbeitsgruppe der europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) im Rahmen des "Quality Review of Documents/QRD" Formatvorlagen für die Beschriftung des Behältnisses, der Umverpackung und der Packungsbeilage entwickelt, die auf der Website der EMEA abgerufen werden können (www.emea.eu.int).

Die deutsche Zulassungsbehörde folgt diesen Entwürfen mit ihren Formatvorlagen, die zuletzt im Dezember 2005 aktualisiert wurden (www.bfarm.de). Daneben gibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits seit vielen Jahren Hinweise zur Gestaltung von Packungsbeilagen heraus, die in Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie regelmäßig fortentwickelt werden und den Firmen helfen sollen, zu standardisierten Texten zu kommen und damit insgesamt die Transparenz der Angaben zu verbessern.

Lesbarkeitsprüfung – mündlich und schriftlich

Die Lesbarkeitstests stellen nun eine neue Herausforderung für die Behörden und die pharmazeutischen Unternehmen dar. Eine Dialog-Veranstaltung des BfArM im Februar 2006 war daher eigens den Neuentwicklungen auf diesem Sektor gewidmet. Methodische Ansätze zur Lesbarkeitsprüfung werden gegenwärtig vielerorts in Studien erprobt. Begonnen wurde auf diesem Sektor mit dem Interview-Verfahren, das nun zu schriftlichen Lesbarkeitstests weiterentwickelt wird. Ziel der Untersuchungen und der Tests: Den Umfang der Packungsbeilage zu reduzieren, die Übersichtlichkeit zu verbessern und verstärkt gestalterische Mittel einzusetzen.

Der deutsche Generikaverband brachte es beim BfArM-Dialog auf den Punkt: Die Inhalte sollten mit Hilfe der Fragen "Was gilt? Was ist evident? Was ist tatsächlich relevant?" konsequent "entrümpelt" werden. Eine kürzlich durchgeführte Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), in der die Packungsbeilagen häufig verordneter Arzneimittel mit Hilfe der Verbraucher kritisch unter die Lupe genommen wurden, unterstreicht ebenfalls, wie dringend notwendig dies ist.

EU-Harmonisierung angestrebt

Dass die Packungsbeilagen in den europäischen Anerkennungs- und dezentralen Verfahren seit der Revision des EU-Zulassungssystems ebenfalls zwangsweise harmonisiert werden müssen, macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Nicht in allen Ländern ist das Informationsbedürfnis des Verbrauchers gleich groß, und Haftungsfragen werden unterschiedlich gewertet. Nun soll in der Packungsbeilage für ein Präparat in allen EU-Mitgliedstaaten zumindest dasselbe stehen, wenn auch das Layout variiert werden darf. Zusätzliche national vorgeschriebene Informationen werden in der so genannten "Blue Box" gefasst.

Erstmals ist es kürzlich einem Unternehmen aus Jena gelungen, einen für ein europäisches Anerkennungsverfahren durchgeführten schriftlichen Lesbarkeitstest von Behörden anderer Mitgliedstaaten anerkannt zu bekommen, eine "Pionierleistung" und ein Indiz dafür, dass man mit dem dort entwickelten Ansatz auch unter dem europäischen Blickwinkel auf dem richtigen Weg ist.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.